Der Spanier Eloy Enciso verzichtet in "Longa noite" ("Die endlose Nacht"), einem filmischen Gedicht über die faschistische Diktatur in Spanien, völlig auf eine Handlung und offeriert eine Art Meditation. Damien Manivel aus Frankreich spürt in "Les Enfants d’Isadora" ("Die Kinder von Isadora") der allgemeinen Verkümmerung der emotionalen Sprache nach, indem er auf die Kunst des Tanzes baut. Der Isländer Rúnar Rúnarsson spiegelt die Verrohung der bürgerlichen Welt in "Bergmál" ("Echo") mit Szenensplittern, die deutlich von der Bildenden Kunst inspiriert wurden.
Nicht immer gehen künstlerische Originalität und Publikumsfreundlichkeit Hand in Hand. Einige der Filme muten zu rätselhaft an, um ein großes Publikum zu erreichen. Doch von diesen Filmen gehen kraftvolle Impulse aus, die das Erzählen im Kino anregen, die andere zum Abweichen vom Üblichen ermutigen.
Zu den wirkungsvollen Wettbewerbsbeiträgen gehört der deutsche Spielfilm "Das freiwillige Jahr" von Ulrich Köhler und Henner Winckler über eine komplizierte Vater-Tochter-Beziehung. Sie beeindrucken mit dem Mut zu einem provozierend-flapsigen Erzählton. Dabei aber entsprechen sie dem Wunsch vieler Zuschauer nach starken Emotionen im Kino. Sehr wirkungsvoll.
Die Jury vergibt ihre Preise am Samstagabend auf einer abendlichen Open-Air-Gala vor bis zu 8000 Zuschauern. Die Spannung ist groß, ob das Gremium, in dem die deutsche Regisseurin Valeska Grisebach ("Western") mitarbeitet, eher konventionelles, massenwirksames Kino auszeichnet oder politische Klarheit und stilistische Waghalsigkeit honoriert.