Jazz-Faszination Johanna Borchert

Von Michael Weiser
Ungewöhnliche Musik mit ungewöhnlicher Atmosphäre: Johanna Borchert gastiert mit ihrem Quartett in Bayreuth. Foto: Barbara Kaniewska Foto: red

Sie erinnere an Börk, Kate Bush oder Laurie Anderson, heißt es immer wieder. Das kann man so sehen. Man kann sich aber auch ein eigenes Bild machen von Johanna Borchert. Und das live,  am Freitag in Bayreuth. Wir sprachen mit der Echo-Gewinnerin über Haare im Klavier, Lieder für den Weihnachtsmann und die Macht der Stille.

 
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Ich hab ein Video gesehen, da liegt irgendwas im Schallraum des Flügels - kann das sein, dass das eine Perücke ist?

Johanna Borchert: Nein, das sind Haare von einem Gegenbogen. Damit streiche ich die Saiten des Flügels, vor allem wenn ich solo unterwegs bin, für Klangvielfalt.

Sie haben ein hoch gelobtes Album aufgenommen, mit einem ganz und gar ungewöhnlichen atmosphärischen Sound. Wer hat Sie dazu inspiriert?

Borchert: Mich haben die Musiker inspiriert, mit denen ich die CD aufgenommen habe. Fred Frith zum Beispiel, der ist für seine Klangvielfalt weltweit bekannt. Das hatte mich total fasziniert, aber er hatte sie bislang bei Freejazz oder Rock eingesetzt, und nun interessierte mich, wie er auf meine Songs reagiert.

Wen würden Sie als Vorbild bezeichnen?

Borchert: Vorbilder direkt habe ich nicht, aber ich mag viele Sachen. Aber dass ich die Sachen nun extra analysiere - nein. Ich bin breit interessiert, und unbewusst oder bewusst nimmt man immer etwas auf. Und natürlich bin ich durch mein Studium auch geschult, Musik analytisch zu hören. Das kann man gar nicht abschalten.

"Ich lese keine Kochbücher"

Wie kamen Sie zum Jazz?

Borchert: Ich habe schon immer viel improvisiert, eigentlich seit meine Arme lang genug sind, die Tasten zu drücken. Es gibt sogar ein Bild von mir, ich als Einjährige, wie ich auf die Tasten drücke. Von Kind an habe ich das spielerisch trainiert, auch mein Gehör, ich konnte also schon einiges, bevor ich Unterricht bekam. Dann kam der Improvisationsunterricht, dann das Jazzstudium. Klassik kam für mich nicht in Frage, weil man da immer das gleiche spielt, immer die gleichen Fingersätze. Ich habe lieber täglich stundenlang improvisiert. Ich lese auch keine Kochbücher....

Das ist nun aber ein weiter Sprung.

Borchert (lacht): Nir, weil das einfach ne Typfrage ist, das Ausprobieren. Manchmal geht es schief, manchmal wird es großartig.

Für Ihr Debütalbum haben Sie gleich einen Echo bekommen. Was kommt denn danach?

Borchert: Danach kommt der amerikanische Echo, also der Grammy, aber dafür müsste ich in die USA ziehen. Aber wozu sollte das ein Ziel sein? Mein Ziel ist gute Musik, die gut klingt und bei der wir Freude haben.

"Ich bin gern in der Stille"

Was hören Sie gerade?

Borchert: Wie gesagt, ich höre immer neue Sachen, wenn ich jetzt was sagen würde, wäre das gar nicht repräsentativ. Ich höre oft auch gar nichts. Ich bin gern in der Stille. Das brauche ich, um in Frieden mit mir selbst zu sein.

Wann standen Sie das erste Mal auf der Bühne? Sie sollen als Kind schon bühnenbegeistert gewesen sein.

Borchert: Ob ich für die Bühne so viel Begeisterung übrig hatte, weiß ich gar nicht. Als Kind hatte ich klassischen Klavierunterricht. Und das Vorspielen fand ich immer ganz schrecklich, ich hatte Blackouts und hab gezittert. Da muss man ja alles richtig machen und darf keinen Fehler machen. Da gibt es das: Falsch spielen. Das gibt es im Jazz so nicht. Da gibt es keine falschen Töne.

"Wagner hat unheimlich schöne Harmonien"

Und mit dem Jazz kam dann der Spaß?

Borchert: Ich hab schon auch in jüngsten Jahren dem Weihnachtsmann was vorgespielt. Da habe ich auch meine Geschwister angehalten, mitzumachen, bei Liedern, die ich selbst geschrieben hatte, mit Xylophon und Blockflöte, Klavier und Rasseln, was eben da war. Fünf, sechs Jahre war ich da alt.

Wie geht’s für Sie musikalisch weiter ?

Borchert: Es ist gerade ein Album in Vorbereitung, mit neuer Besetzung, aber den gleichen Instrumenten. Mit phantastischen Musikern aus Berlin. Mit der neuen Band komme ich auch nach Bayreuth.

Verbinden Sie was mit Wagner und Bayreuth?

Borchert: Es gab als Spiel, da hat Bayreuth eine Rolle gespielt, Moment, ich komm gleich drauf. Hm, was war das gleich wieder? Für mich ist das jedenfalls Süden.

Und Wagner? Für Sie als Jazzmusikerin uninteressant?

Borchert: Uninteressant? Ne, das nicht. Den hat man während des Studiums auch mal anylsiert. Ich bin kein großer Wagner-Fan, das hat damit zu tun, dass ich mich nicht genügend mit seiner Musik beschäftigt habe. Aber er hat unheimlich schöne Harmonien, die man sich auch als Jazz-Musiker gerne näher ansieht.

Und dann variiert?

Borchert: Im Moment mache ich Musik, die gar nicht mehr so komplex ist. Ich schaue schon ab und zu schöne Stellen von klassischen Werken an und gucke, wie das funktioniert. Aber das ist noch nicht eingflossen. Im Moment ist das auch kein Jazz, eher Singer und Songwroter, irgendwo zwischen den Welten, wo es mehr auf die Klangfarben ankommt, auf den Ausdruck, mit dem diese eher einfachen Songs gespielt werden. Jazz ist da schon komplexer. Die neuen Sachen werde ich auf der Tournee spielen. Der Klang ist anspruchsvoll, die Struktur und die Harmonie sind es eher nicht.

INFO: Das Johanna Borchert-Quartett gastiert am Freitag, 23. Oktober, um 20 Uhr beim Jazzforum im Becher-Saal.