Georges Roodthooft ging oft in Brüssel in die Oper. Dort lernte er Wolfgang und Wieland Wagner persönlich kennen. Wolfgang sprach den Belgier 1954 an: „Sind Sie auch Wagnerianer?“ Die beiden kamen ins Gespräch und gingen wieder getrennte Wege. Einige Jahre später stöberte Georges zusammen mit Florence in einem Schallplattengeschäft auf dem Place De Brouckère nahe der Oper, als plötzlich Wieland Wagner vor ihnen stand. Georges hielt ein Programmheft von „Tristan und Isolde“ in den Händen, da sprach Wieland ihn an. Georges erkannte ihn sofort. „Sie kennen mich?“ fragte Wieland ihn amüsiert. „Waren Sie denn schon einmal in Bayreuth?“ „Nein“, antwortete Georges. „Aber irgendwann komme ich.“
Eine Offenbarung
Es sollte bis 1963 dauern. Nach Jahren des Sparens konnte Georges zum ersten Mal nach Bayreuth reisen und die Festspiele besuchen. Er hatte Karten für „Tristan und Isolde“ bekommen und reiste zusammen mit Florence nach Bayreuth. Im Gedränge vor der Vorstellung entdeckte Florence Wieland Wagner, der in Gespräche vertieft war. Als Wieland Wagner Georges Roodhooft sah, erkannte er den Belgier sofort. „Place De Brouckère“, rief Wieland ihm zu. „Ich war so glücklich darüber“, sagt Roodthooft. Schon bei seinem ersten Besuch wusste der Belgier, dass er nach Bayreuth zurückkehren würde. „In der Pause nach dem ersten Akt hat Georges geweint und gesagt: Nächstes Jahr kommen wir wieder“, sagt Florence Roodhooft. Ihr Ehemann nickt energisch. Er selbst erinnert sich noch sehr gut an seinen ersten Besuch im Festspielhaus: „Die Inszenierung von Wieland Wagner war sehr gut. Es war eine Offenbarung für mich. Karl Böhm hat dirigiert, unser Lieblingsdirigent.“ Florence Roodthooft liebt Musik ebenso wie ihr Mann. Nur mit Wagner war es am Anfang schwer. „Sonntags legte er schon morgens um sechs Wagner-Schallplatten auf“, erzählt sie. Erst mit der Zeit habe sie die Schönheit der Musik erkannt.
Wenn es um Namen und Daten rund um die Festspiele geht, funktioniert Roodhooft wie eine Maschine. Wolfgang Wagner, mit dem die beiden ein gutes Verhältnis pflegten, habe einmal zu Florence Roodhooft gesagt: „Ihr Mann ist kein Mann, er ist ein Computer.“ Man müsse ihm nur auf die Schulter klopfen und ihm eine Jahreszahl nennen, dann spucke er alles Wichtige aus, was auf dem Grünen Hügel in jenem Jahr passiert sei. Georges Roodhooft lacht, als seine Frau diese Geschichte erzählt. Er schüttelt den Kopf und wehrt mit der Hand ab. Als sei es ihm peinlich, so viel zu wissen.
Roodthooft hält viel von den Deutschen, wegen „ihrer Disziplin, ihrem Organisationstalent und ihrem Kunstreichtum“. Deswegen hat er als junger Mann Deutsch gelernt. „Jeden Tag viermal sieben Minuten.“ Am liebsten liest er Goethe, Schiller und die Manns. „Meine Frau mag eher Novalis“, sagt er. Roodthooft liest die Bücher oft auf Deutsch.
Roodthooft, der selbst nie ein Instrument spielte, ist Vorsitzender des französischsprachigen Richard-Wagner-Verbandes in Belgien. Er gibt seit 1996 ein Journal über Wagner heraus. Deswegen, verrät er, bekommt er auch jedes Jahr Karten für die Festspiele. Roodthooft könnte nicht leben ohne den alljährlich Besuch in Bayreuth. In Brüssel wartet ein Kalender auf ihn. „Dann muss ich immer 50 Wochen abreißen, bis ich endlich wieder in meinem Bayreuth bin.“
Foto: Hampl