Was ist Risikokompetenz?
Risikokompetenz nennt Gerd Gigerenzer das. Der Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam hat sich unter anderem der Frage gewidmet, warum wir fürchten, von einem Hai gefressen zu werden – aber keinen Gedanken daran verschwenden, dass wir auf dem Weg zum Strand bei einem Autounfall sterben könnten. Teils hänge es mit „biologischem Lernen“ zusammen, teils mit „sozialem Lernen“, schreibt er in seinem Buch „Risiko“.
Als Beispiel nennt der Professor die Angst mancher vor Schlangen und Spinnen, obwohl die wenigsten hierzulande giftig sind. „Müssten wir durch persönliche Erfahrung lernen, ob von einem Tier eine tödliche Gefahr ausgeht, hätten wir eine höchst begrenzte Lebenserwartung“, schreibt er. „Das Angstobjekt ist genetisch „vorbereitet“, doch um die Angst zu aktivieren, bedarf es eines sozialen Impulses.“
Wie interpretiert man Regenwahrscheinlichkeit?
Wichtig ist aus Sicht Gigerenzers, Risiken gut einschätzen zu können – selbst wenn nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Als erstes nennt er in seinem Buch ausgerechnet Wetterberichte und dass viele nicht wüssten, wie sie Regenwahrscheinlichkeiten korrekt interpretieren müssen. Teils mangele es an der nötigen Ausbildung in den Schulen, moniert Gigerenzer. Teils hätten aber auch Experten nie gelernt, Wahrscheinlichkeiten richtig zu erklären.
Doch Panik ist auch keine Lösung
Und selbst wenn: Menschen ticken unterschiedlich. Die einen sind eher in Alarmbereitschaft, die anderen relaxter. Eigentlich müsste man sie unterschiedlich ansprechen, sagt Renn. Den einen klar machen, dass auch sie von einem heftigen Unwetter getroffenen werden können. Den anderen, dass nicht jeder Regenschauer zu Hochwasser führt.
Zumal zu viel Panik auch keine Lösung ist. Ohne die Annahme, dass man selbst schon davonkommt, dass die Katastrophe einen selbst nicht trifft, wären wir nicht handlungsfähig „vor lauter imaginierten und möglichen Katastrophen, die einträten könnten“, formuliert Psychologin Isabella Heuser. Einen psychologischen Schutzmechanismus nennt die Direktorin der Klinik und Hochschulambulanz für Psychologische Medizin an der Charité Berlin das.
Experte empfiehlt „Übungen“
Andersrum stumpften Menschen ab und gewöhnten sich an den Alarm, wenn ständig Warnungen gegeben werden, erläutert die Professorin. „Zumal wir seit einem Jahr beständig vor Gefahren (Pandemie) gewarnt werden.“ Sie bezeichnet das als Katastrophen-Burnout.
Also düstere Aussichten? Umweltsoziologe Renn meint: „Je mehr die Hochwasserereignisse verblassen, desto eher werden wir wieder in alte Routinen übergehen.“ Er empfiehlt Übungen, „um uns wachzuhalten“. Viele wüssten gar nicht, wie man sich in einer solchen Situation verhalten müsste, dass man zum Beispiel nicht unbedingt noch die Fotoalben im Keller ins Trockene bringen sollte.
Und es lohne sich, über besondere Warnstufen nachzudenken, sagt er. „Wenn die App jeden Tag warnt, denkt man sich: „Na und?““. Hier könnte eine weitere Alarmschwelle hilfreich sein - auch wenn präzise Aussagen, wo Katastrophen drohen, nur sehr kurzfristig möglich seien.