Jürgen Lauterbach meistert den Lavaredo Ultra-Trail über 88 Kilometer Immer auf der Suche nach neuen Grenzen

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Im Laufschritt durch die Natur: Die idyllische Landschaft am Ufer des Misurinasees ist Jürgen Lauterbach beim Ultratrail in den Dolomiten besonders in Erinnerung geblieben. Foto: red Foto: red

Sein Lebensmotto trägt er als Aufschrift auf seinem Armband immer bei sich: „Definiere deine Grenzen neu." Und daran hält sich Jürgen Lauterbach: Er testet, wie weit er gehen kann und verschiebt seine Grenzen immer weiter. Wie nun beim Lavaredo Ultratrail in Italien, als der Bayreuther in den Dolomiten 88 Kilometer und 3700 Höhenmeter hinter sich gebracht hat.

 
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Nach 11:48:15 Stunden erreichte Lauterbach das Ziel. Im Schnitt benötigte der 44-Jährige 8:20 Minuten pro Kilometer. Als 176. von 700 Startern überquerte er die Ziellinie. „Das Rennen war meine bisher größte Herausforderung, und ich bin sechstbester Deutscher geworden. Was will ich mehr?" ist Lauterbach zufrieden. Platzierungen sind für den Bayreuther aber zweitrangig, für ihn ist Ausdauersport seit 14 Jahren ein Hobby. „Andere stecken Geld in ihre Modelleisenbahn, ich gönne mir eben einen Kurztrip nach Italien, um dort laufen zu gehen."

Doch hauptsächlich investiert Lauterbach Zeit. Fast ein Jahr hat er sich auf den Lavaredo Ultratrail vorbereitet. Und dabei musste er auch Höhenmeter trainieren, die in seiner Heimatregion nur schwer zu finden sind. Doch Not macht erfinderisch. Den Sophienberg läuft Lauterbach eben nicht ein Mal hinauf und ein Mal hinunter, der 44-Jährige macht zehn Wiederholungen. Und wenn er in Bayreuth die Haustür verlässt und in Richtung Bischofsgrün läuft, dann kehrt er erst zurück, nachdem er fünfmal den Ochsenkopf bezwungen hat. „Am Anfang hatte ich noch unseren Hund dabei, aber mittlerweile erlaubt meine Frau das nicht mehr. Sie hat Angst, dass er schlapp macht", sagt Lauterbach mit einem breiten Grinsen.

Immer mit dabei hat der Oberfranke dagegen einen drei Kilogramm schweren Rucksack. Er muss sich an das Gewicht auf dem Rücken gewöhnen, denn ein Ultra-Trail-Läufer ist teilautark. Er darf sich nicht nur auf die Verpflegungsstationen verlassen, sondern muss seinen Proviant und wichtige Ausrüstungsgegenstände bei sich tragen. So wird auch beim Ultratrail in den Dolomiten der Rucksack-Inhalt vor dem Start in Cortina d'Ampezzo genau überprüft. Trinkblase, Jacke, Rettungsdecke, Mobiltelefon sowie Verpflegung in Form von Energiegel- und -riegeln sind Pflicht. „Und eine Streckenkarte", sagt Lauterbach. „Sonst verläuft man sich, die Strecke ist nur mit roten Fähnchen markiert."

Nur der erste Kilometer verläuft auf einer geteerten Straße, den Rest der Strecke müssen die Läufer auf engen Trampelpfaden, Wiesen, Waldboden, Forstwegen, Schotter und auch auf Schnee absolvieren. Einen Tag vor dem Lauf gab es über 1800 Metern bis zu 70 Zentimeter Neuschnee. Deswegen wurde das Rennen von 118 Kilometer auf 88 verkürzt. „Im Nachhinein ist das echt schade", sagt Lauterbach. „Ich hatte einen super Tag und hätte gerne gewusst, wie mein Körper auf die längere Strecke reagiert."

Ab Kilometer 70 geht es für Lauterbach nur noch darum, den inneren Schweinehund zu überwinden. „Da kommt schon der Mann mit dem Hammer. Und wenn dann ein ellenlanges ausgetrocknetes Flussbett vor einem liegt, das nicht enden will, muss man schon willensstark sein." Stehen bleiben kommt für Lauterbach nicht in Frage, nur bei Verpflegungsstationen oder zum Wasserlassen hält er kurz an. „Und Zeit für Fotos muss auch sein. Dafür mache ich ja diesen Sport. So ein Blick auf die Dolomiten entschädigt für alles." Lauterbach liebt die Natur und sammelt während des Laufens immer wieder neue Eindrücke. Deswegen ist er auch nie mit Kopfhörern unterwegs. „Ich brauche das Laufen, um vom Büroalltag abzuschalten", sagt Lauterbach. „Und beim Laufen in der Natur können schon banale Dinge – wenn zum Beispiel der Weg besser wird – eine Freude bereiten."

Auf den letzten Kilometern des Ultratrails genießt aber auch Lauterbach nicht mehr. „Ankommen" lautet jetzt die einzige Devise. Der süße Geschmack der Energieriegel und -getränke hängt ihm zum Hals heraus. Am letzten Verpflegungspunkt lockt die Versuchung: Bier steht für die Läufer bereit. Da es kein alkoholfreies ist, wird Lauterbach nur bedingt schwach. „Ich habe mir eins in den Rucksack einpacken lassen." Dann geht es nur noch bergab. Lauterbach fängt sein Gewicht immer wieder mit seinen Laufstöcken ab – die Läufer tragen sie das gesamte Rennen bei sich und setzen sie vor allem in Abwärtspassagen ein. Eine Stunde später ist das Ziel in Cortina d'Ampezzo in Sichtweite. „Das ist wie ein Traum, dieses Gefühl ist unbeschreiblich."

Der erste Griff im Ziel geht zum Rucksack. „Aaah Germania", hört Lauterbach noch von den Zuschauern, ehe es ploppt und er sein Belohnungsbier genießt. Vielleicht denkt Lauterbach in diesem Moment auch daran, dass er seinem größten Traum ein Stück näher gekommen ist. Mit dem Erreichen des Ziels sammelt er Punkte, die für die Teilnahme an weiteren Ultratrails berechtigen. Und in zwei Jahren soll es dann soweit sein: Lauterbach will beim Mont Blanc Ultratrail starten. Dann liegen 168 Kilometer und 9600 Höhenmeter vor ihm.

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