Freistaat soll Kosten übernehmen - Das wäre einmalig in Bayern Erstaufnahmeeinrichtung: Stadt will Sonderregelung für ihr Personal

Von Katharina Wojczenko
Die Bäume an der Herzogmühle sind schon gefällt. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Die Bäume sind gefällt an der Herzogmühle, wo die Stadt eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge bauen will. Bis zu 530 Personen sollen dort unterkommen. Doch viele Fragen sind noch ungeklärt. Zum Beispiel, wie viel die Einrichtung kosten wird. Fest steht: Die Stadt will ein bayernweit einzigartiges Modell aushandeln - und sich ihr zusätzliches Personal bezahlen lassen.

 
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„Soweit die Stadt Bayreuth durch die Erstaufnahmeeinrichtung zusätzlichen Personalbedarf hat, muss der Freistaat für diese Kosten aufkommen“, ist der Standpunkt von Stadtdirektor Ulrich Pfeifer. Ein Großteil des Stadtrats sieht das ähnlich, sagt Christa Müller-Feuerstein (SPD). Die Personalkostenfrage ist laut Pfeifer eine Grundbedingung im Vorvertrag, den Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und Regierungspräsident Wilhelm Wenning im November unterzeichnet haben.

Laut Sozialministerium ist das jedoch nicht so gewiss, wie es von Seiten der Stadt klingt: Man stehe „noch im Kontakt, inwieweit die personellen (Mehr-)Belastungen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung ausgeglichen werden können“, sagt Pressesprecher Philipp Späth. Eine Zusage klingt anders.

Geschätzte Baukosten steigen über 30 Millionen Euro

Die Stadt Bayreuth baut die Erstaufnahmeeinrichtung, der Freistaat mietet sie. Der Mietvertrag mit dem Freistaat wird erst einmal über 15 Jahre geschlossen, mit zwei Verlängerungsoptionen über jeweils fünf Jahre. Den Vertrag will die Stadt in jedem Fall kostendeckend gestalten.

Wie hoch die Baukosten sind, ist derzeit noch unklar. Laut ersten Schätzungen beliefen die Kosten sich noch auf 30 Millionen Euro. Doch es wird „ein ganzes Stück teurer“, sagt Stefan Bouillon, Leiter des Hochbauamts. Die neue Schätzung und die Planung stellt er Mitte April im Bauausschuss vor. Ende April soll die Ausschreibung beginnen. Ebenfalls neue Wege will die Stadt Bayreuth in der Personalfrage beschreiten.

Stadt ist zuständig, Staat soll zahlen

Derzeit kümmern sich unter anderem Mitarbeiter aus dem Sozialamt um die Flüchtlinge. Wie überall in Bayern bekommt die Stadt nur die Kosten für die Unterbringung erstattet. Den Personalaufwand jedoch nicht. Die Stadt ist laut Sozialministerium als örtlicher Träger für die Auszahlung von Sozialleistungen und die Ausgabe von Krankenscheinen „originär zuständig“. Dafür braucht sie Personal – und das soll der Freistaat bezahlen.

Aktuell sind dafür drei städtische Mitarbeiter zuständig, sagt Werner Köstner, Leiter des Bayreuther Sozialamts. Hinzu kommen vier Mitarbeiter, die die Flüchtlinge in den Stadtbadturnhallen und gemeinsam mit der Caritas in den dezentralen Unterkünften sozialpädagogisch betreuen. Köstner plant derzeit mit bis zu fünf Stellen, um den künftigen Verwaltungsaufwand für die Flüchtlinge zu stemmen. Das entspricht etwa 250 000 Euro jährlich, die der Freistaat zahlen müsste.

Asylsozialberatung steht 
auf der Kippe

Fest steht jetzt schon: Städtisches Personal wird in der Erstaufnahmeeinrichtung keine sozialpädagogische Betreuung mehr übernehmen. „Das stellt der Freistaat Bayern durch einen Sozialdienst sicher, zum Beispiel die Caritas“, sagt Köstner. Dadurch steht die Asylsozialberatung aber womöglich auf der Kippe.

Die Asylsozialberatung ist eine freiwillige Leistung, die der Freistaat bezuschusst. Sie soll Flüchtlinge dabei unterstützen, sich in der fremden Kultur, dem deutschen (Behörden-)Alltag sowie im Asylverfahren zurechtzufinden. Die Caritas hilft derzeit mit zweieinhalb Vollzeitstellen bei der Sozialberatung in der Gemeinschaftsunterkunft Wilhelm-Busch-Straße und weiteren dezentralen Unterkünften. Über Pläne für die Erstaufnahmeeinrichtung hat mit Geschäftsführer Hermann Hinterstößer „offiziell noch niemand“ gesprochen. Und ob die Caritas einspringt, ist aus finanziellen Gründen ungewiss – weil sie sich das wahrscheinlich nicht leisten kann.

Caritas muss derzeit 43.000 Euro selbst aufbringen

2013 betrugen die Kosten für die Asylsozialberatung der Caritas laut Hinterstößer etwa 190 000 Euro, davon entfielen 180 000 Euro aufs Personal. Insgesamt 136 000 Euro bekam die Caritas als Zuschüsse: 111 000 Euro vom Freistaat Bayern, 25 000 Euro von der Stadt Bayreuth. Den Rest, also 43 000 Euro, stemmte die Caritas selbst – aus Kirchensteuer, dem Flüchtlingsfonds des Erzbischofs, Mitgliedsbeiträgen und Spenden.

Eine Vollzeitkraft betreut nur noch 100 Flüchtlinge

Ende 2014 hat der Freistaat den Zuschuss auf 80 Prozent erhöht. 2011 waren es noch 44 Prozent, sagt Daniela Schürf, Pressesprecherin im Sozialministerium. Gleichzeitig steigt aber auch der verlangte Personalaufwand. Im September 2014 hat der Ministerrat beschlossen: Künftig soll eine Vollzeitkraft nur noch 100 Asylbewerber betreuen – und nicht mehr 150. Das bedeutet für Caritas-Geschäftsführer Hermann Hinterstößer: Er bräuchte nicht mehr zweieinhalb, sondern fünf Vollzeitstellen.

„Wenn das zu den aktuellen Bedingungen zu stemmen wäre, könnten wir uns das nicht leisten“, sagt Hinterstößer. Der Eigenanteil betrüge dann etwa 80 000 Euro. Ob sich die Caritas auf die Ausschreibung bewirbt, ist daher offen. Die Caritas übernimmt derzeit laut Hinterstößer etwa zwei Drittel der Asylsozialberatung in Bayern.

INFO: Bamberg einholen klappt nicht

Bamberg einholen – das klappt mit der Erstaufnahmeeinrichtung wohl nicht. Dass mit den Flüchtlingen künftig etwa 500 Menschen mehr in der Stadt leben werden, hat jedenfalls keine Auswirkungen auf die Einwohnerzahl. Die Asylbewerber müssen erst gemeldet werden, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen und in einer Gemeinschaftsunterkunft oder dezentralen Unterkünften untergebracht werden. Das sagt Stefan Frey, Pressesprecher des Innenministeriums. Positive Auswirkungen auf Schlüsselzuweisung und ähnliches bleiben daher aus. Die Einrichtung soll allerdings weit über 100 Menschen Arbeit bieten: Personal von Stadt, Freistaat, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Wohlfahrtsverbänden, sagt Christoph Reichl von der Regierung von Oberfranken.

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