Innenminister Herrmann nimmt seinen Staatssekretär Eck in Schutz V-Mann-Affäre: Minister berichtet

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Der aus dem Ruder gelaufene V-Mann-Einsatz von Mario F. bei den „Bandidos“ in Regensburg, die daraus entstandene V-Mann-Affäre im Landeskriminalamt und die Ermittlungen gegen sechs zum Teil hochrangige Angehörige des Amtes haben Folgen. Eine ist, dass die Führung von V-Leuten im LKA mittlerweile anders organisiert ist.

 
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Die V-Mann-Führung wurde von den zuvor zuständigen Sachgebieten 612,614 und 621 abgezogen und dem Dezernat 63 übertragen. Eine gesonderte Arbeitsgruppe im LKA überprüft die neue, zentrale V-Mann-Führung – und das schon am 1. Januar 2015, also weit vor dem Bekanntwerden der Affäre am 7. November 2015.

Das geht aus einem Zwischenbericht hervor, den Innenminister Joachim Herrmann am Dienstag der Landtagsopposition vorlegte. Der Bericht ist eine Reaktion auf die Dringlichkeitsanträge, die SPD, Grüne und Freie Wähler Mitte November im Landtag stellten, kurz nach dem Bericht im „Nordbayerischen Kurier“ über die strafrechtlichen Ermittlungen gegen mehrere LKA-Beamte. Die Opposition ist auch deshalb sauer, weil sie sich durchs Innenministerium abgespeist fühlt. Mario F. hatte sich in zwei Petitionen an den Landtag gewandt und dort von seinen Vorwürfen gegen das LKA berichtet. In einer Stellungsnahme von Innenstaatssekretär Gerhard Eck wurde der Ex-V-Mann als Lügner dargestellt.

Drei Staatsanwaltschaften sind mit der Affäre befasst

Schlüsselfigur der Affäre ist Ex-V-Mann Mario F., der mit Wissen und im Auftrag seines V-Mann-Führers bei der kriminellen Rockergruppe „Bandidos“ als Drogendealer eingeschleust und dabei Informationen über einer Reihe zum Teil schwerer Straftaten erhalten haben will – die im LKA aber angeblich ignoriert wurden. Mario F. wurde im Sommer 2013 in Würzburg für Drogendelikte verurteilt – er glaubt, zu Unrecht. Seine Behauptungen, das LKA habe über seine Straftaten Bescheid gewusst, konnte er nicht beweisen, weil das Innenministerium die V-Mann-Akten sperrte.

Eine Aussage über ein Tötungsdelikt gefährdet den Ex-V-Mann

Aus Minister Herrmanns Bericht geht nun hervor, dass mit der juristischen Aufarbeitung der Affäre drei Staatsanwaltschaften befasst sind: In Würzburg steht Mario F. in einem neu zu verhandelnden Drogenprozess vor Gericht – es geht, wie mehrfach berichtet, um einen Schmuggel von zehn Gramm Crystal-Speed über die Grenze bei Waldsassen im November 2011. In Nürnberg ermittelt die Justiz gegen sechs LKA-Beamte. In Regensburg gibt es zahlreiche Verfahren gegen Mitglieder der „Bandidos“. Dort ist Mario F. mittlerweile auch im Zeugenschutz. Seit Mitte Dezember gilt er als konkret gefährdet, weil er über ein versuchtes Tötungsdelikt in „Bandido“-Kreisen ausgesagt hat – der Fall ist laut Herrmann bereits zum Regensburger Schwurgericht angeklagt.

Vorwürfe bis hin zur Tacho-Manipulation

In Herrmanns 35 Seiten starken Bericht steht auch, dass die Ermittlungen gegen den damaligen V-Mann-Führer von Mario F. ausgeweitet wurden: Dem Hauptkommissar aus Unterfranken wird vorgeworfen, Mario F.’s Beteiligung an einem Baggerdienstahl in Dänemark gewusst, geduldet und verschleiert zu haben – der Vorwurf lautet: schwerer Diebstahl in mittelbarer Täterschaft. Zudem verdächtigen die Behörden ihn der Strafvereitelung im Amt, der Falschaussage im ersten Strafprozess gegen Mario F. in Würzburg, Fälschung von Quittungen und Manipulation eines Tachos an einem Leasingfahrzeug, mit dem Mario F. als V-Mann Tausende von Kilometer zurückgelegt haben will. Zurzeit werde auch geprüft, ob gegen den V-Mann-Führer wegen möglicher Mitwisserschaft an Mario F.’s Drogenschmuggel in Waldsassen ein Verfahren eingeleitet werde.

„Einzigartig, was im LKA alles möglich ist“

Der SPD-Abgeordnete Franz Schindler, der zurzeit in Auslandsurlaub ist und den Bericht via Email aufs Smartphone bekommen hatte, erklärte auf Anfrage: „Es ist schon eigenartig, was im LKA alles möglich ist. Der Bericht zeigt mir: Die haben ein ganz schlechtes Gewissen.“

Die Bayreuther Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote bewertet Herrmanns Bericht als „bemüht, aber unbefriedigend“. Gote vermisst eine Aufklärung der Frage, was Staatssekretär Eck über die versuchte Kaltstellung des V-Manns mittels der Sperrerklärung wusste. Hintergrund: Eck ist Parteifreund der Ehefrau des Hauptbeschuldigten V-Mann-Führers. Gote: „Ich hätte erwartet, dass der Minister sich den Staatssekretär zumindest zum Gespräch holt.“ In Herrmanns Bericht werde jedoch lediglich eine altbekannte Stellungsnahme Ecks, er habe aufgrund des abweichenden Nachnamens den V-Mann-Führer seiner Parteifreundin nicht zugeordnet.

War das V-Mann-Thema zu brisant?

Gote glaubt, dass der Landtag auch aus anderem Grund über die V-Mann-Affäre im Unklaren gelassen worden sei: Zum Zeitpunkt, als die Petitionen von Mario F. mit unzutreffenden Informationen aus dem Ministerium behandelt worden waren, sei nämlich ein anderes V-Mann-Problem gerade virulent gewesen: Das im Zusammenhang mit dem Einsatz von V-Leuten in der NSU-Affäre: „Zudem standen Landtagswahlen an. Dem Innenministerium dürfte die Brisanz des Falls von Mario F. bewusst gewesen sein. Es sieht danach aus, dass man diese Sache unterm Teppich halten wollte.“ Herrmanns Bericht soll in zwei Wochen im Verfassungsausschuss diskutiert werden.

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