Flüchtlingspolitik: Erste Rücktrittsforderung aus der Partei CSU überwirft sich mit Kanzlerin

Von Uli Bachmeier
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Kreuth während der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion. Foto: Sven Hoppe/dpa Foto: red

Das Zerwürfnis zwischen der CSU in Bayern und CDU-Chefin Angela Merkel ist offenbar kaum mehr zu bereinigen. Als erster CSU-Politiker hat gestern der Augsburger Landrat Martin Sailer die Bundeskanzlerin zum Rücktritt aufgefordert.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In Wildbad Kreuth, wo gestern die Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion zu Ende ging, herrschten nach Merkels Besuch Unverständnis, Enttäuschung und Ratlosigkeit über ihre Sturheit in der Flüchtlingspolitik.

CSU-Chef Horst Seehofer listete in Kreuth erneut schwere Fehler der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik auf. Er bekräftigte seine Drohung mit einer Verfassungsklage im Streit um flächendeckende Grenzkontrollen: „An der Konsequenz und Nachdrücklichkeit unseres Handelns sollte kein Zweifel bestehen.“ Und er sagte, seine Geduld sei nicht unendlich.

Vor einem endgültigen Bruch mit Merkel schreckt die CSU zwar nach wie vor zurück. Seehofer und der gestern mit 98 Prozent der Stimmen im Amt bestätigte Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, machten aber deutlich, dass sie ihren Konfrontationskurs fortsetzen werden. „Wir wissen, dass die nächsten Wochen und Monate nicht einfacher werden. Ich würde sogar sagen, dass sie besonders schwer werden,“ sagte Seehofer. Die Auseinandersetzung mit Merkel erfordere sehr viel Geduld. Kreuzer sagte, er sehe die Flüchtlingskrise als Schicksalsfrage unseres Landes. Dass offenbar auch das persönliche Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel empfindlich gestört ist, hatte sich in Kreuth unmittelbar nach dem Auftritt der Kanzlerin vor der Fraktion schon herumgesprochen. Teilnehmer der Sitzung berichteten, die beiden hätten sich nach einer kurzen Begrüßung draußen vor der Tür keines Blickes mehr gewürdigt. Merkel habe Seehofer mit keinem Wort erwähnt und nicht einmal gefragt, ob er sich von seinem kurzen Schwächeanfall tags zuvor wieder erholt habe.

Frust über Merkel

Bei der Abschlusspressekonferenz in Kreuth versuchte Seehofer gar nicht mehr, seine Enttäuschung zu verbergen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass der CSU-Chef die Kanzlerin einen Glücksfall für Deutschland genannt hat. Gestern Mittag redete er sich seinen Frust über Merkel von der Seele: „Wir haben ein sehr freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis entwickelt im Laufe der Jahre. Dann kam der September – und seitdem ist es ein mühsames Feld.“ Und er gestand ein: „Es ist ein Thema, das mich ungeheuer belastet, weil ein so vertrauensvolles Verhältnis in einem so wichtigen Thema wie der Begrenzung gestört ist.“

Sorge vor Landtagswahlen

Mit Sorge beobachtet die CSU auch die Schwäche der Schwesterpartei CDU vor den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. „Wir haben im Bayerntrend 47 Prozent Zustimmung in einer äußerst schwierigen Zeit. Wenn ich richtig gelesen habe, hat die CDU in Baden-Württemberg noch 34 Prozent, also schon wieder drei Prozent weniger als zuletzt. Das ist nicht schön“, sagte Kreuzer und warnte vor Vertrauensverlust in die Politik und dem Erstarken rechter Protestparteien.

Die Enttäuschung über Merkel geht quer durch die CSU. Landrat Sailer steht mit seiner Kritik nicht allein.

Bilder