Filmfest: "Tendenziell lustige Filme"

Von Michael Weiser

Vergangenes Jahr ist das Filmfest Kontrast 18 Jahre alt geworden und wurde – quasi als Geschenk zur Volljährigkeit – mit dem Kulturpreis belohnt. Ausgewachsen ist es natürlich schon viel länger: Als nicht allzu großes, feines Filmfest zieht es stets im späten Winter die Filmfans ins Zentrum. Diesmal vom 3. bis zum 5. März. Michael Kolb, Vorsitzender des Vereins Bayreuther Filmfest, zeigt Trends auf und nennt seine Favoriten. Und er verspricht: Es wird witzig.

 
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Wie lebt sich’s als Kulturpreisträger der Stadt Bayreuth?

Michael Kolb: Gut, wirklich. So viele Preisträger gab’s bisher noch nicht, es gab ja auch Pausen dazwischen. Für uns ist es schön, dass mit uns ein Bereich der Kultur ausgezeichnet wird, der oft anders betrachtet wird als etwa bildende Kunst. Dass Kino Kunst ist, ist eigentlich jedem klar. Trotzdem ist es so, dass man nicht unbedingt an Filme denkt, wenn man das Wort Kunst hört. Vielleicht ist es eine Entwicklung, dass Kino mehr und mehr als echte Kunstform wahrgenommen wird. Die Stadt hat uns übrigens über viele, viele Jahre hin geholfen, genau genommen von Anfang an. Das muss man unterstreichen. Ich glaube, wir sind die Einzigen, die Geld bekommen haben, ohne zuvor eine Veranstaltung organisiert zu haben.

 

Offenbar war das Vertrauen gerechtfertigt. Ihr Verein ist anerkannt und Kontrast wird vom Publikum gut angenommen...

Kolb: ... und seit letztem Jahr sind wir volljährig.

 

"Der Wahnsinn": Trailer von "Sweet Maddie Stone", von Brady Hood. Quelle: Vimeo

 

Was hat sich in all den Jahren verändert?

Kolb: Wir sind alt und grau geworden (lacht). Fast zwanzig Jahre, das geht schon auf die Bandscheiben. Unsere Kontrast-Kids sind älter geworden, die machen bereits mit. Am Anfang sind sie dir zwischen den Beinen rumgewuselt, jetzt helfen sie konkret mit, indem sie Festival-Plakate, Flyer und Prospekte gestalten. Anna zum Beispiel; sie ist die Tochter von Harry (Unger, Anm. der Red.), und sie schneidet den Trailer fürs Filmfest, ihr Freund macht die Musik dazu. Die Kinder von damals sind mittlerweile stimmberechtigte Mitglieder und komplett eingebunden.

 

Gibt ja auch genug für alle zu tun. Filme ansehen zum Beispiel.

Kolb: O ja.

 

Wie viele waren es denn diesmal?

Kolb: Diesmal waren es 650, glaub’ ich.

 

Ich hoffe mal im Interesse des gesunden Schlafs, dass nicht jeder alle Filme sichten musste.

Kolb: Nein, in der Tat. Dieses Jahr haben wir mehr Sichtungsgruppen eingereicht und die Menge der zu sichtenden Filme insgesamt ein bisschen besser aufgeteilt. Letztes Jahr waren es auf einmal deutlich mehr Filme gewesen, da waren wir noch überrascht. Dieses Jahr haben wir besser reagiert. Ich denke, dass wir auch das Herausfiltern der guten Filme optimieren konnten.

 

Gibt es einen Trend, der Ihnen aufgefallen ist?

Kolb: Tendenziell wurden eher lustige Filme eingereicht, von ihnen haben es auch mehr durch die Sichtung geschafft. Ich bin eher der Fan von lustigen Filmen und freu’ mich daher besonders. Lustige Filme sind gerade im kurzen Format noch schwieriger zu drehen als die tragischen.

 

Komisch eigentlich, so lustig sind die Zeiten doch gerade gar nicht.

Kolb: Schon komisch, ja. Ich sag’s mal so: Wenn das Festival ein Indikator für die Weltstimmung ist, dann sah man das nach Fukushima. Da war die Stimmung deutlich schlechter als jetzt. Da gab es tendenziell gute, anspruchsvolle Filme, aber wenige witzige Filme. Nun geht es der Welt nicht besser, im Gegenteil, angesichts der Kriege und Konflikte, die gerade toben. Hm, komisch. Vielleicht ist das einfach Zufall?

 

Wie viele Filme haben Sie denn gesichtet?

Kolb: 250 vielleicht, oder waren es 300? Das ist schwierig zu sagen, weil wir verschiedene Filme mehrmals sichten, und dann kommt auch noch die Abschlusssichtung innerhalb von drei Tagen, in der wir alles, was durchgekommen ist, nochmals sichten. Da müssen wir dann nochmals sortieren. Wir machen das so wie in der Kollegstufe auf dem Gymnasium. Fast alle Filme, die wir in der Abschlusssichtung angeschaut haben, sind auf richtig hohem Niveau. die haben uns so gut gefallen, dass wir nichts schlechteres als zehn Punkte verteilt haben. Also, da ist nichts über 2 plus, die meisten Sachen sind im Einser-Bereich. Das hat die Abschlusssichtung nicht einfacher gemacht.

 

Flüchtlinge waren mal ein Thema

Weil man sich auch unter Schmerzen von Kandidaten trennen muss?

Kolb: Ja, es tut einem sehr leid, wenn man einen dieser Filme aussortieren muss, das ist ein ganz schöner Kampf. Man hat Kandidaten, die vielleicht nicht bei jedem angekommen sind, die aber wichtig sind, weil sie auch die Vielseitigkeit ausmachen. Da gibt es schwierigere Filme, die eine geile Idee haben, die anspruchsvoll sind, so dass man um sie kämpft. Tendenziell werden die Filme länger, 15- und 20-Minüter sind tendenziell häufiger als die Ein- bis Achtminüter. Wir haben sogar Dreißigminüter. Das hat deutlich mehr Sichtungsaufwand zur Folge. Den Block mit den langen Kurzen haben wir diesmal auf Samstag um 15.30 Uhr gelegt, damit mehr Leute zusehen und die Filme auch in der Konkurrenz um Publikums- und Jurypreis laufen. Da laufen dann längere Filme zwischen 25 und 30 Minuten.

 

Welche Favoriten haben Sie?

Kolb: „Watu Wote“ zum Beispiel, der läuft im normalen Programm. Der ist für den Kurzfilm-Oscar nominiert, da hatten wir wirklich einen guten Riecher. Der ist Wahnsinn. Wir hatten übrigens schon mal einen Film im Programm, der dann tatsächlich den Kurzfilm-Oscar bekommen hat.

 

Mehr lustige Filme, das sagten Sie vorhin. Was haben Sie noch für einen Trend festgestellt?

Kolb: Wir haben festgestellt, dass ein Modethema abgenommen hat: die Flüchtlingsthematik. Und es gibt weniger politische Filme als in den vergangenen Jahren. Da gab es immer wieder Filme aus der Türkei. Aber ist ja auch klar, für Filmemacher wäre das dort geradezu selbstmörderisch, Filme mit einer politischen Botschaft zu machen. Schon letztes Jahr dachte ich mir, das ist schon verdammt mutig, was die machen. Wir haben aber definitiv die gesamte Bandbreite im Angebot. Noch ein toller Film: „Sweet Maddy Stone“, unbedingt. Oder „M.A.M.O.N. Monitor against mexicans over nationwide“, der ist völlig durchgeknallt, gut politisch und sozialkritisch. Vor allem aber unglaublich witzig. Insgesamt möchte ich aber sagen, die Filme sind nicht mehr ganz so politisch, dafür eher sozialkritisch.

 

Vielleicht haben Spanier mehr Phantasie

Ein Trend war in den vergangenen Jahren zunehmende handwerkliche Klasse bis zur Nähe zur Perfektion.

Kolb: Das war der Trend, ja. Irgendwann ist man auf einem so hohen Niveau angekommen, da geht’s dann nicht mehr weiter. Wir haben auch Filme von Privatpersonen, auch bei denen ist die Produktion auf hohem Niveau. Klar, viele sind etabliert, es sind Seminararbeiten von Filmhochschulen dabei, und die sind besser gefördert als früher. Aber da gibt es dann doch Sachen, die man dadurch nicht erklären kann. Wir haben einen Film im Programm, bei dem es sich um einen Bewerbungsfilm handelt. Der ist auf einem Niveau, das gibt’s überhaupt nicht, und der hatte noch nicht einmal studiert. Da haut’s einen um, so gut ist der, und witzig noch dazu. „Scheideweg“ heißt der Film.

 

Die Digitalisierung macht’s möglich.

Kolb: Klar, die technischen Möglichkeiten sind heute andere. Diese Möglichkeiten sind allerdings schon seit sieben, acht Jahren vorhanden. Es gibt sehr gute Kamerasysteme, deren Verfügbarkeit hat sich vielleicht noch verbessert. Mit hochwertigen digitalen Kameras kann man im Grunde Filme produzieren, die vergleichbar sind mit Kinofilmen.

 

Spanische Filme waren in den vergangenen Jahren stark vertreten.

Kolb: Das ist immer noch so, vor allem aus Madrid und Barcelona.

 

Ein starker Beitrag aus Bayreuth

Liegt das am Fördersystem dort?

Kolb: Gute Frage. Auf jeden Fall haben die ein sehr hohes Niveau, es gibt dort sehr gute Hochschulen, und die bringen sehr viel und sehr interessante Sachen heraus. Oft erscheint es mir so, dass die einen Tick fantasievoller sind als in Deutschland. Fantasie braucht man hier vielleicht auch nicht so. 90 Prozent der Filme sind ja eh Krimis. Ah, einen Film muss ich noch empfehlen.

 

Bitte!

Kolb: „Sweet MaddyStone“, weil dieser Film der Wahnsinn ist. Schon wegen der Darstellerin Jessica Barden. Und „Ginger Ninja“, ein wirklich sehenswertes Ergebnis des 32-Stunden-Smartphone-Wettbewerbs an der Uni Bayreuth.

 

Wir sollten zum Ende kommen. Einen haben Sie noch.

Kolb: Also „Wartezeit“. Der Film hat mit der #metoo-Diskussion zu tun. In der Sichtung hat der Film mit die besten Noten bekommen. Er ist wahnsinnig spannend und sehr feinfühlig, über eine Frau, die abends an der Bushaltestelle Angst bekommt, und das zu Recht. Da wird es einem anders.