Familie bangt um Söhne im Nordirak

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Die kurdische Familie Abdolhamid wartet in Bayreuth auf die Entscheidung über ihren Asylantrag. Während es Tochter Helin, die an einem offenen Rücken litt, inzwischen besser geht, werden die Eltern langsam krank - vor Sorgen. Denn ihre drei Söhen müssen sich allein im umkämpften Nordirak durchschlagen. 

 
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Hinter Junus Abdolhamid und seiner Frau liegen Wochen der Resignation. Inzwischen hat das Ehepaar in Bayreuth Fuß gefasst und Kontakt zur Gemeinschaft der Kurden geknüpft. Ihre Tochter, die sechs Jahre alte Helin, war im Klinikum operiert worden. Das Kind litt an einem offenen Rücken. Inzwischen geht es schon viel besser. Das Mädchen bekommt zweimal in der Woche Bewegungstherapie und wird medizinisch betreut. Wenn sie will, bewegt sie sich auch allein im Rollstuhl vorwärts.

Die Tage der Abdolhamids vergehen. Mit Behördengängen und Warten. Mit Deutschunterricht und Therapiestunden.  Mit Spaziergängen im Hofgarten und am Röhrensee, wo es den Kurden gut gefällt. Sie können die Sicherheit richtig genießen. Doch ihres Herzens werden sie trotzdem nicht froh. Jeder Tag stellt die Familie aufs neue vor eine Zerreißprobe. 

Am 18. August im vergangenen Jahr kehrten der  Junus Abdolhamid und seine Frau… mit ihrer Tochter Helin der Ölstadt Kirkuk den Rücken. Über die Balkanroute schafften sie es – Helin im Rollstuhl – bis nach Deutschland. „Ich bereue für mein Leben, dass wir nicht schon früher aus Kurdistan weg sind“, sagt Junus Abdolhamid voller Bitterkeit.

Die Ärzte in Kirkuk wollten seiner Tochter mit dem offenen Rücken nicht helfen. „Lassen Sie sie sterben“. Diese Worte hatte der Vater allzu oft gehört. Auch von der  Provinzverwaltung gab es keine Hilfe. Sie verweigerte dem Ehepaar sogar die Erlaubnis, die umkämpfte Region auf offiziellem Wege zu verlassen, wie der 38-Jährige berichtet. Er lieh sich Geld für die Flucht. Weil das Geld für alle nicht reichte, blieben drei Söhne zurück. „Mit Kurdistan habe ich abgeschlossen.“  Das übersetzt Jamal Hama, in Bayreuth lebender Kurde. Er betreibt das Internetcafé am Gerberplatz. Er ist als Dolmetscher ehrenamtlich für die Stadt tätig.

 4000 Kilometer liegen nun zwischen den Abdolhamids und ihren Söhnen im Alter von 13, 15, und 17.Das macht sie fertig. Sprechen die Eltern über ihre Jungs, fließen die Tränen. Sogar die kleine Helin fragt nach ihren Brüdern. Die drei schlagen sich seit dem Sommer des vergangenen Jahres völlig mittellos alleine durch. Sie leben tageweise bei einer Tante, einem Onkel oder finden Obhut bei den früheren Nachbarn. Der Älteste bietet sich hin- und wieder als Arbeiter an.

Brenzlig wird es für die drei, wenn sie sich trennen müssen, weil sie zusammen kein Quartier finden. Ihnen fehlt es an allem. Um sie unterstützen, hat sich die Familie Geld vom Munde abgespart. Auch die Gemeinschaft der Kurden in Bayreuth hat Geld gegeben. Ein zuverlässiger Mittelsmann hat es in den Irak gebracht und dort übergeben, wie Jamal Hama übersetzt.

 Zu den Jungs haben die Abdolhamids nur unregelmäßig Kontakt. Sie hinterlassen sich gegenseitig Nachrichten im Internet. Selten gelingt ein direkter Kontakt. Die wenigen Minuten, die sie sich gelegentlich über den Internetdienst Skype unterhalten können, sind für alle besonders schwer. „Das sind herzzerreißende Szenen“, sagt Jamal Hama, der das Internet-Café am Gerberplatz betreibt.

 Für die Abdolhamids gibt es gegenwärtig kein Vor und kein Zurück. Und das stellt alle auf die Probe. Die Sorge um die Jungs in Kirkuk wiegt das Glück über die gelungene Flucht längst auf.

 Wie die Jungen berichteten, versuchen die Milizen des Islamischen Staats immer wieder, die Erdölmetropole zu erobern. „Dort herrscht das absolute Chaos“, sagt Jamal Hama über das Leben in der Stadt.

 „Wir wünschen uns nur eines und das ist die Vereinigung mit unseren Söhnen“, sagt Frau. Am 9. Februar haben die Abdolhamids Asyl in der Bundesrepublik beantragt. In diesen Tagen befasst sich das Bundesamt für Migration mit ihrem Schicksal.

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