Grammer vor Übernahme durch Chinesen

Von Roland Losch und Michael Zeißner
 Foto: red

China setzt seine Einkaufstour in Deutschland fort. Der chinesische Autozulieferer Ningbo Jifeng will jetzt den Oberpfälzer Autozulieferer Grammer übernehmen. Ein Investorenvertrag sei am Dienstag unterschrieben worden, teilte das Unternehmen am Dienstag in Amberg mit.

 
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Sowohl Aufsichtsrat und Börse als auch die Arbeitnehmer reagierten positiv. Jifeng habe schon im Vorfeld freiwillig weitreichende Garantien gegeben, sagte der Amberger IG-Metall-Chef Horst Ott.

Grammer beschäftigt 15.000 Mitarbeiter, davon 2000 am Hauptsitz Amberg. Vor genau einem Jahr hatten sich Managment und Arbeitnehmer gemeinsam heftig gegen eine Machtübernahme durch die umstrittene bosnische Investorenfamilie Hastor gewehrt - Jifengs Einstieg als
neuer Aktionär war damals als Rettung begrüßt worden.

Aufschlag von 17 Prozent

Inzwischen hält Jifeng 26 Prozent und kündigte ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre vor - mit einem Aufschlag von 17 Prozent über dem bisherigen Aktienkurs. Das Oberpfälzer Unternehmen wäre Jifeng damit 772 Millionen Euro wert.  Als Mindestannahmequote wurden 50 Prozent plus eine Aktie vereinbart.

Der Investorenvertrag regelt die Bedingungen der neuen strategischen Partnerschaft. Grammer bleibe selbstständig und börsennotiert, Management und Struktur blieben unverändert, hieß es aus Industriekreisen. Die Chinesen hätten den Erhalt aller Standorte für fünf Jahre und aller Arbeitplätze für siebeneinhalb Jahre zugesichert, sagte Ott, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist. «Jemand der nichts Gutes im Sinn hat, würde das nicht machen.»

Die weitreichende Absicherung mache ihn zuversichtlich, dass Jifeng wirklich eine strategische Partnerschaft wolle.

Grammer hat mit Kopfstützen und Mittelkonsolen für Autos und mit Sitzen für Traktoren, Baumaschinen und Lastwagen im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Jifeng produziert Kopfstützen und Armlehnen für chinesische Autobauer, ist aber mit 250
Millionen Euro Umsatz viel kleiner als Grammer. Das Unternehmen gehört zu zwei Dritteln der Familie Wang.

Vorstand Jimin Wang sagte: «Wir haben den Ehrgeiz, in den nächsten fünf Jahren einer der weltweit führenden Automobilzulieferer zu werden. Durch die Zusammenarbeit mit starken Partnern wie der Grammer AG werden wir unsere Position weiter ausbauen und in China, Europa
und Nordamerika investieren.» Durch Grammer bekomme Jifeng Zugang zu internationalen Märkten, gemeinsam könnten sie Kosten sparen und Synergien heben.

Börse begeistert

Die Grammer-Aktie schoss am Dienstag um rund 20 Prozent nach oben.Analyst Michael Punzet von der DZ Bank sagte, bei einem Übernahmeangebot von Jifeng könnte die Familie Hastor aussteigen. Das  wiedrum könnte Grammer Aufträge aus der deutschen Autoindustrie
wieder erleichtern. Hastor-Firmen hatten im Streit mit VW Lieferungen gestoppt und so die VW- Bänder in Wolfsburg und Emden stillgelegt. Hastor hält 19 Prozent an Grammer.

Mit Jifeng als «stabilem Anker» würde die Lage stabiler, sagte Ott. Ob alle Aktionäre ihre Anteile verkaufen, ist offen. Peter Rothenaicher von der Baader Bank hält das Angebot der Chinesen angesichts des Wachstumspotenzials von Grammer etwa in den USA für
«ziemlich niedrig». 

China will bis zum 100. Gründungstag der Volksrepublik im Jahr 2049 das Land zu einer industriellen Supermacht machen. Ohne Zukäufe in Deutschland ist das nicht zu machen. Bertelsmann-Expertin Cora Jungbluth hatte in einer Studie kürzlich kritisiert, dass China seine
eigene Industrie vor ausländischem Zugriff schütze, aber im Westen immer mehr Schlüsseltechnologien einkaufe. In den vergangenen vier Jahren habe China 175 Unternehmen übernommen oder Beteiligungen erworben,  - etwa beim Autobauer Daimler oder dem Roboterhersteller
Kuka.

 


Die Übernahmeschlacht

 

Vor etwas mehr als einem Jahr steckte der Amberger Automobilzulieferer Grammer mitten in einer Übernahmeschlacht. Zuvor hatte sich die bosnische Unternehmerfamilie Hastor über zwei Investmentgesellschaften schrittweise bei Grammer eingekauft und den Aktienanteil zwischenzeitlich auf mehr als 20 Prozent geschraubt.

Die Familie Hastor ist in der Branche keine Unbekannte. Ihr gehört die Prevent-Gruppe, die im Sommer 2016 mit einem Lieferstopp die Bänder des Automobilkonzerns Volkswagen zeitweise stillstehen ließ und erst vor einem Monat erneut aufgrund eines Clinches mit VW in die Schlagzeilen geriet.

Der Plan der Hastors: Auf der Hauptversammlung 2017 wollten sie unter anderem den Aufsichtsrat umbesetzen und anschließend Vorstandschef Hartmut Müller ablösen lassen. Um sich der feindlichen Übernahme zu erwehren, holte das Grammer-Management damals das chinesische Unternehmen Ningbo Jifeng ins Boot, das bereits vorher Interesse an Grammer gezeigt hatte.

Mithilfe einer Wandelanleihe, die kurz vor der Hauptversammlung ausgeübt werden konnte und Grammer rund 60 Millionen Euro brachte, sicherten sich die Chinesen einen 9,2-prozentigen Anteil an Grammer.