In der Region fordert kaum einer eine Verschärfung der bestehenden Regelungen Sterbehilfe: Kaum einer will Verschärfung

Von Sarah Bernhard
„Ich bin noch nie in die Verlegenheit gekommen, Suizidbeihilfe leisten zu müssen. Weil es immer eine andere Lösung gab“, sagt Wolfgang Schulze, Leiter der Palliativstation des Bayreuther Klinikums. Deshalb will der 64-Jährige auch nicht zum Spezialisten für Sterbehilfe werden.Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wie sollte die Sterbehilfe in Deutschland geregelt werden? fragten wir Menschen aus der Region. Und bekamen teils bewegende Antworten.

 
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Angelika Schnappauf (56) aus Mistelgau, Ansprechpartnerin für Muskelkranke: „Es muss in Deutschland einen Ort geben, an den ich gehen und frei entscheiden kann, ob ich mich selbst töte oder nicht. Den könnte zur Not auch eine kommerzielle Organisation anbieten. Für Menschen wie mich wäre das enorm wichtig: Ich leide an Muskelschwund, mein Leben wird wohl im Siechtum enden. Das möchte ich auf keinen Fall. Ich denke aber nicht, dass ich einem Arzt vorschreiben kann, mich zu töten. Das ist eine Entscheidung, die man selbst treffen und durchführen muss.“

 

 

 

 

 

Dr. Holger Lange (57), Sprecher des Klinischen Ethikkomitees am Klinikum Bayreuth: „Man muss unterscheiden zwischen kranken und gesunden Suizidwilligen. Die meisten Kranken, die sich umbringen wollen, haben Schmerzen oder Angst, später welche zu bekommen. Ihnen hilft meist eine palliativmedizinische Versorgung, die die Schmerzen und Symptome lindert. Für Menschen, die nicht krank sind, und trotzdem ihren Tod selbst bestimmen wollen, gibt es bereits Lösungen - die Beihilfe zum Suizid ist derzeit in Deutschland nicht strafbar. Keiner der vier Anträge, über die heute abgestimmt wird, ist der große Wurf. Nehmen sie den, der Ärzten die Hilfe zum Suizid freistellt, aber nur in Einzelfällen (Brand/Griese-Entwurf). Wer definiert denn, was ein Einzelfall ist? Wahrscheinlich die Gerichte. Das ist doch Murks. Die beste Lösung ist meiner Meinung nach, keinem Entwurf zuzustimmen. Dann wird die Situation zumindest nicht schlechter.“

 

 

 

Nina-Laura Kreutzer (21) aus Bad Berneck, Luftgewehr-Schützin: „Auch wenn es keine Patientenverfügung gibt, sollten die Angehörigen entscheiden dürfen, wann ein Familienmitglied nicht mehr weiterleben soll. Viele haben ja keine Verfügung. Ich habe mir mit meinen 21 Jahren auch noch keine Gedanken darüber gemacht, obwohl man das eigentlich sollte.“

 

 

 

 

 

Christian Hartmann (42), Kreisgeschäftsführer des VdK: „Ich als Jurist und Bürger sage, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten Vorrang haben sollte, auch wenn der Arzt den Hippokratischen Eid geschworen hat und aus medizinischer Sicht anders entscheiden würde. Allerdings sollte das selbstbestimmte Sterben an enge Voraussetzungen geknüpft sein: Zum Beispiel sollten mindestens zwei unabhängige Ärzte den Patienten beraten, um sicherzustellen, dass dieser die Tragweite seiner Entscheidung erkannt hat.“

 

 

 

 

 

Stephan Klenner-Otto (56) aus Neudrossenfeld, Illustrator: „Ich bin der Meinung, des Menschen Wille sollte gelten. Es geht auch darum, ein Leiden nicht unnötig zu verlängern, vor allem, wenn jemand nur noch dahinsiecht. Vor neun Jahren hatte mein Vater einen Schlaganfall, er wurde wiederbelebt, danach war er noch 14 Tage auf der Intensivstation. Aber da lag nur noch ein Körper, der Geist war schon weg. Für die Angehörigen ist das furchtbar, sowas muss man nicht haben.“

 

 

 

 

 

Stefanie Lauterbach (41), evangelische Pfarrerin in Weidenberg: „Was bisher möglich ist, ist in Ordnung, Tötung auf Verlangen nicht. Zum einen muss man sich fragen, was hinter dem Wunsch zu sterben steckt, nämlich oft die Angst vor dem qualvollen Sterben. Aber da gibt es die Palliativmedizin, die Menschen mit schwerster Erkrankung so gut versorgt, dass sie kaum noch Schmerzen haben. Denn, so abstrus das klingt, die letzte Zeit, die Angehörige mit dem Kranken verbringen, kann sehr wertvoll sein. Man kann dann auch die Seelsorge mit ins Boot holen, die den inneren Schmerz lindert. Der zweite Grund ist, dass ein Damm bricht, wenn wir aktive Sterbehilfe erlauben. Die Menschen würden denken, ich sterbe eh und koste dabei noch einen Haufen Geld, also ist es besser, mich aus dem Weg zu räumen. Das ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar.“

 

 

 

Dr. Wolfgang Schulze (64), Chefarzt der Palliativstation im Klinikum Bayreuth: „Ich bin noch nie in die Verlegenheit gekommen, Suizidbeihilfe leisten zu müssen. Weil es immer eine andere Lösung gab. Ich biete zum Beispiel allen Patienten an, mit dem Trinken aufzuhören. Flüssigkeitsmangel ruft eine leichte Euphorie hervor und mit einer guten Mundpflege hat man auch kein Durstgefühl. Im Gegensatz zu einer Spritze, deren Wirkung unumkehrbar ist, ist das eine natürliche Möglichkeit zu sterben. Und wenn man doch weiterleben will, kann man einfach wieder anfangen zu trinken. Wenn jemand wirklich sterben will, sollte es dem Arzt nicht verboten werden, dabei zu sein. Allerdings sollten keinesfalls nur noch Ärzte Suizidbeihilfe leisten dürfen, wie das in einem der Entwürfe gefordert wird. Denn dadurch werden wir Ärzte zu Spezialisten für Sterbehilfe gemacht und dafür bin ich mir zu schade.“

 

 

 

 

Heidi Kapper (72), Seniorin aus Weidenberg: „Mein Mann und ich haben beide eine Patientenverfügung. Wenn was wäre, wollen wir nicht an Schläuchen hängen. Und wenn wirklich sicher wäre, dass der andere nie wieder aufwacht, sagen wir auch: Alles abschalten. Da das im Moment schon möglich ist, brauchen wir eigentlich kein neues Gesetz.“

 

 

 

 

So stimmten unsere Abgeordneten:

Hartmut Koschyk (CSU/Bayreuth) wird für den interfraktionellen Antrag von Michael Brand und Kerstin Griese stimmen, der kommerzielle Sterbehilfevereine verbietet, Suizidbeihilfe für Ärzte und Angehörige aber zulässt. Auch Emmi Zeulner (CSU/Kulmbach) wird für diese Variante stimmen. Anette Kramme (SPD/Bayreuth) bevorzugt den Antrag von Karl Lauterbach. Er sieht vor, dass nur Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, das aber straffrei.

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