Freies WLAN: Störerhaftung fällt

Von Kerstin Fritzsche
Am Neuen Schloss in Bayreuth kann man bereits kostenfrei surfen.Dies soll in Zukunft auch flächendeckender möglich sein, denn die Bundesregierung will die sogenannte Störerhaftung, also die rechtlichen Einschränkungen für private Anbieter von Hotspots, fallen lassen. Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Wie Spiegel Online am Mittwoch berichtet, fällt die sogenannte Störerhaftung für private Betreiber von offenem WLAN. SPD und CDU haben sich laut Informationen des Nachrichtenmagazins auf einen neuen Gesetzesentwurf zum Telemediengesetz geeinigt.

 
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Sehr lang herrschte Stillstand. Zwar gab es einen entsprechenden Gesetzesentwurf mit einer Änderung von der Bundesregierung bereits seit 2015. Um ihn wurde aber sehr lange gerungen; eine zweite und dritte Lesung im Bundestag wurde wieder und wieder verschoben. Dass es eine Einigung geben soll, das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangene Woche gefordert.

Gesetzesverstöße im privaten Bereich bisher nicht klar geregelt

Was ist das Problem mit privaten Anbietern von freiem WLAN? Viele potenzielle Anbieter von WLAN-Hotspots, etwa Cafés, Vereine oder Privatpersonen, hatten Angst, wegen der sogenannten Störerhaftung belangt zu werden. In Deutschland war trotz langer Diskussion die Haftung für Gesetzesverstöße in einem öffentlich zugänglichen WLAN-Netz bislang nicht klar geregelt. Im Telemediengesetz ist zwar festgelegt, dass Internetprovider wie die Telekom nicht dafür geradestehen müssen, wenn ihre Kunden im Netz illegale Dinge tun. Für Privatleute griff diese Regelung bisher jedoch nicht.

Selbst Experten hielten den Entwurf für zu starr

Viele Experten und auch der Handelsverband Deutschland waren sogar der Meinung, der neue Entwurf mache die Sache gar noch schlimmer, verhindere gerade bei mittelständischen Unternehmen Wettbewerb und Kundenbindung.

Der Arbeitskreis Urheberrecht im Bundestag äußerte: "Der Vorschlag zur Neufassung des Paragrafen acht des Telemediengesetzes führt unbestimmte Rechtsbegriffe ein, schafft daher nicht die angestrebte Rechtssicherheit und wird im Ergebnis nicht zu mehr, sondern zu weniger offenen WLAN-Angeboten führen."

Das ändert sich jetzt

Betreiber offener WLANs sollen nach der Mittwoch bekannt gewordenen Einigung von CDU, SPD und CSU nicht für aureichende Sicherungsmaßnahmen sorgen, um von der Haftung für von Nutzern begangene Urheberrechtsverstöße befreit zu werden. Eine verpflichtende Verschlüsselung ovn Netzwerken soll es nicht geben. Auch sogenannte Vorschaltseiten, die eine eine DNS-Umleitung im Browser des Nutzers erzeugen, soll es nicht mehr geben. Sie waren von CDU und CSU favorisiert worden.

Die jetzige Entscheidung hat auch mit dem Klage-Erfolg eines bayerischen Piraten zu tun: Tobias McFadden, Mitglied der Piraten-Partei,hatte eine Abmahnung des Musikkonzerns Sony erhalten. Über sein frei zugängliches WLAN-Netz wurde ein Album der Gruppe „Wir sind Helden“ zum kostenlosen Herunterladen angeboten, das entsprechend von einem Dritten wahrgenommen wurde. McFadden hatte im Gegenzug eine negative Feststellungsklage gegen Sony erhoben.

Entscheidung könnte mit EUGH-Einschätzung zu tun haben

Daraufhin gab es ein Gutachten des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof - der das bestehende für unzulässig hielt: Geschäfte, Bars oder Hotels mit ungesichertem WLAN-Netz sollen nicht für Urheberrechtsverletzungen Dritter haften. Nationale Gerichte dürften zwar eine Lösung des Problems verlangen, argumentierte Generalanwalt Maciej Szpunar in seiner Stellungnahme (Rechtssache C-484/14). Allzu weitreichende Auflagen hält er aber nicht für zulässig, beispielsweise eine bereits diskutierte Identifizierungspflicht für WLAN-Nutzer und eine anlasslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen sei unverhältnismäßig und ineffektiv.

Die Befürworter offener WLAN-Netze sehen sich dadurch gestärkt. Die Argumentation Szpunars bezog sich jedoch auf geschäftliche Betreiber von WLANs, wie das Branchenmagazin Golem anmerkt, dürfte sich also rein rechtlich nicht ohne weiteres auf private Freifunker übertragen lassen. Unklar ist außerdem, ob das Gericht dem Gutachten folgen wird. Die Piratenpartei kämpft schon lange für den Sturz der Störerhaftung. MCFadden sagte am Mittwoch laut Mitteilung: "Ich freue mich sehr, dass sich der lange Kampf offenbar gelohnt hat und die Bundesregierung anhand des Gutachtens des EuGH-Generalstaatsanwaltes die Störerhaftung abschafft!"

Warum überhaupt freies WLAN?

Braucht man denn unbedingt flächendeckendes WLAN, wenn mittlerweile fast jeder über großes Datenvolumen für sein Smartphone oder Tablet verfügt? Für Netz-Aktivisten wie Freifunk ist das inzwischen eine höchst politische Angelegenheit. Informationsfreiheit und damit auch technisch freier Zugang zu Informationen sei ein Menschenrecht, argumentieren sie. Und auch wenn Handy-Verträge mit hohen Datenvolumen immer billiger werden: Nicht jeder könne sich das leisten, und so entstehe bei der Digitalisierung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auch deswegen müsse die Störerhaftung unbedingt aufgehoben werden.

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