Gestürzt oder umgefahren? Prozess um Unfall in Pegnitzer Einkaufsmarkt

Manfred Scherer
Um die strafrechtlichen Folgen eines Unfalls in einem Pegnitzer Einkaufsmarkt ging es im Amtsgericht. Foto: Archiv/Scherer

Eine 86-Jährige bricht sich den Oberschenkelhals. Weil sie stürzte? Oder von einer Angestellten umgefahren wurde? Im Prozess kommt es zu einem denkwürdigen Telefonat.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Sie musste ihr Zuhause umbauen lassen. Eine 86-jährige Frau wurde im Februar bei einem Sturz in einem Pegnitzer Einkaufsmarkt schwer verletzt. Die Ärzte diagnostizierten einen Oberschenkelhalsbruch. Die Seniorin ist kaum mehr mobil, zuhause braucht sie einen Treppenlift.

In dem Fall ermittelte die Pegnitzer Polizei eine mögliche Schuldige: Eine 40-jährige Angestellte des Marktes soll die Seniorin mit einem speziellen Hubwagen umgefahren haben. Der Wagen ist dafür gedacht, ausgeleerte Kartons aus dem Bereich der Verkaufsregale hinaus zu transportieren. Für sich genommen ist der Wagen bereits 1,30 Meter hoch. Da er zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Unfalls mit Kartons beladen war, soll die Sicht über den Wagen hinweg stark eingeschränkt gewesen sein, sodass die 40-Jährige, die den Wagen vor sich her schob, die 168 große, betagte Kundin nicht sah und umfuhr. Wegen der eingeschränkten Sicht unterstellte die Staatsanwalt mangelnde Sorgfalt und kam zu dem Ergebnis:Das war eine Fahrlässige Körperverletzung.

Diese Straftat sollte mit einem Strafbefehl gesühnt werden, der 60 Tagessätze zu je 70 Euro, also 4200 Euro Geldstrafe vorsah. Dagegen legten die Frau und ihr Anwalt Stephan Schultheis Einspruch ein, sodass der Fall nun bei Strafrichter Holger Gebhardt zur Verhandlung anstand. Der Verteidiger erklärte: Seine Mandatin sei mit dem Rollwagen durch den großen Mittelgang des Marktes gefahren und habe die Seniorin auf dem Boden liegen sehen. Sie habe den Wagen sofort angehalten. Zuvor habe sie weder einen Anstoß noch eine Berührung oder eine Verzögerung in der Bewegung des Wagens bemerkt. Verteidiger Schultheis sagte: „Möglicherweise ist die Seniorin gestolpert oder ausgerutscht.“

In dem Prozess kam es nicht zu der erwartbaren Konstellation Aussage gegen Aussage, denn: Die als Zeugin geladene Seniorin erschien nicht. Deshalb versuchte Strafrichter Gebhardt zunächst die Beweisführung auf andere Art und Weise, nämlich damit, was die Angeklagte gleich nach dem Unfall gesagt haben soll. Die Frau hatte ihren Chef alarmiert, der die Seniorin vom Boden hoch hob und in einen Stuhl setzte. Der Mann sagte als Zeuge aus: „Das Bein der Frau hatte eine komische Stellung, sie sagte Aua. Ich habe den Rettungsdienst verständigt.“ Seine Kollegin habe zunächst geäußert, die Seniorin sei aus einem Quergang herausgekommen und ihr „in den Wagen hineingelaufen.“ Dann erklärte der Zeuge, sei Kollegin habe gesagt: „Chef, die ist einfach so dagelegen.“ Auf Vorhalt der Richters und des Verteidigers korrigierte der Zeuge, die Formulierung „Hineingelaufen“ sei ein Rückschluss, den er selbst angestellt habe.

Der Richter kriegt von der Zeugen eine heftige Abfuhr

Weil diese Zeugenaussage keine letzte Klarheit brachte, klemmte der Richter sich ans Telefon, um der Seniorin zu erklären, dass sie als Zeugin für einen Fortsetzungstermin gebraucht werde – und bekam eine heftige Abfuhr. Sie habe bereits alles zu Protokoll gegeben und werde nicht zum Prozess kommen.

Verteidiger Schultheis legte Unterlagen vor, wonach die Anwälte der Seniorin den Einkaufsmarkt auf „mindestens“ 40000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt hätten.

Der Strafprozess gegen die 40-jährige Angestellte wurde nicht mir einem Schuldspruch erledigt. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld gegen die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 2100 Euro vorläufig eingestellt. Dass die Angeklagte dem zustimmte, bedeutet nicht, dass sie dadurch eingestanden hat, den Unfall verursacht zu haben.

Bilder