Jobcenter entzieht "Café Klatsch" das Geld

Von Andrea Pauly
Bettina Hietsch ist die Chefin im Café Klatsch am Menzelplatz. Ab Januar muss sie mit einem neuen Team arbeiten. Das Jobcenter streicht das Geld für ihre Teilzeit-Mitarbeiterinnen. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Das Jobcenter hat angekündigt, dem Café Klatsch die Förderung für die Mitarbeiter zu streichen.Die Arbeiter-Wohlfahrt hat nur wenige Wochen Zeit, um ein neues Finanzierungsmodell auf die Beine zu stellen. Schon ab Januar haben fünf von sechs geförderten Teilzeit-Mitarbeiterinnen keinen Job mehr.

 
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Vor drei Jahren hat die Arbeiterwohlfahrt (AWO) den Betrieb des Cafés übernommen, das die Gewog als Treffpunkt am Menzelplatz geschaffen hat. Das Jobcenter zahlt einen Zuschuss für Arbeitsgelegenheiten - so genannten AGH-Maßnahmen. Darüber werden im Café Klatsch Mitarbeiterinnen beschäftigt, die langsam und behutsam wieder an einen Arbeitsalltag herangeführt werden müssen. Diese Förderung und die Einnahmen aus dem Verkauf von Mittagessen, Torten und Kuchen haben aber nicht ausgereicht, um das Defizit zu stopfen. "Wir haben jedes Jahr 10.000 bis 20.000 Euro draufgelegt", sagt Thomas Bauske, Vorsitzender des Bayreuther AWO-Vereins. Doch nach dem Umbau des Cafés mit Vergrößerung der Küche, in der nun täglich mehr als 150 Mittagessen zubereitet weden, hat sich das geändert: "Wir schreiben zum ersten Mal eine schwarze Null."

"Es lief gerade"

Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kommt die Finanzierung ins Wanken: Das Jobcenter hat kurzfristig angekündigt, dass es im nächsten Jahr nicht mehr für die so genannten AGH-Maßnahmen zahlen wird. "Wir waren sehr geschockt", erinnert sich Bauske. "Es lief gerade", sagt auch AWO-Geschäftsführerin Marion Tost. Das Café habe nicht nur benachteiligten Frauen eine Chance geboten und als Treffpunkt funktioniert, sondern auch eine Wächterfunktion am Menzelplatz erfüllt: Mitarbeiter und Mitglieder der AWO haben von dort auch die Kinder aus dem Umgebung im Blick und bekommen mit, wenn etwas mit ihren Stammgästen nicht stimmt.

Frauen bekommen Selbstvertrauen

Von der Ankündigung der Jobcenter sind sechs Teilzeit-Mitarbeiterinnen betroffen. Sie alle  können auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Stelle finden oder halten. "Das sind Frauen, die keinen Arbeitsdruck aushalten, die ganz langsam sind oder noch viel Unterstützung brauchen", beschreibt Marion Tost. Durch die Arbeit im Café machen sie Fortschritte. "Es ist einfach schön, wenn man sieht, wie sie sich entwickeln, wieder Selbstbewusstsein bekommen, wieder laut sprechen. Das war ganz wichtig, auch für uns." Deshalb werde die AWO versuchen, die bisherigen Mitarbeiterinnen auch weiterhin zu unterstützen.

"Gelinde gesagt suboptimal"

Am 15. Oktober hat Marion Tost per E-Mail erfahren, dass es ab 1. Januar keine AGH-Maßnahmen im Café Klatsch mehr geben wird. Daraufhin "haben wir sofort einen Termin gemacht bei den Jobcentern und mit der parlamentarischen StaatssekretärinAnette Kramme Kontakt aufgenommen", berichtet Thomas Bauske. "Wir haben ihr gesagt: 'Was Ihr da in Berlin macht, ist gelinde gesagt suboptimal.'"

Hoffnung auf neues Förderprogramm

Es besteht zwar Hoffnung, dass die Bundesagentur für Arbeit im Lauf des nächsten Jahres eine Fortsetzung der AGH-Maßnahmen beschließt. "Es gibt da gute Signale aus Berlin", sagt Thomas Bauske. Aber darauf kann die AWO nicht warten. Sie führt deshalb bereits Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern: dem Integrationsfachdienst, der Werkstatt für Behinderte und dem Berufsförderungswerk. "Wir erhoffen uns neue Kooperationen und Unterstützung", sagt Marion Tost.

Bürgschaft über 18.000 Euro

Zusätzlich hat die AWO bei der Stadt einen Zuschuss in Höhe von 25.000 Euro für 2016 beantragt. Der FInanzausschuss hat sich stattdessen für eine so genannte Ausfallbürgschaft ausgesprochen. Sie käme zum Tragen, wenn die Einnahmen der AWO durch den Betrieb des Cafés nicht ausreichen. Die Höhe der Bürgschaft beziffert der FInanzausschuss auf 18.000 Euro. Die Entscheidung fällt aber erst mit der Verabschiedung des Haushaltsplanes."Ich bin dankbar, dass die Stadt anerkennt, dass das Café Klatsch eine Leuchtturmfunktion hat", sagt Bauske, der zugleich Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat ist. Für ihn ist die Förderung des Cafés gleichbedeutend mit der Unterstützung der Altstadt. "Die Stadt gibt an anderen Ecken und Enden viel Geld aus. Jetzt stellt sich die Frage: Was ist einem der Stadtteil wert?" Die Ausfallbürgschaft dient nur als Fangnetz, bis eine neue Finanzierung steht. "Je weniger wir davon brauchen, desto besser ist es", sagt Bauske.

Stammpersonal und Neueinstellung

Um den Betrieb des Cafés fortführen zu können, muss die AWO dennoch ab Januar Mitarbeiter einstellen. Auch deshalb ist der Antrag an die Stadt höher als der Verlust, der durch die Absage der Jobcenter etsteht. "Wir lösen das erstmal über unser Stammpersonal und eine Neueinstellung. Eine Frau macht Probearbeit", sagt Tost. "Das wird spannend. Und wir sind noch auf der Suche."

"Das ist total bitter"

Mindestens vier der sechs bisherigen Mitarbeiterinnen kämen für die ungeförderten Teilzeit-Stellen nicht in Frage, sagt Marion Tost. "Sie sind einfach nicht in der Lage, einen normalen Arbeitsvertrag zu erfüllen." Das sei "total bitter". Denn die Entwicklung, die die Frauen sich durch die Heranführung an einen normalen Arbeitsalltag erleben, wirke sich oft positiv auf ihr Privatleben auf. "Jetzt fallen sie in ihren alten Alltag zurück", befürchtet Tost.

Die Geschäftsführerin will sich aber nicht geschlagen geben. "Wir sind trotzdem zuversichtlich. Wir wollen, nein, wir werden das nicht einfach beenden."

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