Frontmann Norbert Rier (53) über Schlagermusik und Unverkäufliches Konzert in der Oberfrankenhalle: Die Kastelruther Spatzen im Vorab-Interview

Von Michael Weiser
"Wenn alles zusammenpasst, ist es fast kitschig": Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen im Interview. Foto: red

Die Kastelruther Spatzen ziehen mit ihren Konzerten regelmäßig Tausende von Fans in die Konzerthallen. So wie am Donnerstagabend in der Bayreuther Oberfrankenhalle. Erfolgreich sind sie mit Liedern aus der heilen Gebirgswelt, fast zu schön, um wahr zu sein. Der Kurier sprach mit Spatzenchef Norbert Rier über Schein und Sein in der Schlagerwelt.

 
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Herr Rier, wie schaffen Sie’s, dass in Südtirol immer die Sonne scheint? Den Eindruck gewinnt man, wenn man die Fotos auf Ihrer Homepage ansieht…
Norbert Rier: Wir haben das Glück, dass südlich Brenner meistens schönes Wetter herrscht. Der Schnee kam auch rechtzeitig, und was ist ein super Schnee. Also, es passt wieder mal alles.

Ein Restverdacht bleibt: Haben Sie nachgeholfen?
Rier: Nein, wirklich nicht. Das hat man ja schon bei den Aufzeichnungen zu den ZDF-Herbstshows auf der Seiser Am gesehen. Das hat fast kitschig ausgesehen. Es hatte runtergeschneit, es war ein Septembertag mit Super Wetter, es hat alles hervorragend gepasst. Und die Dolomiten sind nun mal wunderschön und einzigartig. Wenn da alles zusammenpasst, ist es halt fast schon kitschig.

Die Kastelruther Spatzen besingen die heile Welt. Mancher kritisiert, eine Welt, so heil, wie sie nun mal nicht ist. Stört Sie der Idylle-Vorwurf?
Rier: Nein, der stört mich nicht. Das Leben hat seine schönen Seiten, und unsere Heimat ist auch schön. Man muss nur imstande sein, das zu genießen.

Was genau ist für Sie Heimat?
Rier: Heimat ist Geborgenheit, das ist Bodenständigkeit, sie ist dort, wo man sich wohlfühlt. Heimat soll für jeden Menschen etwas Besonderes sein, ein Ort, den es sonst so für ihn nicht mehr gibt. Wir Spatzen sind heimatverbunden, und wir versuchen das Heimatverbundene auch durch unsere Tracht zu verbreiten.

Aus der Gamsbartträger-Ecke sind Sie mittlerweile fast schon im Mainstream angekommen…
Rier: Ja, wir haben Erfolg bei vielen verschiedenen Menschen. Es steckt viel Arbeit dahinter, und es haben Kastelruth und die ganze Gegend viel davon profitiert. Wenn darüber berichtet wird, wenn die Leut‘ die schönen Aufnahmen dazu sehen – das ist immer wieder Werbung. Das hören wir auch bei uns zu Hause immer wieder: Mit unseren Einspielungen machen wir Werbung für unsere Heimat. Wir helfen, Urlaubsstimmung zu verbreiten.

Und malen Ihre Heimat vielleicht auch noch schöner, als sie ohnehin schon ist?
Rier: Ich sehe das nicht als Vorwurf. Es kann sich jeder dort zurecht machen, wo er wohlfühlt. Gut, dann sieht das eben aus wie heile Welt. Wir bleiben ja doch bei der Wahrheit und spielen nichts vor, was da nicht ist. Es ist doch schön, wenn man das genießen kann, wenn man einfach abschalten kann. Ich finde es wichtig, dass man imstande ist, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, dass man genießen kann. Ich sag immer wieder, dass wir großes Glück haben. Und dass ich dankbar bin, in einer so schönen Umgebung zu leben.

Ein Rockstar sollte mal Drogen genommen haben, zu Alkoholexzessen neigen und schon mal ein Hotelzimmer verwüstet haben. Welches Image muss ein Kastelruther Spatz haben?
Rier: Wir sind bekannt dafür, dass wir sehr publikumsnah sind, und dass wir ganz normal sind. Ich zum Beispiel bin Landwirt, und die Pferdezucht ist meine große Leidenschaft. Das strahlt auch die Musik aus, die wir machen. Wir versuchen Ruhe reinzubringen, legen Wert auch auf die Texte, in denen man sich wiederfinden können soll, sich und das ganz normale Leben. Dazu gehört auch das Gegenseitige, gerade im Dorf, wo jeder jeden kennt.

Vor einiger Zeit hat ein ehemaliger Produzent schwere Vorwürfe erhoben: Die Kastelruther Spatzen hätten bei CD-Einspielungen betrogen, sie spielten ihre Instrumente gar nicht selber. Wie schwer traf der Vorwurf?
Rier: Das war sehr überraschend und hat sehr weggetan. Das war eine große Enttäuschung, über einen Menschen, mit dem man gut zusammengearbeitet hatte. Man wusste gar nicht, wie einem geschah, wie man da reingeraten war. Für CDs Studiomusiker zu engagieren, ist ganz normal, um Kosten zu sparen. Bei Auftritten ist das was anderes. Wir legen großen Wert darauf, dass wir da selber spielen. Das ist wie der Unterschied beim Film und beim Theater. In Filmen wird am Material rumgearbeitet, im Studio auch. Aber live ist das was anderes. Aber so ist das Leben: Wenn man in der Öffentlichkeit ist, wird man manchmal in irgendwas reingezogen. Ich würde mir persönlich als Werbung was anders vorstellen, aber – die Sache hat uns nicht geschadet. Im Gegenteil: Viele hatten uns vorher nicht gekannt, nun kennen sie uns und schätzen unsere Musik.

Die so genannte ernste Musikkritik macht einen Bogen um die Spatzen. Ärgert Sie diese Missachtung?
Rier: Nein, die ärgert mich nicht. Wir versuchen, unsere Sachen gut zu machen. Wirt stehen mit dem Herzen dahinter. Wir haben mittlerweile 13 Echos bekommen. Und haben bei den Verleihungen durchaus festgestellt, dass wir ganz besonders von Musikgrößen voll respektiert werden. Und akzeptiert. Das sieht halt jeder anders. Es steht jedem frei, wir drängen uns nicht auf.

T-Shirts, Kappen, CDs, Taschen, Kalender, Teddys, Feuerzeuge, und auch noch Pferde: Es gibt kaum etwas, was unter dem Namen der Kastelruther Spatzen nicht verkauft wird. Was würden Sie unter gar keinen Umständen verkaufen?
Rier: Drogen. Und Zigaretten. Ich bin extremer Nichtraucher. Das andere ist Merchandising, das ist gang und gäbe. Und das mit den Haflingern (lacht), ja, das mach ich ja nur für mich.

Sie geben so viele Konzerte. Wie bereiten Sie sich zum Beispiel auf Bayreuth vor?
Rier: Das ist sogar unser erster Tag in dieser Tournee. Wir sind schon am Mittwoch angereist, für die Generalprobe. Um zu sehen, ob alles passt. Bühne, Licht, Sound – das muss alles gut aufeinander eingestellt sein. Mein Sohn, der Alexander, ist auch dabei. Er kommt eher aus dem Schlagerbereich, das ist eine Abwechslung. Jeder Auftritt ist für uns ganz wichtig. Die Leute zahlen Eintritt, wir haben zu schauen, dass sie zufrieden sind. Wenn nach dem Konzert die Leute sagen, es war super, wir freuen uns aufs nächste Mal, dann ist das genau richtig so. Und es macht keinen Unterschied, wo wir spielen, ob in Bayreuth oder in Norddeutschland.

Sie sprechen Südtirolerisch. Verstehen die Menschen in Norddeutschland Sie überhaupt?
Rier: Ja, klar. Wir haben viele Fans auch in den neuen Bundesländern, und auch im Norden. Es ist so: Die Leute sparen, sie schauen keine zehn Konzerte im Jahr mehr an, sondern vielleicht noch fünf. Dennoch merkt man, dass die Leute sich in die Musik flüchten, wenn es ihnen schlechter geht. Sie wollen entspannen, abschalten. Das ist wie eine Therapie.