„Unter den großen Möbelhäusern findet zurzeit ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb statt“, sagt Manfred Miosga. Der Geograf beschäftigt sich an der Universität Bayreuth seit Jahren mit Fragen der Stadt- und Landplanung. Die Möbelbranche, erklärt er, durchläuft einen grundlegenden Wandel: An die Stelle vieler kleiner Akteure treten wenige große. Die liefern sich einen erbitterten Wettstreit um die besten Standorte in der Republik. Besonders heiß begehrt: Nordbayern. Im weiteren Umkreis Bayreuths zählen wir mindestens dreizehn große Möbelhäuser (siehe Grafik). Acht davon sind seit 2002 neu eröffnet oder übernommen worden.

Wenige Riesen statt viele Zwerge

Jahrzehntelang teilten kleine bis mittlere Möbelhäuser den bundesweiten Möbelmarkt untereinander auf. Häufig handelte es sich um inhabergeführte (Familien-)Unternehmen. Deren Zeit ist vorbei. Seit Anfang des Jahrtausends drängen große Möbelketten wie XXXLutz oder Höffner auf den Markt, verstärken ihre Anstrengungen auch in Gegenden, in denen kleinere Wettbewerber bereits etabliert sind. So hat etwa die Möbelkette XXXLutz seit 2002 drei Niederlassungen in der Region eröffnet. Vielerorts zwingen die Branchenriesen kleinere Häuser in einen Wettbewerb, den diese nicht überstehen können. Von 12 000 Möbelhändlern, die es vor zehn Jahren in Deutschland gab, sind heute noch 8 000 übrig – Tendenz fallend.


Gleichzeitig hat sich das Marktvolumen aber kaum verändert: In Deutschland werden jährlich gut 30 Milliarden Euro für Möbel ausgegeben. Im Schnitt sind das 307 Euro pro Kopf und Jahr. Das bestätigt Thomas Engel, Abteilungsleiter für Wirtschaft, Landesentwicklung und Verkehr bei der oberfränkischen Regierung. Das Geschäft mit Möbeln ist lukrativ. Auch, weil es schon lange nicht mehr ausschließlich um Möbel geht: Die großen Möbelhäuser seien eigentlich „Einkaufs- und Entertainmentcenter mit Gastronomie und angeschlossener Möbelabteilung“, beobachtet Manfred Miosga. Mit anderen Worten: Die Möbel sind nur noch ein Angebot unter vielen.

Willkommen in den Stadt-Attrappen

Die Branchenriesen haben ihr Sortiment innerhalb weniger Jahre deutlich erweitert. Angeboten werden nicht mehr bloß Regale und Doppelbetten, sondern auch Teelichter und Kissenbezüge, Kochtöpfe, Pflanzen, Teppiche, Flaschenöffner, Gummimatten, Kratzbäume und Klobürsten.

Diese Sortimenterweiterung hat laut Miosga zwei Gründe: Einerseits sollen zusätzliche Anreize geschaffen werden, damit Kunden auch lange Anfahrtszeiten in Kauf nehmen. Andererseits – und darauf kommt es an – wird längst ein großer Teil des Umsatzes über das sogenannte Frequenzsortiment erwirtschaftet. Denn viele Menschen besuchen Möbelhäuser nicht in der Absicht, Möbel zu kaufen, sondern, weil sie etwas erleben, sich entspannen, Spaß haben wollen. In dieser Hinsicht sind Möbelhäuser keine gewöhnlichen Warenhäuser, sondern Mischformen aus Kaufhaus, Freizeitpark, Restaurant und Flaniermeile. „In gewisser Weise imitieren diese Häuser Ausschnitte von Innenstädten“, analysiert Wissenschaftler Miosga. Der Umstand, dass es in Möbelhäusern eben nicht nur um Möbel geht, generiert Nebenverdienste, die zu den 30 Milliarden, die in Deutschland pro Jahr für Möbel ausgegeben werden, hinzugerechnet werden müssen.

Warum ist Nordbayern für Möbelhäuser so attraktiv? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zurzeit herrscht nahezu Vollbeschäftigung, Arbeitgeber wie die Bezirksregierung oder die Universitäten bieten gut bezahlte und sichere Jobs. Außerdem ist das Zinsniveau infolge der Wirtschaftskrise ungewöhnlich niedrig. Die Folge: Man spart nicht, sondern konsumiert. Gerade im Möbelbereich habe sich das Kaufverhalten innerhalb weniger Jahrzehnte stark verändert, erklärt Miosga: „Früher haben die Leute Möbel gekauft mit Blick darauf, ob die dem Kind oder Enkel auch noch gefallen könnten. Mittlerweile ist es üblich, dass die Leute alle zehn bis zwölf Jahre neue Möbel kaufen.“

Wer Möbel verkauft, kann in der Region also lukrative Geschäfte machen. Aber nicht unbegrenzt. Denn das Marktvolumen hat ein Limit. Die Möbelhäuser erschließen schon jetzt keine neuen Segmente mehr. Stattdessen versuchen gerade die großen Häuser, die sich neu am Standort etablieren wollen, in die Einzugsbereiche ihrer Wettbewerber einzudringen. Kaum einer der Branchenkenner, mit denen wir für diese Geschichte gesprochen haben, hat das Wort „Wettbewerb“ ohne den Vorsatz „Verdrängung“ gebraucht. Denn darum geht’s.

Die Verlierer stehen längst fest

Entscheidend bei diesem Wettstreit sind die Einzugsgebiete der Häuser, also der Bereich, aus dem die Kundschaft kommt. Dessen Größe hängt von zwei Faktoren ab: Einerseits von der Kaufkraft der Kunden und andererseits von der Strecke, die sie für einen Besuch zurückzulegen bereit sind. Stefan Hertel, der ein Möbelhaus in Gesees betreibt, rechnet zum Beispiel mit einem Einzugsgebiet von etwa 30 Kilometern um Bayreuth. Norbert Pilipp, der in Bindlach bei Bayreuth eines seiner drei Möbelhäuser unterhält, geht von etwa 50 Kilometern aus. In diesem Umkreis, so Pilipp, gibt es etwa 375 000 Haushalte, in denen je zwei bis drei Menschen wohnen. Multipliziert mit dem Pro-Kopf-Verbrauch im Möbelhandel ergibt sich ein Marktvolumen von 230 bis 350 Millionen Euro im Großraum Bayreuth. Die Frage ist allerdings, ob das für die ansässigen Möbelhäuser ausreicht.

Zwar verrät keines der Möbelhäuser in der Region, wie hoch sein Umsatz ausfällt. Aber Norbert Pilipp gibt einen Tipp: Der Umsatz für seine drei Häuser belaufe sich auf etwa 160 Millionen Euro. Das Bindlacher Haus dürfte daran großen Anteil haben. Für allzu viele Wettbewerber bleibt da kein Platz.

Unabhängig davon steht ein großer Verlierer aber längst fest, beklagt Wissenschaftler Miosga: die Innenstädte, die allmählich ausbluten.

  • Infos zu den großen Möbelhäusern in der Region mit verschiedenen Standortinformationen finden Sie auch in unserer digitalen Karte (unter dem Kommentarbereich).