Im Landkreis Wunsiedel Minijobs verdrängen Vollzeit-Stellen

red
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Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geraten ins Hintertreffen, sagt der DGB. Besonders davon betroffen ist der Landkreis Wunsiedel, wie eine Studie zeigt

 
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Wunsiedel - Minijobs verdrängen immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schreibt, ist der Anteil in Kleinbetrieben am höchsten. Demnach waren Ende Juni 2021 im Landkreis Wunsiedel in kleinen Betrieben mit unter zehn Beschäftigten 39,3 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse Minijobs.

Dem DGB zufolge liegt der Anteil der Minijobber über alle Betriebsgrößen hinweg bei 15,2 Prozent. In größeren Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten waren hingegen nur 0,8 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse geringfügig entlohnt. Insgesamt gab es im Landkreis Wunsiedel 29 581 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und 5330 Minijobs. Das geht aus einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für den Deutschen Gewerkschaftsbund hervor.

Die Daten interpretiert der DGB wie folgt: Minijobs verdrängen gute, sozial abgesicherte Arbeit. Sie sind kein Sprungbrett, sondern für viele Menschen eine berufliche Sackgasse, vor allem in kleineren Unternehmen. „Gerade in kleineren Betrieben ändert sich das durch die geplante Reform nicht automatisch“, sagt Mathias Eckardt, Regionsgeschäftsführer des DGB Oberfranken. Zwar würden die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr sprunghaft einsetzen, wenn die Minijobgrenze überschritten wird, was es für Beschäftigte etwas attraktiver als bislang mache, mehr zu arbeiten. „Doch in kleineren Betrieben sind es oft die Arbeitgeber, die auf Minijobs setzen.“ Den negativen Effekt der Minijobs weist eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nach: Demzufolge verdrängen Minijobs in Kleinbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten knapp 500 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Ein zusätzlicher Minijob ersetzt dort im Mittel eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle. Anders als oft behauptet seien Minijobs kein Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern eine Sackgasse, schreibt der DGB. Zu diesem Ergebnis komme auch eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums.

Geringfügig Beschäftigten fehlt außerdem weitgehend der Schutz der Sozialversicherung. Sie haben keinen Anspruch auf Krankengeld, Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld. Entscheiden sie sich gegen die im Minijob optionale Rentenversicherungspflicht, kann sich dies nachteilig auf Rentenansprüche und andere Leistungen der Rentenversicherung auswirken. „Minijobs sind viel zu oft ein sicheres Ticket in die Altersarmut“, mahnt Eckardt.„Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie fatal die fehlende soziale Absicherung im Minijob sein kann – die Pandemie hat die Folgen eindrücklich aufgezeigt. 2020 haben hunderttausende Menschen in Deutschland innerhalb kürzester Zeit ihren Minijob verloren – ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Trotzdem will die neue Bundesregierung Minijobs sogar noch ausweiten. Das ist absolut nicht nachvollziehbar.“

Der DGB setzt sich seit Langem dafür ein, dass Menschen, die in Minijobs arbeiten, künftig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen und besser sozial abgesichert werden. Der DGB fordert deshalb, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und dabei die Beschäftigten finanziell zu entlasten. Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze lehnt der DGB ab. Sie würde geringfügige Beschäftigung ausweiten, sodass noch mehr Menschen ohne umfassenden Sozialversicherungsschutz arbeiten als bislang. red

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