Hedwig Löffler Zu jung für das Rentnerleben

Veronika Schadeck
Foto: /Veronika Schadeck

Hedwig Löffler arbeitet seit 75 Jahren als Verkäuferin in Kleintettau. Auch mit 89 Lenzen denkt sie noch nicht ans Aufhören. Was sollte sie schließlich ohne ihre Kunden machen?

 
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Kleintettau - An der Kasse macht ihr keiner was vor: Flink und gewissenhaft tippt sie Preise ein. Dabei vergisst sie nie, für ihre Kunden zwischendurch ein freundliches Wort zu finden – auch, wenn seit nahezu zwei Jahren wegen Covid-19 eine Trennwand zwischen ihnen steht. Die Rede ist von Hedwig Löffler aus Kleintettau, die seit 75 Jahren als Verkäuferin arbeitet. In Worten: fünfundsiebzig. Ihr Arbeitstag beginnt um 5.30 Uhr an der Kasse und endet – mit Unterbrechung für eine rund 90-minütigen Mittagspause – um 18 Uhr.

14 Jahre sei sie alt gewesen, als sie ihre berufliche Laufbahn beim Konsum in Ludwigsstadt startete, erzählt sie. „So ein Job galt damals als Privileg“, sagt sie – und: „Es war alles ganz anders.“ Der Lebensmitteleinkauf basierte auf dem Verkauf über der Theke. Eine wesentliche Aufgabe war das Abfüllen oder Verpacken von Lebensmitteln in haushaltsüblichen Mengen, wie zum Beispiel, Zucker oder Reis. Es gab noch keine Kühlschränke in den Haushalten. Essiggurken wurden lose und nach Gewicht verkauft. Je nach Jahreszeiten wurden auch Salzheringe oder Sauerkraut aus dem Fass gehandelt. Alle Waren mussten abgewogen werden. Die Preise wurden notiert und nach dem Kauf addiert. Taschenrechner gab es nicht: „Da war Kopfrechnen gefragt!“

Als Rabattmarken Standard waren

Noch heute erinnert sich die 89-Jährige gut daran, wenn sie von ihrem Chef losgeschickt wurde, um Kartoffeln auszuliefern oder Kunden abzukassieren. Damals wurde das Gehalt noch wöchentlich in bar ausbezahlt. Es gehörte zum Alltag, dass Kunden ihre Waren „anschreiben“ ließen. Auch das Einlösen der Rabattmarken ist Hedwig Löffler noch gut in Erinnerung. „Da war immer einiges los im Laden, man musste einen kühlen Kopf bewahren!“

Ihr Berufsalltag änderte sich auch nicht sofort, als sie im Jahre 1954 ihren mittlerweile verstorbenen Mann Walter heiratete, der zusammen mit seiner Mutter Elli und seiner Schwester Anneliese im Jahre 1949 das kleine Lebensmittelgeschäft mit Bäckerei in Kleintettau eröffnet hatte. Hedwig Löffler fand schnell ihren Platz in ihrer angeheirateten Familie und setzte Akzente. Nicht nur die Kleintettauer und die Arbeiter in den Glashütten wurden versorgt, sondern es wurden auch Backwaren nach Alexanderhütte und Tettau geliefert. An manchen Tagen war sie mit ihrem ersten „Transportmittel“, dem Handwagen unterwegs. Später wurde ein Motorrad angeschafft.

Ein Käfer löste das Logistik-Problem

Im Winter war das manchmal eine heikle Angelegenheit, sagt sie mit einem Lachen. Es sei vorgekommen, dass der Korb mit den Waren seinen eigenen Weg ging und durch die Gegend flog. Um diesen Zustand zu beenden, wurde schließlich Mitte der 50er-Jahre ein alter gebrauchter VW Käfer angeschafft.

Das Angebot und die Ladenfläche wurden im Laufe der Jahre sukzessive erweitert. Es kamen die ersten abgepackten Waren, später wurden eine Kühltheke und eine Gefriertruhe angeschafft. In den Regalen fand man auch Kosmetika, Tiefkühlkost und eine große Auswahl an Zeitschriften.

„Das Schönste am Beruf war und ist der Kontakt mit den Menschen.“ Und Menschen kommen auch heute noch. Zwar sind die Zeiten vorbei, als Zoll und Grenzpolizisten in der Backstube anzutreffen waren, als die Gastarbeiter, zuerst mehrheitlich die Portugiesen, später die Italiener und Türken in das Glasmacherdorf kamen und man sich binnen weniger Tage auf verschiedenste Weise verständigen konnte. Auch Flüchtlinge aus der DDR kamen vorbei, um sich aufzuwärmen oder Hausfrauen, die in der Backstube ihren eigenen Teig für den Weihnachtsstollen anrühren. Noch heute ist ihr Laden eine Anlaufstelle nicht nur für die Kleintettauer, sondern auch für die Schichtarbeiter und Geschäftskunden der ansässigen Industrie im Tettauer Winkel.

Jetzt steht eine Veränderung an

Hedwig Löffler wünscht sich, dass sie gesund bleibt. Sie und auch ihr Sohn Gerhard Löffler sind überzeugt, dass ihr Job sie jung hält. „Ich mache ja nur, wozu ich Lust habe. Das andere überlasse ich der Jugend!“ Glücklich ist die Seniorin darüber, dass ihr Enkel Carsten mit seiner Lebensgefährtin mit im Haus wohnt und die Bäckerei in dritter Generation weiterführt. Allerdings steht damit auch eine Veränderung an. Denn Carsten Löffler will das Sortiment im Laden reduzieren und ein Café einrichten. Aber auch das sieht Hedwig Löffler positiv, denn „dann werde ich halt nicht mehr so oft an der Kasse sitzen, sondern im Café die Leute unterhalten – sofern es der liebe Gott will“.

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