FDP-Europa-Spitzenkandidatin Hirsch will von den Amerikanern zugleich Datenschutz "Dann gibt’s halt kein Freihandelsabkommen"

Von Elmar Schatz
Europa muss seine Interesse gegenüber den USA klar vertreten, fordert FDP-Europa-Spitzenkandidatin Nadia Hirsch, hier im Interview mit Kurier-Redakteur Elmar Schatz. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Nadja Hirsch (35) ist die bayerische Europa-Spitzenkandidatin der FDP. Im Kurier-Interview sagt sie, sind die Amerikaner nicht zugleich zu einem Datenschutzabkommen bereit, werde sie ihre Hand im Europaparlament nicht für ein Freihandelsabkommen mit den USA heben. In Deutschland fordert sie einen schnelleren Breitbandausbau ein.

 
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Frau Hirsch, wer sind Sie, wie würden Sie sich selber beschreiben?

Nadja Hirsch: Schöne Frage. Ich persönlich würde mich beschreiben als überzeugte Liberale. Aber auch als ebenso überzeugte Europäerin. Und im Herzen als Münchnerin. Ich bin Psychologin. Das lasse ich in die Politik einfließen. Ich will Menschen verstehen und nicht gleich erzählen, was jetzt das Richtige wäre. Meines Erachtens muss Politik einfach mal zuhören.

Erlauben sie einen Blick in Ihr Privatleben, wer ist Ihnen wichtig?

Hirsch: Ich bin in München geboren und aufgewachsen. Meine Eltern leben in München. Ich habe dort studiert und lebe weiter in München, wobei ich jetzt natürlich meist in Brüssel oder Straßburg unterwegs bin. Ich bin nicht verheiratet, ich habe auch keine Kinder.

Sie sind früh in die Politik gekommen, wie sind Sie da rein geraten?

Hirsch: Im Vergleich zu CSU/JU bin ich relativ spät eingestiegen; erst nach dem Abitur bin ich zu den Julis, den Jungen Liberalen, und der FDP. Aber ich war davor schon politisch interessiert. Meine Eltern sind in keiner Partei. Aber bei uns war es eine Selbstverständlichkeit, dass wir wählen gehen und uns aus der Zeitung informieren. So mit zehn, zwölf Jahren begann mich das Thema Tierschutz zu beschäftigen. Ein Punkt war für mich dann der Jugoslawienkrieg. Wir waren als Familie viel im damaligen Jugoslawien. Meine Eltern haben ihre Hochzeitsreise dorthin gemacht. Wir hatten Freunde dort. Zu erleben, dass so ein Land, das man kennt, auf einmal im Krieg ist, war für mich Anlass, mich für Europa zu interessieren.

Für den Frieden und ein gemeinsames Europa?

Hirsch: Ja.

Und warum FDP?

Hirsch: Mit 18, wenn man wählen geht, fragt man sich: Wer könnte es sein? Ein paar Parteien waren vom Ausschlussprinzip her schnell weg. Die FDP war die Partei für mich, weil sie für Freiheit und Toleranz steht. Toleranz mag ich gern, weil Menschen unterschiedlich sind. Freiheit war mir wichtig, weil ich gerade aus der Schule gekommen war, in der einem gesagt wird, was man zu tun hat, manchmal ohne dass man es logisch nachempfinden kann. Da habe ich gesagt: Nein, ich habe einen eigenen Kopf und kann selbst denken.

Brauchen wir die FDP noch?

Hirsch: Es gibt eine größeres Spektrum an Personen, die sagen: Ja, wir brauchen eine liberale Partei. Die FDP hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, liberale Politik für das 21. Jahrhundert zu machen. Das ist die Schwäche gewesen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Das dauert. Wenn wir das hinbekommen, haben wir wieder eine Chance.

Also, die FDP im digitalen Zeitalter neu erfinden?

Hirsch: Ganz genau.

Muss der Breitbandausbau nicht viel stärker vorangebracht werden?

Hirsch: Ja. Denn schnelles Internet muss man einfach haben. Wie können wir die digitale Gesellschaft, in der wir uns befinden, erfolgreich gestalten, wenn schon die Basis fehlt? Das kann nicht funktionieren. Wird die Kluft zu groß, zwischen denen, die den Zugang zum schnellen Internet haben und denen, die ihn nicht haben, so schaffe ich einen Sprengstoff, der vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren hochgeht. Das führt zu Abwanderung aus unterversorgten Regionen. Das kann nicht unser Interesse sein.

Wie steht Deutschland in der EU bei schnellem Internet da?

Hirsch: Wir sind im Mittelfeld. Gerade die nordischen Länder sind sehr viel weiter. Da kann man sich auf allen öffentlichen Plätzen einloggen. Bei uns wird diskutiert, was passiert, wenn jemand etwas strafrechtlich Relevantes runterlädt. Da sind andere Länder viel pragmatischer. Aber wir wissen ja: Internet ist Neuland für die deutsche Bundesregierung. Es geht alles viel zu langsam, viel zu träge. Das kostet uns was, weil wir nicht mithalten. Wir haben ja schlaue Köpfe, das ist nicht das Problem. Junge, kreative Leute, kleine Startups, entwickeln mindestens so gute Produkte wie Amerikaner.

Wie könnte das neue Profil der FDP ausschauen?

Hirsch: Den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ihn mit seinen Rechten sehen. Das Thema Bürgerrechte wieder sehr viel stärker nach vorne rücken. Das muss Priorität haben. Zum Beispiel diskutieren wir im Moment das Freihandelsabkommen EU-USA.

Wie wollen Sie den Konsumenten vor amerikanischen …

Hirsch: Chlorhühnchen.

… und so weiter schützen?

Hirsch: Wir haben als Europaparlament die Möglichkeit, am Schluss ganz klar Ja oder Nein zu sagen. Aber wir können das Abkommen vorher nicht ändern. Das ist ein Nachteil.

Aber Sie können das ganze Paket ablehnen?

Hirsch: Genau. Für mich ist klar, dass wir bei Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz und Umweltstandards keine Abstriche machen dürfen. Diese Rechte haben wir uns erkämpft. Es macht keinen Sinn, wenn wir da zurückgehen.

Glauben Sie, dass sich die EU-Kommission bei den Verhandlungen mit den USA kritisch mit den US-Standards auseinandersetzt?

Hirsch: Ich glaube, das Signal ist angekommen: Die Bürger akzeptieren es nicht mehr, dass über ihre Köpfe hinweg verhandelt wird. Das ist absolut überholt. Dinge, die den Einzelnen im Alltag betreffen, kann man nicht unter Geheimhaltung verhandeln. Jeder, der das Freihandelsabkommen haben will, muss hier ganz schnell auf Transparenz pochen, damit man Gerüchte, die es teilweise gibt, auflösen kann. Und wir wollen in Verbindung mit dem Freihandelsabkommen ein Datenschutzabkommen mit den USA.

Dagegen sperren sich die USA?

Hirsch: Richtig. Seit den Enthüllungen durch Snowden im letzten Jahr über die massive Überwachung der deutschen Bürger, ist nichts passiert. Wir liefern immer noch Fluggastdaten, Bankdaten. Jetzt müssen wir mal eine gewisse Härte zeigen.

Aber, denken die Amerikaner nicht: Wir lassen uns nicht in die Karten schauen?

Hirsch: Gut, dann gibt’s halt kein Freihandelsabkommen. Ganz ehrlich: Ich werde meine Hand im Europäischen Parlament nicht heben, wenn ich nicht ein Datenschutzabkommen habe. Weil es einfach zu wichtig ist. Was ich aber verurteile, ist reines USA-Bashing. Wenn man nur sagt: Die USA sind die böse Weltmacht, ist das Blödsinn. Aber ich finde es absolut korrekt, unsere Interessen zu verteidigen.

Was denken Sie, wenn Sie derzeit Plakate der Republikaner sehen, wie: „Armutszuwanderung stoppen“?

Hirsch: Es ist beschämend. Da wird mit Ängsten gespielt. Die Fakten zeigen eindeutig, dass es keine erhöhte Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren in die Sozialsysteme gibt. In ganz Bayern sind es gerade mal 15 oder 17 Rumänen, die unter Verdacht des Missbrauchs von Sozialleistungen stehen. In diesen Fällen ist nicht einmal Anklage erhoben worden. Das geht aus der Antwort auf eine Landtagsanfrage hervor. Aber mit Angst Wahlkampf zu machen, ist leider relativ wirkungsvoll. Das ist absurd, weil wir Menschen brauchen, gerade auch Fachkräfte. Eigentlich müssten wir eine Willkommenskultur aufbauen.

Fürchten Sie die Alternative für Deutschland (AfD)?

Hirsch: Die AfD macht keine liberale, sondern eine rückwärtsgewandte Politik, die noch nicht mal im Interesse Deutschlands ist.

Nehmen die Freien Wähler der FDP Stimmen ab?

Hirsch: Ich finde, sie machen vor Ort in vielen Bereichen eine gute Arbeit. Aber schon auf Landesebene wird’s schwierig. Und es gibt einfach keine Europapolitik der Freien Wähler. Schaut man in den Wahlomat, so sind die Freien Wähler der CSU schon relativ ähnlich, rein von der Ausrichtung her.

Sie sind Münchnerin, warum touren Sie durch Franken?

Hirsch: Ich bin die bayerische FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl am 25. Mai. Deshalb bin ich in ganz Bayern unterwegs. Ich vertrete damit auch die Interessen dieser Region. Letzte Woche war ich bei einem Milchbauern auf dem Hof.

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