Gutachterin im Sexprozess: Falsche Inhalte in den Aussagen der Zeugin sind nicht auszuschließen Prozess zieht sich hin Sexprozess: Glaubwürdig oder nicht?

Von Susanne Will
Die Göttin Justitia. Foto: dpa Foto: red

Seit Monaten wird vor dem Bayreuther Landgericht im Prozess um die Wahrheit gerungen: Ein  Unternehmer (71) soll seine Tochter (heute 48) seit ihrem 13. Lebensjahr vielfach vergewaltigt, er soll seine Enkeltöchter und eine ihrer Freundinnen missbraucht und seine Ex-Frau vergewaltigt haben. Da der Unternehmer schweigt, geht es auch um die Glaubwürdigkeit seiner Tochter, der Hauptbelastungszeugin. Nach mittlerweile 30 Prozesstagen verlas am Mittwoch die Psychologin Gabriele Drexler-Meyer ihr Gutachten. Fazit: Falsche und belastende Inhalte in den Aussagen der Tochter seien nicht auszuschließen. Der Begriff "Lüge" fiel in dem Gutachten allerdings nicht. 

 
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Gabriele Drexler-Meyers Aufgabe ist es, Zweifel zu haben. Und sie zu begründen. Und die Aussagen der Tochter dahingehend zu überprüfen, ob die Tochter sie konstruiert haben könnte. So besuchte das mutmaßliche Opfer weit vor dem Prozess ein Schreibseminar. Sie habe sich den Missbrauch von der Seele schreiben wollen, zitiert die Gutachterin aus einem Gespräch mit der Hauptzeugin. Dazu habe sie Fachliteratur gelesen. Die Bücher hat sich die Gutachterin besorgt und festgestellt, dass deren Inhalt nicht in die Aussagen der Frau einflossen.

Schwierigkeiten mit Testverfahren

Wenn man der Tochter glaubt, dann wurde sie über Jahrzehnte missbraucht. Als feststand, dass Anklage erhoben wird, hat sie sich auf ihre Aussage vorbereitet: Sie fertigte einen 35-seitigen Zeitstrahl an, fixierte die von ihr angezeigten Taten des Vaters zeitlich mit Fotos, Kalenderausrissen und Daten aus dem I-Phon. Das tat sie, um sich besser zu erinnern, berichtet die Gutachterin. Diese detailreiche Darstellung machte allerdings der Psychologin Probleme: "Spontane Gedächtnis-Reaktionen" waren hier kaum zu erwarten, aber nur bei diesen können sie die Kriterien ihrer Testverfahren anwenden.

Bei Polizei als Opfer bestätigt

Während der Vernehmung durch eine Polizistin habe die Beamtin die Frau bereits als ein Opfer von Straftaten bestätigt, sagt die Gutachterin. Angenommen, die Frau hätte die Polizistin angelogen: Dann hätte sich die Frau in ihrer Lügnerrolle gestärkt gefühlt und darauf eventuell ihr Aussageverhalten abstimmen können. Was allerdings kein Vorwurf an die Polizistin sein soll, so Drexler-Meyer.

Staatsanwalt irritiert

Auch dass der Mitarbeiter der Opferschutzorganisation "Weißer Ring" sich sehr in diesem Fall engagiert hatte, könnte das Aussageverhalten der Frau beeinflusst haben. Was den Staatsanwalt dann zu folgender Feststellung veranlasste: "Dann müsste man Zeugen raten, keine Gespräche mehr mit Opferschutzorganisationen zu führen."

Einfluss auf das Gutachten hatten nur die vor Gericht verhandelten Fälle. Außer Acht ließ die Gutachterin, dass die Tochter - damals weder von Polizei noch Weißem Ring beeinflusst - sich bereits mit 14 ihrem ersten Freund anvertraut und ihm gesagt haben will, dass der Vater sie missbrauche. Es spielte im Gutachten auch keine Rolle, dass der Freund in der Beweisaufnahme das Geständnis des Mädchens bestätigte.

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