Hartz IV - mit 30 Wochenstunden

Von Christophe Braun

Sie ist 59 Jahre alt, schwerkrank, hat auf dem Arbeitsmarkt keine Chance - und arbeitet trotzdem jeden Tag: Renate Wollny bereitet im Kaufhaus Regenbogen Spielsachen auf. "Nix machen geht doch nicht!", sagt sie.

 
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Renate Wollny dreht eine Puppe in ihren Händen und lacht leise. "Nee", sagt sie, "das geht ja gar nicht!" Die Puppe hat knotiges, mattes Haar. "Da müssen wir ran." Routiniert greift Wollny nach der Bürste, entwirrt das Haar mit energischen Bewegungen, bis es lang und glatt fällt. "Geht doch!"

Wollny ist eine von 25 Ehrenamtlichen, die derzeit im Kaufhaus Regenbogen arbeiten - neben 14 Festangestellten und rund zwei Dutzend Ein-Euro-Jobbern. Bis 2009 arbeitete die Bayreutherin als Verkäuferin in der Innenstadt. Wegen einer schweren Lungenerkrankung musste sie diesen Job  aufgeben. Körperliche Anstrengungen setzen ihr schwer zu, nachts braucht sie ein Beatmungsgerät.

"Ich wollte schon immer im Spielzeugladen arbeiten"

Ins Kaufhaus Regenbogen kam Wollny 2012, zunächst als Ein-Euro-Jobberin. "Eigentlich wollte ich schon immer in einem Spielzeugladen arbeiten", sagt sie. "Von daher passt das hier ganz gut." Das Sozialkaufhaus im Bayreuther Stadtteil St. Georgen nimmt gespendete Waren an, bereitet sie auf und verkauft sie weiter - für kleines Geld, für den guten Zweck.

In Zusammenarbeit mit den regionalen Jobcentern gibt das Kaufhaus außerdem Langzeitarbeitslosen und Schwerkranken die Chance, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen. Allein im Stadtgebiet Bayreuth sind derzeit 1.320 Menschen arbeitslos gemeldet. 508 davon sind langzeitarbeitslos, 189 schwerbehindert.

Fotos: So sieht Renate Wollnys Werkstatt aus:

"Einen normalen Job bekomme ich nicht mehr"

Renate Wollny wühlt in einer Plastiktüte. Sie sucht nach einem Kleid für die Puppe. Immer wieder zieht sie eines hervor, hält es prüfend an die Puppe. Nach ein paar Versuchen ist das richtige gefunden - weißer Rock, rotes Oberteil, weißer Kragen. "Das passt!"

Die Jobcenter-Maßnahmen für Wollny sind längst ausgelaufen. Sie bezieht Hartz IV. "Einen normalen Job werde ich nicht mehr bekommen", sagt sie. Für ihre Arbeit im Kaufhaus Regenbogen bekommt sie nichts. Trotzdem kommt sie täglich, arbeitet 30 Stunden pro Woche. "Nichts tun kann ich einfach nicht."

"Eine besondere Situation"

Ist das zufriedenstellend? Rita Hagen, die Geschäftsführerin des Kaufhauses, zögert. "Es ist eine besondere Situation. Ich glaube, dass es vielen unserer Mitarbeiter hilft, wieder in Beschäftigung zu sein, einen festen Tagesablauf zu haben und ein festes soziales Umfeld. Das steigert das Selbstwertgefühl, das schon."

Die Puppe sieht inzwischen adrett aus: Sauberes, glattes Haar, ein neues Kleid. Wollny versieht sie mit einem Preisschild - 3,50 Euro soll sie kosten - und wickelt sie in Plastikfolie. Am nächsten Vormittag wird sie im Kaufhausregal liegen, bereit, ein neues Kinderzimmer zu erobern.

"Mit der kann man doch noch was anfangen!", sagt sie.

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