Immer weniger Abonnenten, immer weniger Publikum: Gesellschaft der Kulturfreunde blickt ratlos in die Zukunft Die Kulturfreunde-Krise

Von Florian Zinnecker
Publikumsmagneten: Die Bamberger Symphoniker in der Bayreuther Stadthalle. Foto: Archiv Foto: red

Seit Jahren wird das Publikum bei den Konzerten der Gesellschaft der Kulturfreunde immer spärlicher. Der Verein, der dafür sorgt, dass in der Bayreuther Stadthalle regelmäßig namhafte Ensembles gastieren, steht dieser Entwicklung ratlos gegenüber.

 
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Horst-Werner Nitt hat ein Problem, und das Problem sind die Orchester.

Bei den Leuten sind Orchester beliebt, das ist gut, aber mit Orchestern macht Nitt Minus. Jedes Orchesterkonzert muss gegenfinanziert werden, mit Liederabenden oder Kammermusik – je weniger Musiker, desto niedriger die Kosten. Nur: Die Leute wollen eben lieber Orchester.

Was die Leute wollen, kann er sich nur leisten, wenn er genug anderes ins Programm nimmt, was die Leute nicht wollen. Und wenn zu diesen Konzerten dann nicht genügend Leute kommen, bleibt zu wenig Geld übrig für die Orchester.

Das ist die Situation, in der die Gesellschaft der Kulturfreunde steckt. Seit Jahren wird das Publikum bei den Konzerten immer spärlicher – und der Verein, der dafür sorgt, dass in der Bayreuther Stadthalle regelmäßig namhaften Ensembles gastieren, steht dieser Entwicklung ratlos gegenüber.

„Vor Jahren haben wir mal eine Umfrage bei unseren Abonnenten gemacht, welche Konzerte sie gern hätten“, sagt Nitt, der den Kulturfreundnen seit 2010 vorsitzt. „Das Ergebnis: Mozart und Brahms, der große Apparat.“ Die Kulturfreunde funktionieren nach dem Abonnementsprinzip. Pro Saison finden elf Konzerte statt, ein fester Stamm an Kunden kauft vorab Karten für das ganze Paket. „Ohne Abonnenten könnten wir nicht seriös wirtschaften“, sagt Nitt.

Es ist noch nicht lange her, da waren beinahe alle Sitze im Großen Haus der Stadthalle wegabonniert. 900 Plätze gibt es, in Spitzenzeiten verkauften die Kulturfreunde 800 Abos.

Übrig geblieben sind 320, bei Orchesterkonzerten kommen sie alle, bei Liederabenden nicht. „Es ist schwierig“, sagt Nitt.

„Junge Leute schließen heutzutage keine Abos mehr ab. Sich langfristig zu binden, das macht die heutige Generation nicht mehr.“ Immer wieder gibt er Freikarten an Bayreuther Schulen. Aber dann kommt niemand.

455 Mitglieder hat der Verein im Moment. Nitt hat eine neue Internetseite bauen lassen, außerdem sitzt seit Jahren ein Student im Vorstand, der Kontakt zur Universität herstellen soll. „Es braucht ja nur einen, der den Anfang macht, dann kommen die anderen auch“, sagt Nitt. Es kommt aber nur selten einer.

Am Samstagabend, beim Konzert der Brünner Staatsphilharmonie, vor 400 Zuschauern, trat Nitt auf die Bühne und appellierte an die, die ohnehin da waren, ein Abo abzuschließen oder dem Verein beizutreten. Vier Halb-Abonnements wurden an diesem Abend abgeschlossen, ein paar Zuschauer wünschten viel Glück.

„Eine Möglichkeit wäre, die Anzahl der Konzerte zu reduzieren“, sagt Nitt. „Aber damit nehmen wir uns die Einnahmen weg.“ Andere Ideen gibt es nicht. „Wenn es nicht mehr geht, geht es eben nicht mehr.“

Die kommende Saison ist schon bestellt, die Bamberger Symphoniker spielen die „Rheinische“ von Robert Schumann und die Sinfonia Concertante von Joseph Haydn. Die Staatskapelle Weimar ist gebucht, das Tokio Waseda Symphony Orchestra ist gebucht, die Starpianistin Sa Chen ist gebucht. „Wir brauchen große Namen“, sagt Nitt.

Die Saison, die dann folgt, wird entscheidend. Auch, weil die Stadthalle schließt und die Kulturfreunde zusätzliche Mietkosten auf sich zukommen sehen – für die Stadthalle übernimmt die Stadt die Miete, das ist der städtische Zuschuss. Und weniger als 300 Abonnenten dürfen es nicht werden.

„Wir überlegen in jeder Vorstandssitzung, was wir tun könnten“, sagt Nitt. Das Problem: Man müsste experimentieren – „aber wenn wir jetzt anfangen, Experimente zu machen, hilft uns das überhaupt nicht, dazu ist unser Stammpublikum zu konservativ.“

„Wir hatten ein Konzert mit Jazz, das war ein Reinfall“, sagt Nitt. Die Chance auf neue Zuschauer bedeutet das Risiko, die Mozart- und Brahms-Stammkundschaft zu vergraulen.

„Vielleicht waren wir auch selbst schuld. Vielleicht haben wir lange zu elitär gewirkt und dadurch Leute abgeschreckt.“ Oder Generationen.

Gegründet haben sich die Kulturfreunde einst, weil es fast keine Konzerte gegeben hat in Bayreuth. „Es heißt immer, in Bayreuth sei nichts los“, sagt Nitt heute. „Es ist aber fast schon zu viel los.“

Zu viel, als dass jemand einen Liederabend besucht, obwohl er lieber ein Orchester hätte.

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