Hohl im Interview: "Im Ton vergriffen"

Von Christina Knorz und Thorsten Gütling
Kämpferisch aber tief getroffen, so zeigt sich Altoberbürgermeister Michael Hohl beim Interviewtermin mit dem Nordbayerischen Kurier. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Vier Wochen ist es her, da wurde Altoberbürgermeister Michael Hohl als Vorsitzender des CSU-Kreisverbands wiedergewählt. Einig waren sich die Mitglieder aber nicht. Vorausgegangen war eine heftige, öffentliche Kritik des Herausforderers Patrick Lindthaler an der Amtsführung Hohls. Der erklärt im Interview, wie es dazu kommen konnte. 

 
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Herr Hohl, hatten sie mit einer Kampfabstimmung gerechnet?

Michael Hohl: Ja. Ich wusste davon gesichert seit Ende März. Ich wusste auch wer der Gegenkandidat sein wird.

Hat Sie der Ton vor dieser Abstimmung überrascht?

Hohl: Ja. Als Patrick Lindthaler und ich im März zusammen saßen um darüber zu reden, war es kein aggressives Gespräch. Überhaupt hatten wir im Kreisvorstand keine aggressive Stimmung gehabt. Und deswegen hat mich die Aggressivität in der Pressemitteilung dann schon erstaunt.

Wie haben Sie sich den Ton erklärt?

Hohl: Ich glaube, dass er sich da einfach vergriffen hat.

Vertritt er eine Einzelmeinung, wenn Lindthaler sagt, dass es im Kreisverband schon seit Jahren wegen Ihres Führungsstils rumort?

Hohl: Die Kampfkandidatur hatte ja zum Glück einen hohen Mobilisierungseffekt. Und das Ergebnis von 70 zu 30 ist glaube ich eine gute Antwort auf diese These. Rumoren tut überhaupt nichts. Wir sind eine Volkspartei und haben in Bayreuth 424 Mitglieder, Individualisten, Charaktere. Da gibt es immer verschiedene Meinungen, das ist ganz normal. Es findet eine stetige Diskussion darüber statt, was man tut. Und das zu kanalisieren ist die Aufgabe des Kreisvorstandes.

Es gibt sechs Ortsverbandsvorsitzende. Davon wollten drei einen Wechsel und drei nicht. War der Verband schon immer in zwei große Lager gespalten?

Hohl: Ich glaube nicht, dass er gespalten ist. Das wäre ein falsches Bild. Jeder Vorsitzende hat seine Vorstellungen und drei von sechs hätten es schön gefunden, wenn es jetzt einen Wechsel gegeben hätte. Die anderen drei wollten das nicht und die Mitglieder waren deren Meinung, das sieht man an dem Ergebnis.

Lindthaler forderte ein Zurück vom Ich zum Wir. Ist die CSU zu sehr Michael Hohl?

Hohl: Auch da kann ich sagen 70:30. Die Mitglieder sehen das offenbar nicht so. Was mich an der ganzen Sache so sehr wundert ist: Wir hatten fast jeden Monat eine Kreisvorstandssitzung. Wenn da einer ein Problem hat, dann soll er es sagen in diesem Kreis. Dann hat man auch die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Aber etwas einfach so in die Welt zu setzen finde ich nicht gut.

Das heißt, diese Kritik wurde ihnen gegenüber nie geäußert?

Hohl: Das ist über diese Briefe passiert.

Lindthaler sagt, es habe schon vor längerer Zeit einen Brandbrief gegeben, mit dem man Sie auf die Missstände aufmerksam gemacht habe. Passiert sei danach aber nichts.

Hohl: Das war, glaube ich, im Jahr 2013. Patrick Lindthaler und Claus Müller hatten das selbst einen Brandbrief genannt. Zu diesem Brief haben wir uns zusammengesetzt, danach sind manche Mechanismen geändert worden. Ich habe 2011 ja auch ein gewisses Prozedere übernommen. Ich halte es für ganz wichtig, dass die Aufgaben im Vorstand von einem Team erledigt werden und im Einvernehmen mit den Ortsverbandsvorsitzenden. Das sind doch die Frontleute, die wir haben.

Was haben Sie da angepasst?

Hohl: Das waren eher formale Sachen. Lindthaler wollte als Stellvertreter bestimmte Kompetenzen haben, bestimmte feststehende Befugnisse.

Dann war das eher der Wunsch eines Stellvertreters nach mehr Mitspracherecht?

Hohl: Ich denke, so kann man das sagen. So habe ich auch die Aussprache mit den Ortsverbandsvorsitzenden vor einem Monat verstanden. Dass Lindthaler mehr Außenwirkung haben wollte. Gerade mit Blick auf die nächste Kommunalwahl kam die Forderung, dass ich die Stellvertreter mehr einsetze.

Damit die ein Sprungbrett haben für höhere Aufgaben in Bayreuth?

Hohl: Ja.

Wenn drei von sechs Ortsverbandsvorsitzenden der Meinung sind Michael Hohl kann netzwerken, aber Parteiarbeit kann er nicht. Trifft Sie das?

Hohl: Ja. Das hat mich schon getroffen. Wenn er mir das sagt, in einer internen Runde, dann kann man schon mal die Karten auf den Tisch legen und Klartext reden, da habe ich kein Problem mit. Aber wenn er das Ihnen sagt und das dann in der Zeitung steht, dann finde ich das überhaupt nicht gut und ich glaube auch nicht, dass das der Partei dient.

Die drei Ortsvorsitzenden haben jetzt ihre Stellvertreterämter abgegeben. Wie kann man sich künftig die Zusammenarbeit vorstellen? Haben die jetzt erstmal nichts mehr zu melden?

Hohl: Die Würfel sind gefallen und ich erwarte jetzt schlicht und einfach, dass sie sich wieder einordnen und ihre Arbeit als Ortsverbandsvorsitzende wieder so anständig machen, wie sie es bisher gemacht haben. Und ich erwarte nicht, dass jetzt Querschüsse kommen und irgendwer auf Rache sinnt. Das würde am allerwenigsten ihnen helfen. Lindthaler will ja irgendwann in den Stadtrat. Da muss er die Mitglieder überzeugen. Die machen bei uns die Stadtratsliste. Das ist ja auch so ein Ding. Lindthaler wirft mir vor, ich würde alles alleine machen. Dabei ist es auf meine Initiative passiert, dass es in unserem Kreisverband keine Delegiertenversammlung mehr gibt zur Aufstellung von Kandidaten, sondern dass es eine Mitgliederversammlung ist. Dafür haben wir vor ein paar Jahren die Satzung geändert. Bei 424 Mitgliedern braucht man kein Delegiertensystem. Da kann man alle in einem Saal versammeln.

Werden sie Lindthaler wieder auf die Beine helfen?

Hohl: Ich bin von meiner Seite aus bereit, konstruktiv und sachlich zusammen zu arbeiten. Wir müssen uns ja nicht lieb haben.

Sie hatten schon einmal angekündigt, als OB-Kandidat nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Hat sich daran jetzt etwas geändert?

Hohl (grinst): Da sage ich jetzt einfach mal: kein Kommentar.

Wenn sich daran nichts geändert hat, warum darf dieser Wechsel an der Spitze des Kreisverbandes dann erst 2019 stattfinden und nicht schon jetzt?

Hohl: Der hätte stattfinden können, wenn man das rechtzeitig angesprochen hätte. Ich klebe nicht an diesem Amt. Ich habe beruflich einen ausgefüllten Tag und bin daneben in Ehrenämtern tätig. Ich hab das Amt 2011 übernommen um der Partei aus einer großen Verlegenheit zu helfen. Oliver Junk war ja gegangen und ich wollte das erst gar nicht machen. Wären Leute rechtzeitig auf mich zugekommen und hätten gesagt, dass sie es für richtig hielten, jetzt einen Wechsel zu vollziehen, dann hätten wir uns mal unterhalten und dann wäre die eine oder die andere Überzeugung gereift. Aber das ist eben nicht passiert. Ich habe mir überlegt, wie lange ich diese Arbeit noch tun will und kam zu dem Entschluss: 2019 wäre ein super Zeitpunkt für einen Wechsel. Silke Launert muss jetzt für die Bundestagswahl punkten, da kann sie keine Unruhe in der Partei gebrauchen. Wir haben nächstes Jahr die Landtagswahl, die auch die volle Kraft der Partei erfordern wird. Und 2019 ist Europawahl, da werden die Kreisverbände weniger gefordert, das ist zentral gesteuert. Da kann man dann ganz gut den Staffelstab übergeben um für die Kommunalwahl 2020 ein neues Team am Start zu haben. Das war meine Überlegung. Die erscheint mir nach wie vor schlüssig und die Mehrheit der Mitglieder hat das offenbar auch so gesehen.

Wenn Sie sagen, Sie wären für Gespräche offen gewesen, was genau hat Sie dazu bewogen, doch noch einmal anzutreten?

Hohl: Die Art und Weise. Man hat nicht ordentlich miteinander geredet. Das war der Alleingang einer Gruppe. Das bekommst du hingeworfen, friss oder stirb. Ich wünsche mir einen offenen Nachfolgeprozess in der Partei, so dass rechtzeitig angezeigt wird, wer Interesse hat. Da wird es mehrere geben, glaube ich. Und dann wird es ein transparentes Verfahren geben, an dessen Ende sich hoffentlich der oder die Beste und Meistakzeptierte durchsetzt. So wünsche ich es mir.

Hätte Lindthaler das Zeug für den Kreisvorsitz?

Hohl: Das will ich ihm nicht absprechen. Aber er wird vermutlich nicht der einzige sein.

Es hat also jemand versucht, sich mit nicht ganz sauberen Mitteln einen Vorteil zu verschaffen und möglichst keine weiteren Mitbewerber wach zu rütteln?

Hohl: So kann man das sehen.

Können Sie nachvollziehen, dass manch einem die Zeit zu kurz erscheint, erst 2019 ans Ruder gelassen zu werden um 2020 gewählt zu werden?

Hohl: Ein Jahr reicht locker.

Es läuft also nicht automatisch auf jemanden hinaus, den man bis dahin schon kennen müsste? Auf einen OB-Kandidaten Stefan Specht zum Beispiel?

Hohl: Da gibt es viele Spekulationen und die will ich nicht befeuern.

Hätte er das Zeug dazu?

Hohl (lacht): Auch ihm würde ich das nicht absprechen. Das steht mir auch nicht zu.

Wenn ein junger, aufstrebender Politiker wie Lindthaler jetzt gestutzt wird, ist das ein Rückschlag in Sachen Verjüngung der CSU?

Hohl: Sehe ich nicht so. Wir haben eigentlich einen ganz guten Altersschnitt, der ist immer noch zu hoch, aber wir liegen unter 55 Jahren. Das ist für eine große Volkspartei nicht schlecht. Wir haben jetzt zehn Mitglieder mehr als vor einem Jahr, wollen noch mehr werben und die, die wir werben, sind natürlich Jüngere. Lindthaler ist also nicht der einzige junge, den wir haben.

Kann es sein, dass Lindthaler die Macht der Senioren in der Partei unterschätzt?

Hohl: Die überwiegende Mehrheit ist 50 plus. Das kann man nicht unterschätzen, das muss man wissen. Ich glaube, dass er seine Position in der CSU falsch eingeschätzt hat. Und ich kann mir auch vorstellen, wie so etwas passiert. Viele sagen vorher, dass sie einen unterstützen und kaum einer sagt einem das Gegenteil ins Gesicht. Aber was sie dann auf ihrem Wahlzettel machen, ist eine ganz andere Sache.

Sie sollen im Vorfeld mit vielen Leuten noch persönlich telefoniert haben. Musste Lindthaler also auch lernen, dass es nicht reicht, ein paar E-Mails zu verfassen?

Hohl: Viel ist relativ. Aber ich habe einige Leute angerufen, die mir wichtig erschienen und von denen ich gedacht habe, sie kommen vielleicht nicht, wenn ich sie nicht anrufe. Das hat sich herumgesprochen, es sind dann ja auch viele gekommen. Ich habe das 2012 bei der OB-Wahl gelernt. Wir hatten eine Situation, bei der viele dachten, was soll schon schief gehen. Plötzlich hatten wir eine geringe Wahlbeteiligung und ich hatte knapp verloren. Da habe ich gelernt, dass man in der Politik auch mal trommeln muss.

Was würden sie heute anders machen?

Hohl: Ich würde den Leuten, die mich unterstützen wollen, permanent sagen, dass es  keine Selbstläufer gibt. Abgerechnet wird am Wahltag in Stimmen.

Wie lange haben sie die Niederlage damals verdauen müssen?

Hohl: Das ging relativ schnell. Ich habe zum Glück eine Familie, die mich sehr lieb aufgefangen hat, einen festen Freundeskreis und ich bin Optimist vom ersten Tag meines Lebens an. Ich war relativ schnell soweit, dass ich gesagt habe: Ich bin jetzt 50, stehe am Ufer eines Meeres und bin frei wie ich den Kurs setze. Das kann erschrecken, aber auch Spaß machen und ermutigen. Also habe ich strategisch überlegt und wieder bei null angefangen. Ich hatte meine Leinen in die Anwaltssozietät ja gekappt. Als Freiberufler und Quereinsteiger in die Politik fällt man dann bis ganz unten. Bis ins Sicherheitsnetz. Sie bekommen Übergangsgeld für drei Monate und das war‘s dann.

Hat ihre Nachfolgerin Fehler gemacht?

Hohl: Das ziemt sich nicht, dass man als Amtsvorgänger jetzt eine Bilanz des Nachfolgers aufstellt. Ich freue mich über jedes Samenkorn das aufgeht, von dem ich weiß, dass ich es gesät habe. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass ich jemals gegen einen Verwaltungsvorschlag gestimmt habe oder den Verwaltungsvorschlag für den Stadtrat offengelassen hätte. So wie es vor wenigen Wochen im Stadtrat war, als es um die Frage ging, wo in der Stadt sich ein Möbler ansiedeln könnte.

Was machen Sie denn politisch ab dem Jahr 2020?

Hohl: Stand heute würde ich sagen, dass ich mich wieder um ein kommunales Mandat bewerbe. Ich bleibe gerne im Stadtrat. Und wenn es einfach nur eine Mitarbeit in der Partei wird und hin und wieder eine Ratgeberrolle, dann ist‘s auch gut.

Gibt es noch ein politisches Amt, das sie reizt?

Hohl: Der bayerische Landtag würde mich definitiv reizen, aber das geht nur über die Liste und das ist ja immer so eine Frage. Die Direktmandate sind vergeben und das ist auch gut so.

Europaparlament?

Hohl: Da sind wir mit Monika Hohlmeier gut vertreten. Ich werde für sie kämpfen, aber nie gegen sie antreten.

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