Flüchtlingspolitik entzweit CSU und Merkel

Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer (links), der ungarische Premierminister Viktor Orban (Mitte), der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (3.v.r.), der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, 2.v.r.) und Manfred Weber (CSU, r) auf Kloster Banz bei Bad Staffelstein. Die Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion endet Donnerstagabend. Foto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Es war eine denkwürdige CSU-Klausur im Kloster Banz: Noch nie musste sich die Fraktion vier Tage lang mit einem derart drängenden Thema beschäftigen wie mit der Flüchtlingspolitik. Und noch nie brach ein derart tiefer Riss zwischen der CSU und der eigenen Kanzlerin auf.

 
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Wäre die Kanzlerin zur CSU ins Kloster Banz gekommen, sie hätte sich auf etwas gefasst machen müssen. Zorn, Wut, Ärger, Frust - all das hätte Angela Merkel wohl hautnah zu spüren gekommen. Noch nie war die Kritik aus der CSU an der eigenen Kanzlerin derart massiv, noch nie waren die Missfallensäußerungen so deutlich - das berichten Landtagsabgeordnete zum Abschluss der Tagung übereinstimmend. So stark brach sich der Ärger über Merkel hinter den Klostermauern Bahn, dass am Ende sogar Parteichef Horst Seehofer eingeschritten sei. Es gebe «keinen Aufstand gegen Merkel», soll er am Ende einer mehrstündigen, emotionalen Debatte gesagt haben.

Seit Merkel entschieden hat, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen, ist es mit dem bedingungslosen CSU-Gehorsam gegenüber der Kanzlerin, den Seehofer immer gepredigt hatte, vorbei. Seehofer persönlich führt die CSU-Kritik nun seit Wochen an. Auch in Banz machte er aus seinem Zorn keinen Hehl - im Gegenteil. «So kann die Arbeitsteilung nicht sein, dass die einen für die Moral und die Menschlichkeit sind, und die anderen sind für die Arbeit und für die Ressourcen zuständig» - das war sein deutlichster Satz, der eindeutig auf Merkel gemünzt werden konnte. Und sogar im Beisein des umstrittenen ungarischen Premiers Viktor Orban legte der Ministerpräsident in seiner Kritik an Merkel noch einmal nach.

Das ist das eigenartige Signal, das von dieser Klausur bleibt: Die CSU ist der Flüchtlingspolitik eines rechtskonservativen Politikers wie Orban, der wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen europaweit in der Kritik steht, offenbar näher als der Linie der Kanzlerin.

Ein Grund ist, dass Bayern in den vergangenen Wochen fast schon im Alleingang Zehntausende von Flüchtlingen versorgen musste. Mehrere Abgeordnete aus grenznahen Gebieten berichteten auf der CSU-Klausur in eindrücklichen Worten von dem immensen Kraftakt, den Behörden, Hilfsorganisationen und Ehrenamtliche seit Wochen leisten müssen.

Seehofer selbst sprach in Banz von «chaotischen Verhältnissen», die nach Merkels Einreiseerlaubnis eingekehrt seien. Und weil schon der Parteichef derart deutlich wurde, hielten sich auch die Abgeordneten nicht zurück. «Es war bemerkenswert, mit welcher Wucht und mit welcher Härte die Kanzlerin kritisiert wurde», berichtet ein Abgeordneter.

Die klare Forderung der CSU ist: Merkel soll die Tore, die sie für die Flüchtlinge geöffnet hat, nun bitte wieder schließen. Bedeutet: Menschen, die nach EU-Recht eigentlich in anderen EU-Staaten ihre Asylanträge stellen müssten, sollen wieder ferngehalten werden. Hinzu kommt die Forderung nach EU-weiten Kontingenten, also Obergrenzen.

Die Hoffnung aber, dass Merkel ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik grundlegend ändert, ist nicht allzu groß bei den Christsozialen. Auch Seehofer sei nicht sehr optimistisch, berichten mehrere Abgeordnete.

Neben Seehofer wurde auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in Banz aufgefordert, auf Merkel einzuwirken. Hasselfeldt war es auch, die auf der Klausur den angestauten Frust der Landtags-CSU zu spüren bekam, sozusagen stellvertretend für Merkel. Warum denn die CSU in Berlin nichts unternommen habe? Ob sie eigentlich Merkels Einreiseerlaubnis richtig gefunden habe? Ob die CSU in Berlin eigentlich schlafe? Hasselfeldt stand derart im Kreuzfeuer der Kritik, dass einige Landtagsabgeordnete nachher meinten, so hätte man mit einer Berliner Kollegin eigentlich nicht umgehen dürfen.

Aber was, wenn Merkel ihren Kurs nicht ändert? «Dunkle Drohungen» seien da ausgesprochen worden, auch von Seehofer, berichten Abgeordnete. Dann werde sich auch Bayern nicht mehr an die Regeln halten. Könnte das bedeuten, dass der Freistaat dann eine Art Aufnahmestopp für Flüchtlinge verhängt oder die Menschen einfach in andere Bundesländer weiterschickt? All das blieb in Banz offen.

Aber auch ein anderes Szenario wurde zum Abschluss der Klausur von Abgeordneten nicht ausgeschlossen: dass die Zusammenarbeit zwischen CSU und CDU, insbesondere mit Merkel, längerfristig beeinträchtigt werden könnte. Noch versuchte Seehofer - bei aller Kritik - zu beschwichtigen: Ein totales Zerwürfnis mit Merkel gebe es nicht.

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dpa

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