Gericht will unheilbare Erkrankung eines 29-jährigen Bayreuthers verhindern Letzte Chance für einen Drogenkranken

Von Manfred Scherer
Foto: Arne Dedert/Archiv Foto: red

Ein aufgrund Drogenmissbrauchs psychisch schwer kranker Bayreuther bekommt seine letzte Chance. Das Landgericht verurteilte den 29-Jährigen am Mittwoch wegen einer Serie verschiedenster Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und ordnete die Unterbringung des Mannes in der Drogentherapie an. Nach dem Schuldspruch sagte der Verurteilte einen Satz, der ein großes Fragezeichen zu Folge hat.

 
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Der Prozess gegen den Mann war für die Strafkammer des Landgerichts Schwerarbeit, denn die Richter um den Vorsitzenden Michael Eckstein hatten sich stets zu fragen: Ist das, was der Angeklagte auftischt, ein Hirngespinst oder die Wahrheit? Der wegen Drogendelikten vorbestrafte Mann war im Frühjahr 2017 aufgefallen. Zunächst beschäftigte er Streifenbeamte der Polizei, weil er in einem Mietshaus am grünen Hügel extrem laute Musik spielte. Die Polizisten forderte er auf, bei den Nachbarn Wohnungsdurchsuchungen zu machen. Die Nachbarn hätten in seiner Wohnung heimlich Überwachungskameras installiert. Als Polizisten ihm seine Anlage wegnehmen wollte, eskalierte die Situation. Der Mann wurde kurzzeitig auf die Wache gebracht. Durchsuchungen wurden natürlich nicht angeordnet.

Zündeln an den Nachbarstüren

Wochen danach griff der 29-Jährige zu drastischeren Mitteln und zündelte an den Wohnungstüren der Nachbarn – die Brandstiftungen endeten glimpflich. Endlich in Haft wollte der Mann Drogenfahnder sprechen – und legte eine umfangreiche Beichte ab. Das führte zu einer Anklage wegen Brandstiftung, Widerstands gegen Polizeibeamte und wegen Rauschgifthandels in über 30 Fällen. Zu Ermittlungsverfahren gegen eine lange Reihe vermeintlicher Mittäter. Im Prozess vor dem Landgericht ließ sich jedoch ein Teil der Vorwürfe nicht halten. Der Angeklagte widerrief nämlich einen Teil seiner Drogenbeichte. Und er behauptete unwiderlegbar, bei den Brandstiftungen habe er die kleinen Feuer an den Wohnungstüren überwacht, damit keine größeren Folgen entstünden – mit der Folge, dass die Brandstiftungen nur mehr als Sachbeschädigung behandelt wurden.

Neun Ermittlungsverfahren gegen vermeintliche Rauschgiftkriminelle hatte die Justiz aufgrund der Angaben des Mannes eingeleitet – nun waren die Vorwürfe nicht mehr haltbar. Die Folge: Noch während des Prozesses gegen den 29-Jährigen legte die Staatsanwaltschaft eine Nachtragsanklage wegen falscher Verdächtigung vor.

Kurz vor der Schizophrenie

Warum das alles? Der Mann leidet unter einer durch Drogen hervorgerufenen Psychose, die schon so stark ist, dass sie nach Ansicht eines Psychiaters kurz vor dem Umkippen ist: Nämlich in einen überdauernden Zustand der Schizophrenie – kaum heilbar. Die strafrechtliche Maßnahme gegen eine solche Schizophrenie wäre die Unterbringung in der Psychiatrie, mit minimalen Aussichten auf Entlassung.

Deshalb war das Ergebnis des aktuellen Prozesses quasi die letzte Ausfahrt vor der Sackgasse: Die Unterbringung in der Drogentherapie soll die Psychose behandeln, da waren sich Staatsanwalt Julius Klug, Verteidiger Volker Beermann und das Gericht einig. Schon während des Prozesses hatte der Angeklagte jedoch bereits seinen Unwillen bekundet, eine solche Therapie machen zu wollen. Und auch nach dem Urteilsspruch deutete der Verurteilte an, dass er womöglich noch immer nicht verstanden hat. Er fragte: „Wann kann ich den Abbruch der Therapie erklären?“

Da blieb dem Gerichtsvorsitzenden Eckstein fast die Spucke weg und er fragte: „Sind sie wahnsinnig?“

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