Offene Kritik an Parteichefs
Kritische Parteimitglieder wie die AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer griffen dagegen die AfD-Chefs Weidel und Chrupalla offen an: "Man duckt sich weg und übernimmt nicht die politische Verantwortung", sagte sie im Deutschlandfunk. Krahs Positionen seien bekannt, er habe sich immer pro China geäußert und sei immer massiv prorussisch unterwegs gewesen. "Das ist wie bei Hempels, was sie unter den Teppich kehren. Ich befürchte nur, es wird keinen Teppich geben, der groß genug ist, um das alles darunter zu kehren."
Nicolaus Fest, ebenfalls AfD-Abgeordneter im EU-Parlament, erwähnte im RTL-"Nachtjournal" ein Video Krahs zum 70. Geburtstag der kommunistischen Partei Chinas und warf ihm vor, in Abstimmungen im Europaparlament immer prochinesisch gestimmt zu haben. "Warum macht man sowas? Aus ideologischen Gründen sicherlich nicht. Aus Gründen der Menschenfreundlichkeit auch nicht - dann bleibt nicht mehr so wahnsinnig viel übrig." Weidel und Chrupalla hätten sich über Warnungen hinweggesetzt und seien mehrfach darauf hingewiesen worden, "dass Herr Krah, ich sag's mal so, ein Blindgänger ist, der jederzeit hochgehen kann".
Warum halten Weidel und Chrupalla an Krah fest?
Hinter vorgehaltener Hand wird auch in der AfD darüber spekuliert, warum sich Weidel und Chrupalla bei Krahs Wahl im vergangenen Sommer für diesen eingesetzt haben und warum sie nun weiter an ihm festhalten. Hat Krah möglicherweise belastendes Wissen? In einer Bundestagsdebatte sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz: "Der Fisch stinkt vom Kopf, und zwar vom Bundesvorstandskopf der AfD."
Spitzenkandidatur kein formaler Posten
Zwar ist es rechtlich nicht möglich, die Kandidatenliste für die Europawahl jetzt noch zu verändern. Allerdings wäre es sehr wohl möglich, Krah als Spitzenkandidat zu entfernen, sagte der Politikwissenschaftler Florian Grotz dem Portal "The Pioneer". Die Bezeichnung Spitzenkandidat sei kein wahlrechtlich definierter Begriff. "Theoretisch könnte die Partei ihren Wahlkampf auch auf eine Person zentrieren, die auf Listenplatz fünf steht."
Ein formaler Posten ist eine Spitzenkandidatur tatsächlich nicht. Parteien wählen Listen mit Kandidaten, mit denen sie zu einer Wahl antreten. Je weiter hinten auf der Liste jemand steht, desto schlechter werden - abhängig vom Wahlergebnis - seine Chancen, ins Parlament einzuziehen. Wer auf Listenplatz eins steht, ist also sicher drin.
Sachsen-AfD will Plakate mit Krah
Die Sachsen-AfD stemmt sich dagegen, dass der Dresdner Krah nun erst einmal versteckt werden soll. "The Pioneer" zitierte aus hochrangigen sächsischen Parteikreisen: "Wir werden den Spitzenkandidaten nicht in einen Giftschrank wegsperren. Selbstverständlich werden wir mit Max Wahlkampf machen und ihn auch plakatieren". Der Deutschen Presse-Agentur wurde diese Position bestätigt. In westdeutschen Landesverbänden dürfte die Stimmungslage anders sein.
Experten über Auswirkungen der Affäre uneins
Der Politikwissenschaftler Grotz hält den China-Skandal für die "vielleicht kritischste Phase für die AfD seit 2020, als die Partei anfangs nicht wusste, wie sie mit Corona umgehen soll".
Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, erwartet eine sinkende Zustimmung für die Partei. "Ich rechne bei der Europawahl mit keinem Durchmarsch der AfD, das wird eher ein mäßiges Ergebnis", sagte er dem "Tagesspiegel" (Freitag). Bei der Europawahl 2019 hatte sie 11 Prozent erzielt, in den Umfragen lag sie zuletzt zwischen 15 und 19 Prozent.
Der Darmstädter Politikwissenschaftler Christian Stecker erwartet dagegen nicht, dass die AfD bei der Europawahl wegen der China-Affäre relevanten Schaden erleidet. Die AfD biete eine große Projektionsfläche - unter anderem für Bürger, die mit der Ampel-Koalition sehr unzufrieden sind, sagte er der dpa. Außerdem dürften in den Wertemaßstäben der Kernwählerschaft der AfD die Vorwürfe weniger schwer wiegen als bei den Anhängern anderer Parteien.