Interview mit Grünen-Chefin Claudia Roth zur Amigo-Affäre "Bei einem Kollegen wussten wir Bescheid"

Joachim Braun
Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, äußerte sich zur Verwandten-Affäre Foto: red

Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte am Freitag alle Namen in der Verwandten-Affäre. 79 Abgeordnete sollen nach dem Jahr 2000 Ehepartner oder Kinder als Mitarbeiter beschäftigt haben. Die Liste enthält auch Landtagsabgeordnete der Grünen. Claudia Roth (57), Bundesvorsitzende der Grünen, war am Freitag Referentin bei den "Benediktbeurer Gesprächen". Der Nordbayerische Kurier nutzte die Gelegenheit für ein paar Fragen.

 
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Können Sie sich vorstellen, Frau Roth, Familienangehörige zu beschäftigen?

Claudia Roth: Nein. Im Bundestag gibt es dazu klare Regeln, im Europaparlament, wo ich auch mal war, genauso. Die wurden gemacht, um den Eindruck von Vetterleswirtschaft zu verhindern und den, das sich Abgeordnete den Staat zur Beute machen. In Bayern gibt es dazu besondere Regeln, die bestimmte Einstellungsverhältnisse nicht verbieten, in Bezug auf Geschwister. Trotzdem glaube ich, dass auch im Freistaat nicht alles, was legal ist auch legitim ist.

Bei den Grünen sind ja nun auch Landtagsabgeordnete genannt worden, die zumindest Verwandte zweiten Grades beschäftigt haben. Hat Sie das entsetzt?

Roth: Doch, das hat mich wirklich sehr geärgert. Bei einem Kollegen wussten wir Bescheid. Dessen Bruder macht in IT, und dessen Regionalbüro hatte unseren Abgeordneten mit betreuen lassen. Das war angezeigt und auch im Rahmen der Regeln möglich. Ob er es machen muss, das muss er selber wissen. Ärgerlich finde ich allerdings die Sache von Maria Scharfenberg aus Regensburg, die ihren Kindern Minijobs gegeben hatte. Darüber hatte sie bis zuletzt nichts gesagt, auch nicht in der Fraktion. Das, so finde ich, geht gar nicht.

Also schwarze Verhältnisse bei den Grünen?

Roth: Nicht ganz, die Dimensionen sind doch etwas anders, als etwa beim CSU-Fraktionsvorsitzenden Schmid. Schon wenn man bayerische Durchschnittslöhne anschaut - die liegen so bei 2500 Euro - wird einem die Dimension klar: Diese 5500 Euro, die Schmid seiner Frau bezahlte, riechen dermaßen nach Selbstbeschäftigung. Auch der Kultusminister ist dabei? Der sollte doch eigentlich ein Vorbild sein für Anständigkeit in der Politik. Auch die Justizministerin. Ich glaube, das ist ein richtiger Turbo für Politikverdrossenheit und lässt alles wieder aufleben, was man mit der alten CSU verbindet.

Mit Walter Nadler gehört auch ein CSU-Abgeordneter aus Bayreuth zu den Nutznießern von 13 Jahren Übergangsregelung. Er verrät das Gehalt aber nicht, das er seiner Frau bezahlt hat - unter Hinweis auf die Privatsphäre. Wo fängt die an?

Roth: Also bitte, das hat doch nichts mit Privatsphäre zu tun, das sind ja auch nicht seine privaten Gelder. Wir reden hier über Steuergelder, die für die Ausstattung von Abgeordneten zur Verfügung gestellt werden. Was der Abgeordnete damit macht und wie er wen bezahlt, muss doch transparent gemacht werden - schon um zu verhindern, dass es ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sind. Der Bundestag kontrolliert ja sogar das. Die Offenlegung auch der Details ist jetzt sehr wichtig. Ich hoffe, dass die Landtagspräsidentin, Frau Stamm, das alles transparent macht und zeigt, wie hier mit Steuergeldern umgegangen wurde.

Sie sind zwar in Ulm geboren, aber im Allgäu aufgewachsen, und somit irgendwie auch eine bayerische Politikerin. Welche Auswirkungen hat die Affäre auf den Ruf Bayerns?

Roth: Wenn Du aus Bayern kommst und bist in Deutschland unterwegs, hörst du jetzt wieder all das, was mich früher schon so geärgert hat: Es wird über Verfilzung geredet, über Vetterleswirtschaft, der Staat gehöre der CSU und so weiter. All die Vorurteile über Bayern werden wieder offen angesprochen. Dazu hat leider auch die hohe Unsensibilität des Münchner Landgerichts beim NSU-Prozess beigetragen. Dann spielt Bayern München einen Super-Fußball, aber es gibt einen Präsidenten, der Steuern hinterzieht. Ich finde wirklich schlimm, dass diese alten Bilder nun wieder aktuell sind.

Foto: pa

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