Frauengasse Älteste Straße fürs älteste Gewerbe

Von Eva-Maria Bast
„Frauengasse“ ist der älteste Straßenname Bayreuths. Ihre Bezeichnung erhielt die Gasse durch das horizontale Gewerbe. Foto: Peter Gisder

BAYREUTH. Der Name ist Programm. Oder besser: Er war es zu jener Zeit, als er entstand. „Die ‚Frauengasse‘ ist der älteste Straßenname Bayreuths“, sagte der - inzwischen verstorbene - Stadtkenner Wilfried Engelbrecht. Und warum war er einst Programm? „Hier stand ab dem 15. Jahrhundert das Frauenhaus – heute würde man Bordell sagen –, und das war Namensgeber für die Straße“, erklärte Engelbrecht

 
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Zunächst habe sich das Frauenhaus in verschiedenen Gebäuden in der Gasse befunden und sei innerhalb der Straße immer wieder umgezogen. Die Lage direkt an der Stadtmauer war dabei typisch. So wie Prostituierte am Rande der Stadt leben mussten, standen sie auch am Rande der Gesellschaft. „Die Berufsgruppe der Huren gehörte zu den sogenannten unehrlichen Leuten“, erläuterte Engelbrecht. Wobei „unehrlich“ dabei nicht, wie im heutigen Sinne, bedeutete, dass unehrliche Leute dazu tendieren, nicht die Wahrheit zu sagen. Nein, „unehrlich“ hieß, dass jemand keine Ehre hatte und auch kein Ansehen.

Wer „unehrlich“ war, durfte zum Beispiel kein städtisches Ehrenamt bekleiden und weder einer Zunft beitreten noch eine solche bilden. Auch empfahl es sich nicht, mit einem „Unehrlichen“ in Kontakt zu treten. Wer es doch tat, wurde selbst unehrenhaft – weshalb auch die Kinder der Unehrenhaften eigentlich keine Chance hatten, ehrenhafte Bürger zu werden. „Auf der untersten Stufe der unehrenhaften Berufe standen Huren und Henker“, erzählte der Bayreuth-Kenner. „Kein Wunder, dass sie sich oft privat oder beruflich zusammentaten.“

Den Henker geheiratet

Schmunzelnd merkte Engelbrecht an, dass Huren wohl hinsichtlich des körperlichen Kontaktes eine Ausnahme bildeten. „Wer mit einer Hure in Berührung kam, wurde nicht unehrenhaft“, sagt er. „Schließlich gehörte es zum Berufsbild der Huren, den unverheirateten Männern sehr nah zu kommen.“

Zum Beruf des Henkers habe neben Folter, Hinrichtung, der Reinigung von Kloaken und dem Abschneiden von Selbstmördern oft auch die Betreuung des Bordells gehört. Und manchmal heirateten Henker und die Damen des horizontalen Gewerbes eben auch.

Engelbrecht zitierte aus der Chronik des Bayreuther Stadtschreibers Hans Wolf Heller, der schrieb: „Meister Heinrich, scharfrichter, hält hochzeit mit der hurenwürthin von Bamberg Montag nach Aegidy, den 2. September 1560.“ Übrigens waren Huren, die in Frauenhäusern arbeiteten, die angeseheneren Damen ihrer Berufsgruppe. „Die Frau, die auf der Straße ihre Dienste anbot, wurde Gassenhure genannt und stand im Ansehen ganz weit unten“, erklärte Engelbrecht.

In den Frauenhäusern ging es geordnet zu. Zwar sei nicht dokumentiert, wie konkret die Ordnung in Bayreuth geregelt war, doch hat der Stadthistoriker die Nürnberger Bordellordnung aus dem 15. Jahrhundert ausgegraben, die den hübschen Namen „Ordnung über gemeyne weyber“ trägt. Da Bayreuth jahrhundertelang zum Burggrafentum Nürnberg gehört habe, habe sich der Rat der Stadt an Nürnberger Recht und Gesetz, Maßen und Gewichten orientiert.

Frauen nicht verpfänden

Und damit ließen sich „die Nürnberger Gepflogenheiten hinsichtlich des Umgangs mit den städtischen Prostituierten zumindest teilweise auch auf die Bayreuther Verhältnisse übertragen“, erklärte Engelbrecht. Der Stadtrat verbot den Nürnberger Bordellbetreibern bei Strafe, die Frauen zu „verpfänden“, wie das offenbar zuvor immer wieder geschehen war.

Sie durften von den Huren, die in ihrem Haus lebten, Geld verlangen, sie dabei aber nicht übervorteilen. „Sie sollten ihnen eine Kammer, Bettwäsche und Speisen geben und ihnen mindestens einmal in der Woche ein unentgeltliches Bad bereiten“, sagte Wilfried Engelbrecht. Für jeden Geschlechtsakt mit einem Mann mussten die Huren dem Bordellbetreiber einen Pfennig zahlen. Wenn der Freier bei der Dirne nächtigte, kostete das sogar drei Pfennige. Es war den Bordellbetreibern verboten, die Frauen einzusperren.

„Verheiratete Frauen oder Kinder von Bürgern aus der Stadt durften nicht aufgenommen werden“, führte Engelbrecht aus. „Genauso durften keine Ehemänner oder Geistliche Kunden sein.“ Und wenn die Frau „vom sündigen Leben Abstand“ nehmen wollte, durfte der Bordellbesitzer sie nicht zum Weitermachen zwingen.

Ab 1520 kann der Standort des Bordells in der Frauengasse ganz exakt nachgewiesen werden. Denn als Markgraf Kasimir von Brandenburg- Kulmbach samt seinem Hofstaat in Bayreuth Einzug hielt, befahl er der Stadtverwaltung die Einrichtung eines solchen Hauses. Das gab es in der Frauengasse ja ohnehin schon, nun wurde es aber fest im Haus Frauengasse 2 etabliert, das die Stadt extra zu diesem Zweck kaufte.

Ein ganz übler Geselle

„Kasimir ließ das Haus wohl zu seinem eigenen Vergnügen einrichten“, vermutete Engelbrecht. In den Akten ist zum Hauskauf vermerkt: „Frawenhawß. Jorgen Neuckam ist sein haws mitsambt dem gartten, hintten an der mawr gelegen, zu einem frawenhawß umb neunthalben gulden und XXIII d. leickauffs abgekaufft, das ytzo, dieweill mein gnädiger herr marggraff Casimir mit seiner fürstlichen gnaden hoffhaltung hiehere kombt und bleiben will, zu einem gemeinen hawß zu haben.“

Generell, urteilte Engelbrecht, sei Kasimir „ein ganz übler Geselle“ gewesen, der vor allem auch im Bauernkrieg (1524–1526) „viel Schrecken verbreitete“.

Den Damen des Bordells ist nachträglich zu wünschen, dass er in liegender Position umgänglicher war.