Auf die Spur gekommen waren Dunning und Kruger dem Effekt bei Testreihen mit Studenten, die Fragebögen bearbeiten und dann einschätzen sollten, wie gut sie wohl im Vergleich zu den anderen abschnitten. Ausgerechnet beim schlechtesten Viertel glaubten viele von sich, weitaus besser zu liegen - selbst dann noch, wenn sie die Bögen der besten Teilnehmer zu sehen bekamen. Sie waren nicht in der Lage, die eigene Inkompetenz zu bemerken und auch nicht dazu, die Kompetenz von Menschen mit mehr Fachwissen zu erkennen - und anzuerkennen.
Weitere Tests zeigten, dass Einsteiger zunächst mit Respekt an eine Sache herangehen. Sobald sie aber erste kleine Kompetenzen erworben haben, neigen sie zu gravierender Selbstüberschätzung. Ein wenig Erfahrung - und das Ego galoppiert der Leistung davon.
Dunning-Kruger-Effekt als Karrierebooster - und Bildungshemmnis
Doch warum existiert eine solche kognitive Verzerrung überhaupt, wenn sie doch so viele negative Folgen haben kann? Zum einen stärkt Selbstüberschätzung das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wie der Hamburger Experte Erb erklärt. "Und wer sich selbst mehr zutraut, erreicht meist auch mehr." Von sich überzeugte Unwissende kämen im Beruf oft weiter als klügere Tiefstapler. Das liege auch am Einfluss auf andere: Selbstüberschätzer würden oft als besonders kompetent und entschlussfreudig wahrgenommen.
Der Narr und der Weise
In der Fachliteratur hat der Dunning-Kruger-Effekt kaum Eingang gefunden - wohl auch, weil er gar zu trivial scheint. Schon der englische Dichter William Shakespeare fügte vor mehr als 400 Jahren in sein Theaterstück "As You Like It" ("Wie es euch gefällt") den Satz ein: "The fool doth think he is wise, but the wise man knows himself to be a fool." ("Der Narr meint, er sei weise, doch der weise Mann weiß, dass er ein Narr ist.")
Darüber hinaus gibt es durchaus kritische Stimmen zur Originalarbeit von 1999. Der Mathematiker Eric Gaze vom Bowdoin College in Brunswick (USA) gab im vergangenen Jahr bei "The Conversation", einer Plattform für Beiträge von Forschern und Akademikern, zu bedenken, dass der mathematische Ansatz, mit dem der Effekt nachgewiesen wurde, möglicherweise falsch ist. Die Rechenmethode übertreibe die Überschätzung der unteren 25 Prozent der Teilnehmer, so Gaze.
Dunning erklärte dazu, dass für die Kritik nur die ursprüngliche Studie berücksichtigt werde. Danach sei der Zusammenhang aber in einer Reihe weiterer Analysen geprüft worden.
Wenn es auch womöglich statistisch bedingte Einschränkungen gebe, an dem Zusammenhang an sich zweifle er nicht, sagt Erb. "Ich glaube an den Dunning-Kruger-Effekt."