Jäger erschoss nachts im Wald jungen Mann: Zwei Jahre Haft auf Bewährung Todesschütze muss nicht ins Gefängnis

Von Andreas Gewinner
Verhandlung eines tödlichen Schusses: Ein heute 54-Jähriger aus Schönwald (Landkreis Wunsiedel) erhielt nun eine Gefängnisstrafe auf Bewährung, weil er vor zweieinhalb Jahren nachts im Wald als Jäger einen jungen Mann erschossen hatte. Das Foto, das den Angeklagten mit seinem Verteidiger Martin Elsner zeigt, entstand bei einem früheren Verhandlungstermin. Foto: dpa Foto: red

Vor zweieinhalb Jahren erschoss ein Mann aus Schönwald nachts im Wald einen jungen Mann von einem Jägerhochsitz aus. Nun verließ der damalige Jäger das Amtsgericht Wunsiedel als freier Mann. Er erhielt zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung. Doch es könnte zu einer Neuauflage des Prozesses vor dem Landgericht Hof kommen.

 
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Es war eine schicksalhafte Begegnung an jenem frühen Morgen des 8. September 2012 bei Schönwald. Der heute 54-Jährige, der der fahrlässigen Tötung angeklagt war, saß in seinem Jagdrevier auf Wildschweine an. Er hörte in nahen Maisfeld Geräusche, sah eine Bewegung, glaubte, einen Keiler vor sich zu haben. Wenige Sekunden später löste sich ein Schuss aus dem Gewehr des Jägers. Am Fuß des Hochstands lag ein junger Mann, tödlich getroffen.

Aussage wandelt sich

Der Angeklagte hatte seine Aussagen in einem markanten Punkt verändert: Hatte er gegenüber der Polizei noch gesagt, er habe geglaubt, ein Wildschwein im Visier zu haben und habe geschossen, sagte er später aus, der Schuss habe sich gelöst, als er das Gewehr absetzen und sichern wollte.

Als letzter Zeuge sagte am Donnerstag vor Gericht ein Kripobeamter aus Hof aus. Er berichtete von einem scheinbar makabren Experiment. Mit einem Kollegen stellte er die fatale Situation unter gleichen Bedingungen nach. Der Zeuge nahm die Position des Jägers ein, sein Kollege die des Opfers. Dabei hielt der sich das Hemd vor, welches das Opfer in der tödlichen Nacht trug. Kern der Aussage des Kripobeamten: Trotz sternklarer Nacht sei es unmöglich gewesen zu erkennen, ob sich unter ihm ein Mensch oder ein Tier bewegt habe.

Vorsätzlich getötet

Der Ankläger, Staatsanwalt Michael Herbst, war schon ein einem früheren Verhandlungstermin an Richter Claus-Peter Riedelbauch gescheitert mit dem Antrag, das Verfahren wegen "bedingt vorsätzlicher Tötung" an das Landgericht Hof zu verweisen. In seinem Schlussplädoyer blieb er bei seiner Argumentation. Er verwies auf die wechselnden Aussagen des Angeklagten und zeigte sich überzeugt: "Er hat bewusst geschossen." Aufgrund der Sichtverhältnisse habe er "billigend in Kauf genommen", möglicherweise einen Menschen statt eines Tieres zu treffen. Dass sich der Schuss aufgrund eines möglichen technischen Defektes gelöst habe, sei ausgeschlossen. Ebenso wie ein versehentliches Lösen des Schusses. "Dann kann sich künftig jeder Mörder auf einen Handhabungsfehler rausreden." Er beantragte erneut Verweis nach Hof und Anklage wegen bedingt vorsätzlicher Tötung. Die beiden Anwälte der Nebenkläger, der Mutter und des Bruders des Getöteten, schlossen sich dem Plädoyer des Staatsanwaltes an. "Meine Mandantin will wissen, was wirklich passiert ist." Selbst die Schutzbehauptungen des Angeklagten zeigten einen problematischen Umgang mit Waffen.

Anwalt will Freispruch

Der Verteidiger des angeklagten Jägers, Rechtsanwalt Martin Elsner, plädierte auf Freispruch. Er verlegte sich auf die Fremdkörpertheorie. Derzufolge könne laut des Gutachters theoretisch ein Fremdkörper im Magazin beim Sichern des Gewehrs einen Schuss auslösen. Und der Verteidiger problematisierte das Verhalten des Opfers. Tatsache war, dass der Erschossene aus nicht restlos geklärten Gründen mitten in der Nacht, abseits von Wegen und Bebauung, unter Drogen im Wald unterwegs war. Im berauschten Zustand fühle er sich verfolgt, "er wollte auf den Hochsitz, um mögliche Verfolger zu erkennen." Elsner rügte die Ermittlungen: Es sei nie geklärt, von wo genau sich das Opfer genähert habe. Und was der Angeklagte zunächst nur gehört habe im Maisfeld, könnten tatsächlich Wildschweine gewesen sein.

Richter Claus-Peter Riedelbauch wies sowohl die Versionen von Anklage wie Verteidigung zurück. Und begründete sein Urteil: "Was die Nebenklägerin wollte, absolute Aufklärung dessen, was wirklich passiert ist, kann das Gericht nicht leisten." Am wahrscheinlichsten von allen möglichen Varianten sei, dass der Jäger bewusst geschossen habe in der Überzeugung, einen Keiler vor sich zu haben. "Damit haben Sie gegen die Regel Nummer Eins der Jagd verstoßen: Sich zu vergewissern, was man vor sich hat." Andererseits sei der bedingte Tötungsvorsatz, den der Staatsanwalt erkannte, nicht erwiesen: "Wie wahrscheinlich ist es, unter den Umständen nachts statt eines Wildschweines einen Menschen vor sich zu haben? Er war überzeugt, einen Keiler vor sich zu haben."

3000 Euro Buße

Bei der Bewährungsstrafe habe die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten eine Rolle gespielt. Der Jäger war vor der Todesnacht in der Jagdausbildung tätig, sei nicht als schießwütig aufgefallen, lebe als Selbstständiger in geordneten sozialen Verhältnissen. "Gefängnis ohne Bewährung hätte das Opfer nicht wieder lebendig gemacht." Die zweijährige Gefängnisstrafe wird auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte muss - außer den Verfahrens- und Nebenklagekosten - 3000 Euro an eine Initiative zur Drogenprävention zahlen.

Ein Vertreter der Nebenklage sagte am Rande der Verhandlung, dass bei einer Bewährungsstrafe "wahrscheinlich" Rechtsmittel eingelegt würden. Der Staatsanwalt wollte nach dem Urteil noch nicht sagen, ob er das Urteil anfechten will.

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