Die zwei "Alphatiere", wie Hoeneß und Rummenigge sich bezeichnete, waren sich zuletzt öfter mal uneins, etwa "in der Trainerfrage" im vergangenen Jahr, als Niko Kovac kam. Doch Hoeneß versicherte: "Sie glauben doch wohl nicht, dass ich wegen eines Streits ein solches Amt aufgebe!" Zuletzt hatte Aufsichtsratsmitglied Edmund Stoiber von "Zwistigkeiten" zwischen den Bossen als eines der Rückzugsmotive von Hoeneß gesprochen.
Der bald scheidende Präsident vermittelte den Eindruck, dass das Loslassen nach vier Jahrzehnten an den Machthebeln des FC Bayern ein Leichtes für ihn wäre. "Ich werde zum ersten Mal nach 40 Jahren am 16. November ohne Plan sein. Und das wird spannend für mich", sagte Hoeneß. Er sei "total gesund", betonte er ausdrücklich, den Verein sieht er finanziell, sportlich und personell bestens vorbereitet auf die Zeit nach ihm: "Die Weichen für die Zukunft sind gestellt."
Er wollte den Serienmeister in seinem "super Zustand" übergeben. Und irgendwann müsse man halt "den Schritt machen", erzählte Hoeneß: "Es gibt so viele Politiker oder Wirtschaftsführer, die ganz groß waren und dann abgeschlachtet wurden. Ich wollte durchs große Tor gehen. Ich wollte das selbst entscheiden und von niemandem auf der Welt aufgefordert werden, unten rechts meine Demission zu unterschreiben."
Er gratulierte sich selbst: "Das ist mir aus meiner Sicht großartig gelungen. Dieser Verein hat so viel Kraft und Saft, dass er auch den Uli Hoeneß nicht mehr an vorderster Front verkraften wird."
Bei der großen Bayern-Zäsur hat Hoeneß die Strippen nochmal nach seinen Vorstellungen gezogen. Er schickt den Weggefährten Rummenigge gleich mit in Rente - wenn auch zeitlich verzögert. Die Fixierung der Personalie Kahn, die am Freitagmorgen verkündet wurde, vervollständigt den Umbruch auf der Führungsebene des Rekordmeisters.
"Bei ihm ist eine großartige Entwicklung zu sehen", sagte Hoeneß über den 50-jährigen Kahn, der sich nach der Torwart-Karriere als Unternehmer und ZDF-Experte bewährt hat. Kahn hatte er "seit gut einem Jahr im Auge, irgendwann hat es bei mir klick gemacht". Hoeneß setzt voll auf den Titan: "Wir brauchen einen ehemaligen Fußballer in der Führung."
Kahn steigt am 1. Januar 2020 als Neuling ohne eigenes Ressort in den Vorstand der FC Bayern AG ein. Zwei Jahre später soll er Rummenigge, dessen Vertrag am 31. Dezember 2021 endet, an der Spitze ablösen. Kahn unterschrieb einen Fünfjahresvertrag - ein Vertrauensvorschuss.
"Kahn wird die Zeit nutzen, um ein richtig guter CEO zu werden", glaubt Hoeneß. Kahn sprach von einer "Ehre", nach über elf Jahren in leitender Funktion zu seinem Verein zurückzukehren: "Ich bin mit dem Verein tief verbunden, er hat mein Leben sehr stark geprägt."
Der stille Hoeneß-Freund Hainer (65) wird Präsident und Chef des Aufsichtsrates. "Einer, der Adidas führen kann, kann auch den FC Bayern führen", sagte Hoeneß über seinen bisherigen Stellvertreter im Aufsichtsrat. Der Niederbayer sei ein guter Freund. "Ich gebe dem Herbert Hainer keine Ratschläge, das ist ein gestandener Vollprofi."
Kahn und Hainer, diese Verbindung sollte funktionieren. Der frühere Adidas-Chef und der Ex-Nationaltorwart waren Geschäftspartner. Kahn war eine bedeutende Werbefigur für den Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach, der einer der Anteilseigner der Bayern-AG ist. "Die Vertragsverhandlungen mit Oliver hat Herbert Hainer fast alleine gemacht", verriet Hoeneß ein wichtiges Detail.
Wie aber geht's mit ihm weiter? "Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Zigarre rauchender und Golf spielender Rentner werde, der am Tegernsee sitzt mit Blick auf den See." Nein, Hoeneß wird weiter in der Arena sitzen und wie an diesem Samstag gegen Mainz 05 die Fußballspiele genießen. "Das fasziniert mich nach wie vor." Den ausufernden Transferwahnsinn hält er dagegen für "gaga".
Hoeneß will sein Mandat im Aufsichtsrat bis Ende November 2023 wahrnehmen. Der Patron büßt ohne Ämter Macht ein, aber er bleibt im Hintergrund sicherlich einflussreich. Er hat ja die neuen Macher ausgesucht, ob Kahn, Hainer, Kovac oder auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Ich werde mich auf keinen Fall aufdrängen, das bin ich den handelnden Personen schuldig", versprach Hoeneß. Aber er sagte auch: "Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Von mir wird schon noch etwas zu hören sein." Das klang nach: Das war's noch nicht.