DEUTSCHLAND: Mit ihrem Ende August erschienenen Album „Power Nap“ begeistert Ilgen-Nur. Die bei Stuttgart geborene, jetzt in Berlin lebende Ilgen-Nur Borali (23) spielt toll Gitarre und hat eine beeindruckende Stimme. Zum Thema Gender-Balance in der Musikszene sagte die Singer-Songwriterin mit türkischen Wurzeln, die beim Reeperbahn-Festival 2018 und bei „Lollapalooza 2019“ auftrat, der Berliner „tageszeitung“: „Deutschland braucht halt noch zehn Jahre länger. Aber ich bin hier und versuch's.“ Und sarkastisch fügte sie hinzu: „Ich blockiere jeden Tag fünf Männer.“
GROSSBRITANNIEN: Die virtuose Gitarristin Anna Calvi (38) aus London verzückt Kritiker und Fans - zuletzt vor einem Jahr mit dem feministischen Album „Hunter“. So einflussreich könnte auch Marika Hackman (27) werden, die auf ihrem im August veröffentlichten Werk „Any Human Friend“ in schönen Popsongs explizit über lesbische Liebe und Sex singt. Die als Charlotte Aitchison geborene Charli XCX (27) ist bisher vor allem als Hit-Schreiberin für andere, oft weibliche Stars hervorgetreten. Sie will mit ihrer neuen Platte „Charli“ nun selbst den Sprung in die erste Reihe schaffen - ebenso wie Freya Ridings (25) mit ihrem selbstbetitelten Pianopop-Debüt.
USA: Hier ist zuallererst die weltweit gefeierte Singer-Songwriterin Billie Eilish (17) zu nennen. Direkt dahinter Annie Clark (36) alias St. Vincent: Die vielseitige Sängerin, Gitarristin und Produzentin war mehrfach für Grammys nominiert und gewann die Trophäe 2019 in der Kategorie „Bester Rocksong“. Weitere junge Singer-Songwriterinnen mit großer Zukunft: Lucy Dacus (24), Melina Duterte (25) alias Jay Som, Mitski (28), die Soul-Sängerin Lizzo (31), Angel Olsen (32) - um nur einen Bruchteil der US-Hoffnungsträgerinnen zu nennen.
AUSTRALIEN/NEUSEELAND: Die wohl wichtigste Frau der Indierock-Szene „down under“ ist Courtney Barnett (30) aus Sydney: selbstbewusste Gitarristin, lässige Sängerin, Vorbild für viele Musikerinnen. Ihre Studioalben werden weltweit gefeiert, zuletzt im Vorjahr „Tell Me How You Really Feel“. Eleganten, melancholischen Pop macht Lorde (22) aus Auckland/Neuseeland - „Melodrama“ kam 2017 auf Platz 1 der US-Charts.
Musikalisches Talent ist gleich verteilt
So viel Begabung, so viel Klasse - und doch nur zweite Geige hinter den Herren der Schöpfung? Reeperbahn-Festivalchef Alex Schulz fordert deswegen schon länger eine zeitlich begrenzte Frauenquote etwa für Airplay und Konzertspielpläne. Der „Keychange“-Mitgründer begründet das im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur so: „Musikalisches Talent ist gleich verteilt auf Frauen und Männer, aber viele gleich gute Beiträge von weiblichen Künstlerinnen erreichen niemals die Öffentlichkeit.“ Eine Quote auf Zeit erzeuge „eine qualitativ hochwertigere und eine geschlechtlich ausgeglichene Generation“ in der Musik, und sie verändere die Hörgewohnheiten der Fans.
Beim Reeperbahn-Festival 2019 sollen deutlich über 40 Prozent der auftretenden Musiker weiblich sein. Das „Keychange“-Ziel bis 2022 (50 Prozent) „schaffen wir locker“, sagt Schulz. Im Rahmen dieser Gender-Offensive sind in Hamburg wieder etliche Talente am Start, die womöglich noch groß abheben: die Rapperin Ebru Düzgün alias Ebow, die Soul-Künstlerin Onejiru und das Frauen-Duo Gurr aus Deutschland, die norwegische Popsängerin Aurora, die stimmgewaltige Donna Missal aus den USA sowie die britischen Musikerinnen Georgia und Billie Marten.