In letzter Minute wollte Prof. Martin Höher verhindern, dass ein belastendes Gutachten auf den Tisch kommt Klinikum Bayreuth: Chefarzt Höher bis auf weiteres freigestellt

Von Frank Schmälzle
Sein Job und sein Ruf stehen auf dem Spiel: Für Prof. Martin Höher geht es heute um alles. Foto: Andreas Harbachj Foto: red

Die Notbremse hat versagt: Mit einer einstweiligen Verfügung wollte Prof. Martin Höher vor dem Arbeitsgericht erreichen, dass ein für ihn negatives Gutachten am Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung des Aufsichtsrats und der Zweckverbandsversammlung des Klinikums nicht zur Sprache kommt. Das wurde abgewiesen. In der Sitzung am Dienstagnachmittag wurde entschieden, Höher bis auf weiteres freizustellen.

 
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Ab 9 Uhr tagte der Aufsichtsrat. Um 10 Uhr kamen die Mitglieder der Zweckverbandsversammlung hinzu. Thema der gemeinsamen Sitzung sind Vorwürfe gegen das Klinikum. In dem Krankenhaus sollen Patienten künstliche Herzklappen, sogenannte Tavis, eingesetzt worden sein, obwohl das medizinisch nicht notwendig war. Es geht um den Vorwurf, dass überdurchschnittlich viele Patienten nach solchen Operationen gestorben seien. Und es geht um den Vorwurf, dass diese Operationen Geld in die Kasse bringen sollten. Im Zentrum all dieser Vorwürfe: Chefarzt Prof. Martin Höher. Er ist 58 Jahre alt. Sein Arbeitsplatz steht auf dem Spiel. Sein Ruf. Seine berufliche Zukunft. Am Nachmittag wurde entschieden: Er ist bis auf weiteres freigestellt.

Kommission kann sich nicht eignen

Vor dem Arbeitsgericht ging am Montag Andreas Redl in die Vollen. Höhers Anwalt wollte  die Sitzung im Klinikum mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Zumindest aber den Teil, der seinem Mandanten schaden könnte. Die Tavi-Kommission, die sich seit Monaten um Aufklärung bemüht, hatte sich nicht auf ein gemeinsames Ergebnis einigen können. Vier Mitglieder sprachen sich dafür aus, weitere Experten um ein Ergänzungsgutachten zu bitten. Das fällt für Höher nicht gut aus. Die Tagesordnung der Sitzung am Dienstag sah vor, dass auch dieses Ergänzungsgutachten vorgestellt wird. Bevor Höher zu Wort kommt und bevor die beiden Gremien über mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen beraten werden.

Alles nur Laien im Zweckverband

„Schon die Diskussion um dieses Ergänzungsgutachten verletzt die Rechte meines Mandaten“, sagte Redl. Seine Argumente: Ein Gremium, besetzt mit Kommualpolitiker und in der Mehrheit mit medizinischen Laien, soll über die Arbeit eines Chefarztes richten. Ohne, dass der Betroffene vorher Stellung nehmen konnte. Höher wird heute zwar reden dürfen. Doch er sagt: Er kann die Vorwürfe gar nicht entkräften. Denn das Ergänzungsgutachten, das ihn belastet, nennt statt konkreter Patienten nur Zahlen, die der Gutachter vergeben hat. Höher sagt, er weiß nicht, welche Fälle der Gutachter meint. Eine schriftliche Stellungnahme will er abgeben, aber die sei über Nacht nicht zu machen.

"Da wird ein Chefarzt nackt ausgezogen"

Mehr noch führt sein Anwalt ins Feld. Wenn es wirklich so gewesen sein sollte, dass die Kommission alle 273 im Klinikum operierten Tavi-Fälle aus den Jahren 2009 bis 2013 überprüft hat, sei das arbeitsrechtlich fragwürdig. „Das geht nicht. Da wird ein Chefarzt nackt ausgezogen“, sagt der Erlanger Rechtsanwalt. „Das darf man nicht verwerten. Genauso wenig wie ein Video von einer Kassierin im Supermarkt.“

Dem Ergänzungsgutachten spricht Redl die wissenschaftliche Qualität ab. Zum, Beispiel, weil die Sterberaten nach Tavi-Operationen im Klinikum mit Statistiken verglichen werden, die sie möglichst hoch erscheinen lassen. „Das Gutachten sucht nach dem Schlechten.“ Im Ergebnis bewerteten die Gutachter den Menschen Martin Höher und nicht den Mediziner. Und: Nicht der Zweckverband habe über die Entlassung eines Chefarztes zu befinden. Laut Satzung sei dafür der Aufsichtsrat der Klinikum Bayreuth GmbH zuständig. Nach Kurier-Informationen gibt es in der 20-köpfigen Zweckverbandsversammlung, die Stadt und Landkreis als Eigentümer des Klinikums repräsentiert, eine Mehrheit gegen Höher.

Warum ein zusätzliches Gutachten nötig war

„Der Herr Kollege irrt“, sagt der Rechtsanwalt des Klinikums, Wieland Henker. Die im Zweckverband organisierten Träger hätten sehr wohl das Recht, zu jeder Zeit jede zu klärende Frage an sich zu ziehen. Ihnen gehört das Klinikum. Und man komme nicht daran vorbei: Vier Mitglieder der Tavi-Kommission, die vom ehemaligen Klinikum-Chefarzt und Höher-Vorgänger Prof. Wolfgang Mäurer geleitet wurde, wollten den Entwurf eines Abschlussberichtes nicht unterschreiben. Mäurer hatte Höher reingewaschen. Die Kommissionsmitglieder hätten sich aber nicht damit abfinden wollen, dass nur Fälle überprüft wurden, die Höher selbst ausgewählt habe.

Das Gericht lehnt einstweilige Verfügung ab

Henker sagt: Das deshalb notwendige Ergänzungsgutachten als Fälschung zu bezeichnen, der Zweckverbandsversammlung die Kompetenz abzusprechen und bei dem klinikumsinternen Aufklärungsverfahren die Rechtsstaatlichkeit in Frage zu stellen, so wie es Höhers Anwalt tat, das sei „schon ein ziemlich starkes Stück“.

Eine einstweilige Verfügung gegen die Vorstellung des Ergänzungsgutachtens heute im Klinikum, „dafür gibt es keine Grundlage“, sagt Arbeitsrichter Christoph Glaser ab. Weil nicht erkennbar sei, dass Höher „abgesägt“ werden solle. Weil die Mitglieder im Aufsichtsrat und in der Zweckverbandsversammlung selbstbewusst genug sein würden, die Position des so schwer belasteten Chefarztes hören zu wollen. „Es droht kein unwiderruflicher Schaden“, sagt Glaser. Für Martin Höher hat die Notbremse versagt.

INFO: Zwei weitere Kommissionen haben sich bereits mit Vorwürfen, die die Geburtshilfe und eine ebenfalls von Höher geleitete Intensivstation des Klinikums betrafen, befasst. Sie stellten organisatorische Mängel fest. Personelle Konsequenzen gab es bisher nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch.

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