Hassan Haddads Lotterie des Lebens

Von Michael Weiser
Bilder, die man nicht im Vorbeigehen begreifen kann: Hassan Haddads gemälde „Lotterie“. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Rätselhaftes im Ausstellungsraum des Neuen Rathauses: Hassan Haddad, geboren im Irak, schaffend in Leipzig, zeigt Bilder, die von Seelenlandschaften erzählen.

 
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Hassan Haddad wurde im Irak geboren, arbeitet aber seit 20 Jahren in Leipzig, in der Alten Spinnerei. Er ist damit so etwas wie ein Nachbar von Neo Rauch, was auch ein bisschen für seine Kunst gilt. Ebenso wie der berühmteste Vertreter der Neuen Leipziger Schule beherrscht er das Handwerk, und ebenso wie Neo Rauch ist er nicht einfach irgendeiner Richtung zuzuordnen. Surrealismus, magischer Realismus, ja, irgendwie alles dabei. Und noch viel mehr. Schwer zu fassen also, die beiden, schwer zu entschlüsseln ohnehin.

Haddad bildet Prozesse ab, offene Situationen, Zweideutigkeiten, Seelenlandschaft oder real Gesehenes. Sie schweben in der Zeit, sind ebenso Bilder der Erinnerung wie Bilder des Möglichen. Manche seiner Bilder sind bei näherem Hinsehen Collagen, in denen er Malerei mit Ausschnitten aus Zeitungen oder Magazinen kombiniert. Auch klassische Zitate fügt er ein wie Bauteile. Die Venus des Sandro Botticelli steckt er in Leggins, die mit ägyptischen Mustern verziert sind. Eine Göttin mit einem gewissen Proll-Faktor, die ihr Antlitz hinter einer Maske verbirgt. Babylonische Kunst zitiert der Iraker ein paar Meter weiter in „Mutation“. Da streckt sich ein Löwe, der direkt vom Ishtar-Tor entlehnt sein könnte – und bekommt ein menschliches Gesicht.

Menschen kommen in fast allen seiner Bilder vor, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Sie werden von Gespenstern heimgesucht oder suchen selbst die Welt heim, wie etwa in „Kreuzzug ins Paradies“. So gewalttätig wie ein Francis Bacon stanzt er da kopflose Figuren auf eine große Leinwand; sie marschieren mit unbekanntem Ziel neben so etwas wie einem Panzerfahrzeug. Sie haben unverkennbar Waffen in den Händen, man weiß es, auch wenn man die Waffen so gar nicht erkennt. In diesem gemalten Gewaltakt ist alles Düsternis, Kante, sich in den Marschschritt stemmende, dumme Kraft.