Es gibt eine Vielzahl guter Gründe, dass Übergangslösungen mit Rettercharakter nicht weiterhelfen. Es braucht einen, der perspektivisch denkt. Die von Ligachef Hans-Joachim Watzke über seine Dortmunder Verbundenheit verfolgte Idee, erst den BVB-Berater Matthias Sammer bis zur Heim-EM machen zu lassen und dann vielleicht ernsthaft Jürgen Klopp überzeugen zu können, hat zwei Haken: Der „Feuerkopf“ Sammer ist seit fast zwei Jahrzehnten raus aus dem Trainergeschäft, und der „Kumpel“ Klopp immer noch bis 2026 an seinen Herzensverein FC Liverpool gebunden. Der DFB wird auch nicht über Horst Hrubesch nachdenken: Solche Lösungen sind von vorgestern.
Die Spur führt zu Julian Nagelsmann
Also führt eine logische Spur zum derzeit noch vom FC Bayern bezahlten Julian Nagelsmann. Frisch, frech, intelligent, schlagfertig – und fachkundig sowieso. Nach toller Arbeit bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig verhob er sich aber an der Herkulesaufgabe beim FC Bayern München – trotz aller Begabung. Nagelsmann reagierte am Ende dünnhäutig, gereizt, wenig souverän. Sein Alter sollte gleichwohl keine Hemmnis sein. Wenn der 36-Jährige die richtigen Lehren aus seinen in München erworbenen Erfahrungen zieht, wenn er beim Gehalt einige Abstriche macht und vor allem die Münchner dem finanziell gebeutelten DFB bei der Ablöse entgegenkommen, dann dürfte mit Nagelsmann ernsthaft geredet werden, zumal der als erster Kandidat gehandelte Roger Schmidt bei Benfica Lissabon nicht so leicht aussteigen kann.
Gibt es einen Flick-Nachfolger aus dem Ausland?
Gut möglich wäre auch, wenn bei einer Nagelsmann-Absage der Blick nicht nur auf den deutschen Markt verengt wird. Der knorrige Niederländer Louis van Gaal, mit 72 Jahren eigentlich im Ruhestand, oder der lebensfrohe Österreicher Oliver Glasner, derzeit noch vereinslos, haben bewiesen, dass sie mit deutschen Teams Titel gewinnen können. Belgien unter Domenico Tedesco, Österreich mit dem nach eigenem Bekunden jetzt „nicht zur Verfügung“ stehenden Ralf Rangnick und auch die Türkei mit dem nicht unumstrittenen Stefan Kuntz haben Kurs auf die EM-Endrunde in Deutschland genommen. Hierzulande war der Rauswurf eines Bundestrainers ein Novum. Der erste Ausländer auf diesem Posten wäre es auch. Aber irgendwann ist es halt das erste Mal. Das wird auch ein Rudi Völler bestätigen.