Fünf Mark für jeden Als Laineck sich teuer verkaufte

1966 wurde der heute 85-jährige Herbert Frosch in den Lainecker Gemeinderat gewählt. Im Lainecker Geschichtsbuch der Autoren Gisela und Erhard Peplau sind er und seine Gemeinderatskollegen sowie Bürgermeister Max Rieß abgebildet. Das alles beherrschende Thema seiner einzigen Legislaturperiode war die Eingemeindung nach Bayreuth. Blick vom Rodersberg auf Laineck. Foto: /Gunter Becker

Eigentlich lehnte der Großteil der Lainecker Bevölkerung die Eingemeindung in die Stadt Bayreuth ab. Doch irgendwann, sagt der letzte noch lebende Lainecker Gemeinderat Herbert Frosch, mussten sich die Lainecker Verhandlungsführer geschlagen geben. Die Übermacht war zu stark.

 
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Bayreuth-Laineck - „Wir waren eingekesselt, es gab kein Zurück mehr.“ Herbert Frosch muss lächeln, wenn er an die Jahre 1966 bis 1972 denkt. Jene Jahre, in denen er als neugewähltes Mitglied des Lainecker Gemeinderates an den Verhandlungen teilnahm, in denen über eine Eingemeindung des kleinen fränkischen Dorfes vor den Toren Bayreuths beraten wurde. Damals, vor 50 Jahren, war dem 85-Jährigen und seinen Kollegen im Gemeinderat nicht zum Lachen zumute. Sie wollten selbstständig bleiben. Und konnten mit einem Pfund wuchern, mit dem sie der Gegenseite ihre Bedingungen diktieren konnten: Sie hatten die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Bayreuth? Niemals, lautete die Devise.

Gute Infrastruktur

Laineck – das sei eine reiche Gemeinde gewesen, sagt Frosch. Viele Einwohner hätten in der Baumwollweberei in Friedrichsthal gearbeitet, bis sie 1981 geschlossen wurde. Der Rodersberg sei landwirtschaftlich geprägt gewesen. Die Versorgung der Bevölkerung war gewährleistet. Fünf Einkaufsläden, darunter zwei Konsummärkte, mehrere Metzger, ein Milchladen, ein Kohle- und Ölhändler, Bäcker, Bank, Post und fünf Wirtshäuser – Laineck und seine Bevölkerung lebten autark. Die zu Beginn der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts errichteten Siedlungshäuser im Lainecker Westen wurden nie Bestandteil der Dorfes. Was bis heute zumindest in den Köpfen der gebürtigen Lainecker so geblieben sein dürfte: hier der Stadtteil Laineck, dort die Siedlung Laineck. Beweis? Wer auf der Warmensteinacher Straße in Richtung Friedrichsthal fährt, dem fällt kurz hinter dem Bahnübergang ein kleines weißes, leicht übersehbares Schild mit der schwarzen Aufschrift Laineck auf. Das in massiver Holzbauweise errichtete Begrüßungsschild des Gartenbauvereins „Grüß Gott in Laineck“ steht hingegen – unübersehbar – erst kurz vor dem Abzweig der Steinachstraße. Dort also, wo für den Lainecker Laineck beginnt.

Eigene Kandidatenliste

Herbert Frosch ist gebürtiger Lainecker und der letzte noch lebende Gemeinderat des ehemals selbstständigen Dorfes Laineck. Und damit der letzte Augenzeuge der Verhandlungen über die Eingemeindung. Dass er einst an diesen Sitzungen im Lainecker Schloss, wo auch der Gemeinderat tagte, teilnehmen würde, hat der studierte Elektroingenieur noch nicht ahnen können, als er in den 1960er Jahre beschloss, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Die Mitgliedschaft in einer Partei im mehrheitlich roten Laineck sei nicht infrage gekommen. Sein Vater habe ihn aufgrund eigener Erfahrungen dringend davon abgeraten. Also machte sich Frosch, der beruflich zur BELG, der Bayerischen Elektricitäts-Lieferungs-Gesellschaft, gewechselt war, auf die Suche nach Gleichgesinnten, die sich wie er frei jeglicher Ideologie um einen Sitz im Gemeinderat bewerben wollten. Und hatte Erfolg. „Wir gründeten in der Gaststätte Rodersberg eine überparteiliche Wählergruppe und brachten tatsächlich eine Kandidatenliste zusammen“, freut sich Frosch noch heute über den Erfolg bei der Kommunalwahl im Jahr 1966.

Zwei Sitze errungen

Ihm und Georg Küffner, dem Posthalter von Laineck, gelang der Sprung in den Gemeinderat. Im Gegenzug verloren SPD und CSU je einen Sitz im zehnköpfigen, von Bürgermeister Max Rieß geleiteten Gremium. „Das war natürlich ein Erfolg für uns“, sagt Frosch. Ihr Einzug habe aber der Harmonie im Gemeinderat nicht geschadet. „Wir waren alle bei fast allen Entscheidungen meist einer Meinung. Auch und gerade bei der Eingemeindung.“ Nur zwei der damaligen Gemeinderäte sollte es später gelingen, ihr kommunalpolitisches Wirken im Bayreuther Stadtrat fortzusetzen. SPD-Bürgermeister Max Rieß („Ein richtig guter Mann“, so Frosch) und CSU-Gemeinderat Willy Petzold. Sie wurden bei der Wahl 1972, wenige Monate nach der Eingemeindung zum 1. Mai 1972, in den Bayreuther Stadtrat gewählt. Frosch hingegen beendete seine kommunalpolitische Karriere. Er wurde zwar von der Bayreuther Gemeinschaft aufgestellt und landete auf der Kandidatenliste auf Platz zwölf. Dort stand er auch nach der Stimmenauszählung. Nach sechs Jahren beendete Frosch sein politisches Wirken.

Hohe Ansprüche

Vergessen ist es nicht. Besonders die Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt Bayreuth. Deren Ansprüche waren hoch: Neben Laineck sollten auch die Gemeinden Oberkonnersreuth, Oberpreuschwitz, Aichig, Seulbitz, und Bindlach eingemeindet werden. In der „Verordnung zur Neugliederung Bayerns in Landkreise und kreisfreie Städte“ vom 10. November 1971 ist zu lesen, dass man aufseiten der Stadt Bayreuth auch damit einverstanden wäre, Teilflächen der Gemeinde Bindlach einzugliedern für den Fall, dass die Gemeinde Bindlach nicht zur Gänze eingemeindet werden könne. Es sollte aber erst mal bei den Wünschen der Stadt Bayreuth bleiben. Denn weder Bindlach noch Aichig, Seulbitz und Oberpreuschwitz wollten weder Teilflächen abgeben noch einer vollständigen Eingemeindung zustimmen.

Bedarf ist gedeckt

Und trafen damit auf die Zustimmung der bayerischen Staatsregierung. Die schreibt in der Verordnung: „Diesen weitergehenden Wünschen (der Stadt Bayreuth) haben sowohl die betroffenen Gemeinden als auch der Landkreis Bayreuth widersprochen. Die von der Stadt Bayreuth zur Begründung im einzelnen angeführten Verflechtungen sind noch nicht so ausgeprägt, daß sie es rechtfertigen würden, die Vorstellungen der Stadt im gegenwärtigen Zeitpunkt gegen den Widerstand der Betroffenen zu berücksichtigen. Auch ist mit den vorgesehenen Eingliederungen der dringendste Flächenbedarf der Stadt gedeckt.“ Mit den „vorgesehenen Eingliederungen“ waren die Gemeinden Laineck und Oberkonnersreuth sowie Teilflächen von Thiergarten und Oberpreuschwitz gemeint. Die Eingemeindung von Oberkonnersreuth erfolgte bereits zum 1. Januar 1972.

Verhandlungen auf Augenhöhe

Vier Monate später folgte die Gemeinde Laineck. Allerdings nach zahlreichen, auf Augenhöhe geführten Verhandlungen. Bevor die Lainecker Gemeinderäte mit Bürgermeister Rieß an der Spitze in konkrete Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt Bayreuth eintraten, klopften sie die Möglichkeiten einer Eingemeindung in die Gemeinde Bindlach ab. „Die Angebote und Zugeständnisse der Bayreuther waren jedoch deutlich besser“, erinnert sich Frosch. Bindlach kam nicht in Frage. Doch kampflos ließen sich die Lainecker nicht übernehmen. Da war zum einen die von fast allen rund 2000 Lainecker Bürgerinnen und Bürger vertretene Ablehnung einer Eingemeindung. Und da war der unbedingte Wille des Verhandlungsführers der Stadt Bayreuth, „Finanzminister Konrad Pöhner“, wie Frosch ihn nennt, die Lainecker zu überreden. „Er hat wirklich alles getan, um uns Lainecker umzustimmen“, sagt Frosch. Die Lainecker nutzten diese Konstellation, um möglichst viele Vorteile für ihre Gemeinde auszuhandeln. Dafür bekam Frosch sogar ein Kompliment von Oberbürgermeister Hans Walter Wild. „Wir würden uns sehr durchsetzungsstark präsentieren, um ja die besten Vergünstigungen für Laineck zu erreichen.“

Wasser und Busse aus Bayreuth

Tatsächlich bestanden zwischen der Gemeinde Laineck und der Stadt Bayreuth schon seit vielen Jahren enge Verbindungen, zumindest in Form von Wasser- und Abwasserleitungen und einer guten Busverbindungen. Seit 1953, ist in der Verordnung zu lesen, bezieht Laineck das Trinkwasser von der Stadt Bayreuth. Seit 1968 ist das Dorf an die städtische Kläranlage und an den Stadtbusverkehr angeschlossen. Das reicht den Lainecker Verhandlungsführer noch lange nicht. So fordern sie, dass die Angestellten im Rathaus übernommen werden. Dass die Feuerwehr ein eigenständiger Verein bleibt und nicht integriert wird. Dass die Dorfschule erhalten bleibt. Und dass die Schulturnhalle, die sich im Bau befindet, von der Stadt finanziert wird und für gemeindliche Veranstaltungen genutzt werden darf. Zu guter Letzt darf die Stadt auch noch den Bau eines Schulsportplatzes finanzieren. „Wir haben eigentlich alles erreicht, was wir erreichen wollten“, sagt ein noch heute stolzer Verhandlungsteilnehmer Herbert Frosch.

Abschiedsgeschenk

Was aber nicht in der Eingemeindungsurkunde steht, aber Frosch noch immer besonders erfreut: Er, Bürgermeister Rieß und seine Gemeinderatskollegen griffen vor der Übernahme in den Gemeindesäckel. Nicht um sich zu bereichern. Sie beschlossen, jeder Lainecker Bürgerin und jedem Lainecker Bürger fünf D-Mark aus der Gemeindekasse zu zahlen. Frosch: „Das war unser Abschiedsgeschenk an die Lainecker.

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