Früher Pizzabäcker, jetzt bald Maler

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Hidr Al Jirudi ist nicht unbedingt gewohnt, so stark im Mittelpunkt zu stehen. Zum Glück kann er sich nach dem Ministerinnenbesuch wieder in aller Ruhe seiner Arbeit widmen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Hidr Al Jirudi ist ein wenig verlegen. Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Eine gut gekleidete Frau stellt ihm Fragen. Dass es sich bei seiner Gesprächspartnerin um die bayerische Sozialministerin Emilia Müller handelt, ist ihm wohl nicht bewusst. Denn die hat am Freitag die Jugendwerkstatt in Kulmbach besucht.

 
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Dennoch beantwortet der 21-Jährige, der erst einige Worte Deutsch spricht, höflich ihre Fragen. Was er hier machen wolle? "Arbeiten und lernen." Eine Antwort, die der Staatsministerin gefällt. "Die Sprache ist das wichtigste, sonst kann man keinen Berufsabschluss machen", sagt Müller. Wer in Bayern Fuß fassen wolle, habe die Pflicht sich zu integrieren.

Müller erkundigt sich nach Hidrs Mutter und ob sie ebenfalls Deutsch lerne. "Nicht nur das Sprechen, sondern auch das Schreiben ist wichtig." Den Alphabetisierungskurs, die die Mutter besuchen sollte, musste sie absagen wegen einer erneuten Schwangerschaft. Deutsch und Arabisch seien überhaupt nicht ähnlich und daher schwer zu lernen, sagt Hidr. Müller entgegnet: "Es ist wichtig, dass man es überhaupt machen will." Besonders die Mütter spielten eine entscheidende Rolle bei der Integration.

Von Syrien über Libyen nach Italien und Bayern

Al Jirudi ist 1996 in Syrien geboren, wo er bis zur fünften Klasse die Schule besuchte. Als der Bürgerkrieg ausbrach, flüchteten er mit seinen Eltern und den vier Geschwistern. Von Libyen aus über das Meer nach Italien. Weil das Boot völlig überfüllt war, starben Menschen bei der Überfahrt. Von Rom gelangten sie über München nach Nordbayern, wo sie in Gemeinschaftsunterkünften in Bayreuth, Stadtsteinach und Kulmbach lebten. Mittlerweile bewohnt die Familie eine Wohnung in der Langgasse in Kulmbach. Jirudi deutet an, dass sie zu klein sei für inzwischen zwei Schwestern und drei Brüder. Wenn er einen Wunsch an die Müller hat, dann diesen: Mehr Platz.

Jobcenter vermittelt Brüdern zwei Plätze in Jugendwerkstatt

In Syrien und auf der lange dauernden Flucht half Jirudi in Restaurants als Pizzabäcker. Wenn der Krieg vorbei wäre, würde er in seine Heimat zurückkehren, sagt er. Jetzt ist er erst einmal dankbar, in der Malerei untergekommen zu sein. Das Jobcenter hat ihn und seinen Bruder Muhammad an die der Jugendwerkstatt der Geschwister-Gummi-Stiftung vermittel. Dort arbeiten sie in der Malerei und erhalten täglich zwei Stunden Deutschunterricht. Seit dem 1. September haben sie quasi einen Vor-Ausbildungsvertrag: Sie nehmen am Jugendsozialarbeitsprojekt "Arbeiten und Lernen" der Jugendwerkstatt teil.

Sozialpädagoge Peter Engelhardt betreut den Syrer und über 30 andere junge Erwachsene "Die Arbeit in der Jugendwerkstatt soll ihnen ein Stück Normalität ermöglich." Sie erlebten einen strukturierten Tagesablauf und würden am Ende des Tages sehen, was sie geleistet haben. Auch in der Schreinerei und in der Wäscherei beschäftigt die Jugendwerkstatt benachteiligte junge Menschen, um ihnen einen Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Hidrs Bruder macht derzeit ein Praktikum in einer Großküche.

Im Landkreis werden ehrenamtliche und hauptberufliche Sprachkurse angeboten. In Helferkreisen und an Schulen werden ebenfalls Deutschkurse gegeben. Engelhardt plant, künftig die Flüchtlingsfrauen stärker einzubeziehen. Sie sollen im Familentreff in der Negeleinstrasse mit deutschen Frauen zusammentreffen und Sprachpaten bekommen.

Hidr kommt ganz schön ins Schwitzen bei so viel Besuch. Er lacht viel und sagt allen immer wieder Danke. Und dann endlich als der Tross weiterzieht, kann er wieder zum Pinsel greifen und mit dem Streichen der Wände weitermachen.

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