Learning by doing
Schule und Wohnheim sind zwar getrennte Einrichtungen, die Schüler und Bewohner begegnen sich dennoch ständig. „Es kommt vor, dass ein aufgebrachter Bewohner in den Klassenraum kommt und sogleich beruhigt werden muss. Das ist learning by doing“, sagt Monika Schmiedel.
Zurück zur Schule. Wer die zweijährige Ausbildung zum Heilerziehungspfleger anstrebt, benötigt mindestens mittlere Reife, einschlägige Erfahrung und muss gesundheitlich geeignet sein. Nach dem erfolgreichen Abschluss verleiht die Schule den staatlichen Titel „Bachelor Professionell in Sozialwesen“.
Die Schule informiert unter www.arche-twi.com/heilerziehungspflege über die Ausbildung (Telefonnummer 09231/9736481).
Quereinsteiger, Anpacker, Weltoffene und Neustarter
Wir haben vier Azubis gefragt, wieso sie an die Fachschule gekommen sind und wie sie die Ausbildung finden:
Rebecca Lüftner, 32 Jahre, aus Schirnding: „Ich bin gelernte Köchin und habe längere Zeit in Österreich gearbeitet. Als ich wieder zurück nach Schirnding kam, arbeitete ich als Verpackerin bei einer Firma in Selb. Ehrlich gesagt war das nicht erfüllend, ich wollte in meinem Leben was verändern – am liebsten mit Menschen arbeiten, ihnen helfen. Mitte vergangenen Jahres kam die Kündigung der Firma. Mich wieder als Köchin zu bewerben, hat sich falsch angefühlt. Mit zwei Kindern sind die Arbeitszeiten im Schichtdienst nicht zu vereinbaren. Daher dachte ich an eine Umschulung und wurde dabei von der Arbeitsagentur wirklich bestens unterstützt. Bisher kannte ich das nicht, vom Arbeitsamt abhängig zu sein. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich meine Entscheidung noch mit meinem Vater besprechen konnte. Er fand sie so toll und hat mir gut zugeredet. Leider ist er kurz darauf gestorben.
Der Unterricht in der Fachschule für Heilerziehungspflege ist extrem interessant und vielseitig. Natürlich war ich anfangs nicht sicher, ob ich das packe, immerhin handelt es sich um eine anspruchsvolle schulische Ausbildung. Schulleiterin Monika Schmiedel hat mir ans Herz gelegt, meine Praxisausbildung in der Lebenshilfe-Werkstatt zu absolvieren. Hier lernt man, wie ein Heilerziehungspfleger zu denken. Das heißt, wir geben den behinderten Mitarbeitern Unterstützung so weit sie notwendig ist, und achten aber ebenso darauf, dass sie so selbstständig wie möglich bleiben. Die Arbeit ist wirklich erfüllend, da man so viel wieder zurückbekommt. Auch die Schule ist ungemein interessant. Im Nachhinein bin ich froh, dass mir die Berater im Arbeitsamt zur Ausbildung geraten haben, das war ein großes Glück. Ich kann sagen, so gut wie jetzt, ist es mir noch nie gegangen.“
Babacar Diop Ndiaye, 25 Jahre: „Anfangs ist es in Deutschland nicht leicht, wenn man Ausländer ist. Ich bin vorher noch nie geflogen, es ist mein erster Auslandsaufenthalt. Obwohl ich Germanistik studiert und einen Master-Abschluss habe, absolvierte ich zunächst einen Vorbereitungskurs in Deutschland. Für den Praxisteil bin ich hier im Haus Sankt Benedikt. Ich bin froh, so nette Kollegen zu haben und viel lernen zu können.
In der Schule tat ich mich anfangs schwer, da die Lehrer so schnell redeten. Mittlerweile komme ich zurecht. Ich wohne mit vier Bekannten zusammen – einer von ihnen stammt aus dem Senegal und lernt ebenfalls Heilerziehungspfleger.
Wir sprechen im Senegal Französisch und pflegen etliche lokale Sprachen. Im Gymnasium kam ich das erste Mal mit Deutsch in Kontakt und habe schließlich Germanistik studiert. An der Universität war ich Sekretär einer Gruppe, in der die Studenten auf Deutsch diskutiert haben. Zu dieser Zeit habe ich angefangen, mich für die Arbeit mit behinderten Menschen zu interessieren und von der Ausbildung in Deutschland erfahren.
Wenn ich die Schule geschafft habe, würde ich am liebsten hier bleiben und Erfahrungen sammeln. 15 Jahre sind durchaus denkbar. Mal sehen, was kommt. Gut möglich, dass ich aber eines Tages in unserem Land Heilerziehungspfleger ausbilde.
Als Muslim ist das Leben in Deutschland nicht so einfach, da wir kein Schweinefleisch essen und auch kein Bier trinken. In den deutschen Supermärkten enthalten aber sehr viele Produkte Schweinefleisch. Trotzdem haben meine Freunde und ich kein Problem mit dem Essen, es gibt ja genügend andere Auswahl. Gerne würde ich wieder mehr joggen, aber dazu habe ich im Moment keine Zeit. Leider.“
Sokhna Khouma ist 32 Jahre alt und stammt aus dem Senegal: „Nach dem Abitur habe ich Deutsch studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. Da ich schnell Geld verdienen wollte, begann ich im Hafen von Dakar, der Hauptstadt des Senegals, eine Ausbildung in der Lagerlogistik. Das war eine anstrengende Zeit, ich bin früh am Morgen am Hafen gewesen und spät in der Nacht heimgekommen. Meine Aufgabe bestand vorwiegend darin, Container zu beschriften.
2020 habe ich dann angefangen, in einem Kindergarten zu arbeiten. Hier lernte ich, geduldig zu sein und mich auf die Kinder einzulassen. Eines war missgebildet, da habe ich mir meine Gedanken gemacht. Wir haben im Senegal so viele behinderte Kinder, im Kindergarten konnten wir leider nur eines aufnehmen. Damals hat mir ein Freund erzählt, dass es in Deutschland eine spezielle Ausbildung für die Betreuung behinderter Menschen gibt. Ich habe Kontakt mit der Diakonie aufgenommen, alles geregelt und bin jetzt Schülerin in Marktredwitz. Die Praxis absolviere ich in Schweinfurt in einem ADHS-Projekt (Anmerkung: ADHS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Die elf Kilometer von meiner Wohnung zur Einrichtung fahre ich meistens mit dem Rad. Das Leben in Deutschland ist komplett anders als in Senegal. Hier bin ich oft allein, die Einsamkeit ist für mich schwierig. Daher rufe ich oft zu Hause an. Im Senegal wohnt ja in aller Regel die ganze Familie zusammen. Die Schule in Marktredwitz ist anspruchsvoll, ich lerne so viel hier. Nach der Ausbildung will ich noch zwei Jahre hier bleiben, danach wieder nach Hause.“
Michael Böhm aus Marktredwitz ist 55 Jahre alt: „Mein Weg war eigentlich ganz anders vorgezeichnet. Ich habe eine technische und eine kaufmännische Ausbildung. Wenn mir mit 17 jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages im sozialen Bereich arbeiten würde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt.
Durch meine Partnerin bin ich auf den Beruf des Heilerziehungspflegers aufmerksam geworden. Die Tätigkeit hat mich fortan immer mehr interessiert. Irgendwann habe ich mich entschieden, noch einmal etwas Neues anzufangen. Derzeit absolviere ich mein Praktikum hier im Haus als Betreuungshelfer, teile Essen aus und helfe bei vielen Aktivitäten mit; es gibt ja immer etwas zu tun. Die Arbeit mit den Bewohnern im Luisenhof ist erfüllend, man kriegt so viel zurück, das ist viel wert. Natürlich dreht sich viel ums Essen. Menschen mit Prader-Willi-Syndrom sind meist einige Altersstufen zurück, haben aber ein Augenmerk darauf, wie die Betreuer mit ihnen umgehen. Und wenn es hart auf hart kommt, können sie schon mal explodieren.
Es klingt abgedroschen, aber die Arbeit als Heilerziehungspfleger ist eine Berufung, ja das kann man wirklich so ausdrücken. Niemand in meinem Umfeld hat seltsam auf meine Entscheidung reagiert, neu zu starten. Eine meiner Töchter arbeitet selbst im sozialen Bereich, im Klinikum als Pflegefachfrau, die andere Tochter ist beim Zoll und mein Sohn ist Steuerfachangestellter.
Ich hoffe, nach der Ausbildung hier im Haus bleiben und meine letzten Berufsjahre sinnvoll verbringen zu können. Manchmal denke ich, dass ich früher den Mut für diesen Schritt hätte aufbringen sollen.“