Er ist der personifizierte Hotelfachmann: Carsten K. Rath (57) arbeitete lange in der Branche, nun testet er Luxusherbergen. Ein Gespräch über die hohe Kunst der Gastfreundschaft.
Carsten K. Rath arbeitete als Manager für namhafte Hotelketten auf vier Kontinenten, bevor er sich selbstständig machte. 2019 rief er gemeinsam mit seinem Sohn David Rath das Ranking „101 beste Hotels in Deutschland“ ins Leben. In wenigen Tagen werden die besten Hotels in Wildbach Kreuth am Tegernsee ausgezeichnet. Was macht für ihn ein gutes Hotel aus?
Er ist der personifizierte Hotelfachmann: Carsten K. Rath (57) arbeitete lange in der Branche, nun testet er Luxusherbergen. Ein Gespräch über die hohe Kunst der Gastfreundschaft.
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Herr Rath, wir führen dieses Gespräch als Videokonferenz über Teams. Wo erreiche ich Sie gerade?
Ich bin im Fairmont Hotel in St. Andrews in Schottland, am ältesten Golfplatz der Welt; dort, wo der Sport erfunden wurde. Und ich darf heute den Old Course spielen, darauf freue ich mich.
Wie immer unterwegs. Haben Sie überhaupt eine eigene Wohnung?
Das frage ich mich manchmal auch. Aber doch, ja, ich wohne auf der Schweizer Seite des Bodensees in Berlingen, aber ich bin selten da.
Nur 15 Tage im Jahr, die restlichen 350 verbringen Sie in Hotels.
Stimmt, aber es ist ja freiwillig und macht mir Freude und oft komme ich in Schweizer Hotels unter.
Wie hält man das aus? Fehlt da nicht eine Verankerung, eine Heimat?
Das ständige Reisen mache ich jetzt seit sechs oder sieben Jahren und erst jetzt stellen sich manchmal Nachteile heraus. Beispielsweise habe ich mich verletzt und könnte eine Physiotherapie brauchen. Das ist unterwegs nicht ganz einfach. Alle anderen Termine muss man eben planen. Meine Mama wohnt im Altersheim und ich besuche sie alle 14 Tage, egal was passiert. Wenn ich zum Haareschneiden muss, gehe ich seit 15 Jahren zum selben Friseur in Konstanz. Alle vier Wochen. Ansonsten packe ich wahnsinnig gerne ein und aus.
Für viele Menschen ist Kofferpacken der Horror.
Für mich nicht. Ich freue mich jetzt schon, morgen wieder zu packen. Ich reise aber auch immer sehr leicht, nur mit Handgepäck. Im Winter ist es natürlich schwieriger, aber im Sommer geht das.
Was muss ein Hotel haben, um zu den besten zu zählen?
Meine These ist, dass Service unabhängig von der Sternekategorie funktionieren soll. Die Interaktion zwischen Personal und Gast sollte immer auf höchstem Niveau stattfinden. Der Unterschied liegt in der Quantität. Im 3-Sterne-Hotel gibt’s vielleicht keine Minibar, keinen Roomservice und niemand putzt die Schuhe – also weniger Interaktion –, aber deswegen darf der Gast nicht schlecht behandelt werden. Das verwechseln viele. Die sagen, na ja, der Service war nicht so gut, war aber ja nur ein einfaches Haus. Das sehe ich anders. Die Qualität muss immer stimmen.
Was halten Sie von Hotels, die völlig ohne Menschen funktionieren? Man checkt mit einer App ein, zieht die Zimmerkarte aus einem Automaten, Zimmerreinigung zwischendurch fällt aus.
Dafür gibt es einen Markt. Und manchmal möchte man auch nicht angesprochen werden. Als ich früher bei Kempinski gearbeitet habe, sollten die Mitarbeiter an der Rezeption an der Körpersprache des anreisenden Gastes erkennen, was dessen momentane Bedürfnisse sind. Hat er es eilig? Oder will er plaudern? Heute geht der Check-in nach einer vorgegebenen Liste. Ohne jede Abweichung. Wie ein Bügeleisen, das über alles drüber geht. Service ist das A und O. Seit 20 Jahren predige ich, dass wir individuellen Service brauchen. Aber die Schwarmdummheit ist größer.
Was nervt noch?
Mich ärgert, wenn ich beim Frühstück nach der Zimmernummer gefragt werde und nicht nach dem Namen. Ein Fehler des Managements, das die Gästeliste nicht alphabetisch ordnet. Die schlimmste Floskel überhaupt ist: „Hatten Sie eine gute Anreise?“ Ich antworte immer: „Super. Beim Losfahren habe ich die schwarze Katze vom Nachbar überfahren.“ Dann sind die Leute an der Rezeption plötzlich wach und merken: bescheuerte Frage. Den Gast als Erstes in eine negative Stimmung zu versetzen ist dämlich. Kein Mensch hat eine gute Anreise. Hört auf, danach zu fragen.
Was ist ein guter Begrüßungssatz?
„Herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind.“ Also das, was jeder seinen eigenen Gästen sagt, wenn die zum Essen kommen. Es gibt ein Hotel in Leogang, das Forsthofgut. Die stellen beim Auschecken meine Lieblingsfrage: „Was hat Ihnen am besten bei uns gefallen?“ Bei dieser Formulierung fährt man mit einem positiven Mindset ab. Die hohe Kunst der Gastfreundschaft ist es, auf jeden Gast einzugehen und herauszufiltern, was er möchte oder auch nicht. Wir in der Hotellerie sind dazu da, alles zu tun, damit sich jeder Gast wohlfühlt.
Wie funktioniert Wohlfühlen?
Die besten Hotels haben einen Pre-Check-in. Die schicken vorher eine Mail oder rufen an und fragen Wünsche ab. Im Breidenbacher Hof in Düsseldorf hat man die Check-in- und Check-out-Zeiten abgeschafft. Man kann gehen, wann man möchte, ohne Mehrkosten, und wenn man anreist, ist das Zimmer bereit. Ein echter Luxus. Übrigens wollen die wenigsten Gäste einen Late-Check-out, vielleicht zwei oder drei am Tag. Aber die zwei oder drei zu managen, macht alle unheimlich glücklich. Denn hier wird Großzügigkeit signalisiert.
Worauf legen Sie am meisten Wert in einem Hotelzimmer?
Ich bin ein Gast mit wenig Extrawünschen. Aber auf drei Dinge möchte ich nicht verzichten. Absolute Sauberkeit – da bin ich fast pedantisch. Eine eigene Kaffeemaschine muss sein, und ich habe es gerne dunkel und kalt. Irgendwelche blinkenden Lämpchen machen mich wahnsinnig. Dann fange ich an, Handtücher aufzuhängen und andere verrückte Dinge zu machen.
Sie haben sich vom Kellner zum CEO nach oben gearbeitet und sind jetzt als Hoteltester und Berater tätig. Kann man die Arbeit mit dem Gast nicht bis zum Ruhestand durchhalten?
Ich kann das nicht. Ich bin gerne unterwegs und habe gerne unterschiedliche Themen, die ich bearbeite. Ich bezeichne mich übrigens nicht als Berater. Ich begleite Unternehmen, und zwar nicht nur solche aus der Hotellerie. Zu unseren Kunden gehören unterschiedliche Dienstleister. Ob im Autohaus oder im Krankenhaus, die Haltung zum Kunden darf gerne überall gut sein. Im Herzen aber bin und bleibe ich Hotelier. Man hört nicht auf, einer zu sein, bloß weil man kein Hotel mehr betreibt.
Haben Sie ein Lieblingshotel?
Im Moment das spannendste Hotel für mich ist The Atlantis in Dubai. Nicht weil es sieben Milliarden gekostet hat oder wegen der spektakulären Architektur, sondern wegen der herausragenden Qualität. Ich mag das Soneva auf den Malediven, das Vier Jahreszeiten in Hamburg, Schloss Elmau, Severin’s auf Sylt. Es kommt oft darauf an, wo ich zuletzt war und was mir noch im positiven Sinne in Erinnerung ist.
Sie tragen gerade in Schottland ein Poloshirt von Schloss Elmau. Das bringt mit zur Überlegung: Wissen Sie eigentlich beim Aufwachen, wo Sie gerade sind?
Nicht immer. Vor allem, wenn es stressig ist. Die Leute denken immer, der hat’s gut, der kommt herum, aber man ist oft gehetzt. Ich habe einen Zwölf-Stunden-Tag, praktisch nie frei. Doch wenn ich mehr als eine Woche an einem Ort bin, dann packt es mich. Dann muss ich los.
Wie machen Sie privat Urlaub? In der einsamen Berghütte, als Kontrast?
Ich mache selten Urlaub, und wenn, dann muss es ein besonderes Erlebnis beinhalten. Was Exotisches. Zuletzt war ich in Alaska und in Australien. Ich bin gerne weg von der Zivilisation, aber mit Qualität und bequem. Im Zelt übernachten – das brauche ich nicht. Nächstes Jahr gehe ich an den Südpol.
Zur Person
Carsten K. Rath wurde 1966 in Oberlahnstein geboren. Nach seiner Ausbildung zum Hotelfachmann im Schwarzwald arbeitete er in Luxushotels auf der ganzen Welt – vom Grand Roche in Kapstadt über Ritz Carlton Hotels in Florida bis hin zum Adlon in Berlin. 2008 gründete er eine Hotelgesellschaft, die die Kameha Hotels in Bonn und Zürich betreibt. 2017 verkaufte er seine Anteile und berät seither verschiedene Unternehmen der Dienstleistungsbranche.
Zum Ranking
2019 haben Carsten K. Rath und sein 1997 in Berlin geborener Sohn David Rath das Ranking „101 beste Hotels in Deutschland“ erfunden. Am 19. November 2023 wird der Preis zum fünften Mal vergeben – in Wildbad Kreuth am Tegernsee. Die Organisatoren wollen „so nah wie möglich an die Objektivität herankommen“. Daher haben sie sich einen Partner gesucht und arbeiten mit der Internationalen Hochschule München zusammen. Das von der Universität entwickelte Bewertungssystem basiert auf drei Säulen: ein Drittel machen Gästebewertungen auf Tripadvisor und Booking aus. Zweitens schaut man nach Auszeichnungen in internationalen Publikationen wie Gault Millau, Forbes, Condé Nast Traveller und das dritte Drittel kommt von anonymen Hoteltestern. Zu diesem Team von rund zwanzig Menschen gehören Carsten und David Rath nicht selbst.