Inkontinenz: Aufs Klo, wenn's vibriert

Von Susanne Will
Jannik Lockl hat ein Gerät entwickelt, das Alarm schlägt, wann Inkontinente auf die Toiletten gehen sollten. In seiner rechten Hand hält er den Prototypen des Sensors, das Teil in der linken Hand wird mit einem Pflaster auf die Haut über dem Schambein geklebt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Das Thema Inkontinenz ist mit einem großen Tabu behaftet. Wer darunter leidet, redet nicht darüber. Jannik Lockl ist kein Betroffener.  Der Bayreuther Student des Wirtschaftsingenieurswesens ist auch erst 25. Aber er könnte eine große Hoffnung für Menschen mit Inkontinenz werden. Er hat einen Sensor entwickelt, der Alarm schlägt, wenn sich die Blase füllt.

 
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Jannik Lockl ist gerade fertiggeworden mit seinem Studium. Im März wird er Mitarbeiter im Fraunhofer Institut, sein Ziel ist die Promotion. Dass ihm das gelingt, dürfte keine Frage sein, bei dem Engagement, das er auch an der Uni gezeigt hat. So nahm er kürzlich am „International Business Plan Competition“ in Hongkong teil.

Wettbewerb unter Universitäten

Die Spielregeln für diesen Wettbewerb: Vier Universitäten – Illinois (USA), Sao Paulo (Brasilien), Hongkong (China) und Bayreuth – laden Studenten zu einem Ideen-Wettkampf ein. Austragungsort war heuer Hongkong. Bayreuth gehört seit vier Jahren zu den Ausrichtern. Aus Bayreuth nahmen jetzt zwölf Bachelor- und Masterstudierende der Studiengänge BWL und Wirtschaftsingenieurwesen teil. Heuer konnte erstmals mit Jannik Lockl ein Bayreuther Student überhaupt einen Platz unter den besten drei erlangen.  

Zu viert in einem Team

Die Aufgabe in diesem Jahr: Die Studenten sollten „start ups“, also neue Unternehmen gründen, die Gesundheitstechnik für Senioren produziert. Jannik Lockl wurde in ein Team gewürfelt, das aus zwei Kollegen aus Illinois und einem aus Hongkong bestand. Zeit für Sightseeing oder Partys war nicht: „Morgens um 6.30 Uhr hatten wir bereits das erste Treffen, manchmal waren wir bis nachts um ein Uhr noch am brüten.“ Dabei seien die vier zu einem „richtig guten Team“ geworden, erzählt Lockl. „Wenn man bis zu 16 Stunden zusammen ist, lernt man alles vom anderen kennen – die guten und die schlechten Seiten.“

"Ein riesiger, wachsender Markt"

Einarbeitung ins Thema gehörte dazu. „Wir haben es an China gesehen: In der demographischen Entwicklung sind uns Asiaten rund 30 Jahre voraus. Asiaten haben eine deutliche höhere Lebenserwartung und gehen früher in Rente. Das ist ein riesiger, wachsender Markt aus betriebswirtschaftlicher Sicht“, er geht davon aus, dass dieser Markt in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent wachse. Auch in Deutschland.

Mit 55 Jahren erste Anzeichen

Irgendwann war die Idee geboren: Hilfe für Inkontinenz-Erkrankte mit digitaler Unterstützung. „Die Generation der Babyboomer, die demnächst in Rente geht, wäre unsere Zielgruppe, da sie sich bereits während ihrer Arbeitszeit mit der Digitalisierung auseinandergesetzt hat.“  Und er hat recherchiert, dass im Alter von 55 rund 40 Prozent die ersten Anzeichen haben, dass der Beckenbodenmuskel an Spannkraft verliert. „Das sind vier Stufen, sie beginnen beim Tröpfeln, wenn jemand lacht.“

Wenn die Blase voll ist, vibriert der Fingerring

So soll das Gerät funktionieren, das Lockls Team „SilverSolutions“ auf den Namen „inContAlert“ taufte: Auf dem Schambein klebt ein Pflaster, das Aussparungen für die Sensoren freihält. Mit einem Klickverschluss auf dem Pflaster wird der Sensor befestigt. „Das hält“, sagt Lockl. Der Sensor misst den Urinstand in der Blase. „Bei einer Füllmenge von 50 Prozent wird Alarm ausgelöst“, und zwar so: Bei Frauen könnte ein Fingerring via Bluetooth das Signal des Sensors aufnehmen und vibriert dann – das ist das Zeichen für den Betroffenen, jetzt auf die Toilette zu gehen. „Bei Männern könnte man die Vibration unter die Uhr legen.“ So bleibt der Alarm geheim.

Studenten trugen selbst Windeln

Wie schlimm es für die Betroffenen ist, Windeln tragen zu müssen, weiß Jannik Lockl mittlerweile selbst. „Wir haben zwei Tage lang Windeln getragen, um ein Gefühl für die Erkrankung zu bekommen.“ Sein Fazit: „Es ist unangenehm. Und es ist noch schlimmer, als man sich vorstellt. Man hört das Rascheln der Windel, wenn man sich bewegt, man schwitzt.“ Wobei die Studenten den Versuch mit einer trockenen Windel unternommen haben. „Das möchte ich mir nicht vorstellen, wie es in der Realität ist. Vor allem dann nicht, wenn ich 70 Jahre alt bin und vermutlich noch arbeiten muss.“

Wettbewerb gewonnen

Einen Prototypen gibt es bereits. Und die Jury zeigte sich so beeindruckt, dass Jannik Lockl den ersten Platz für die beste Präsentation erreichte und das Team SilverSolutions an sich den Uni-Wettbewerb mit seinem  „inContAlert“ gewann.

Nächste Runde in Illinois

Von einer eigenen Firma allerdings sind Lockl und seine Mitstreiter noch entfernt. Vielleicht kommen sie beim nächsten Wettkampf dem Ziel näher. Denn dann geht der Wettkampf in Illinois in die zweite Runde. Dann stehen 220 000 Dollar zur Verfügung, die sich die Gewinner-Teams teilen werden.

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