Facebook will kein Schmerzensgeld zahlen

Von Gisela Schmidt und Michael Czygan
Archivfoto: Daniel Reinhardt/dpa Foto: red

Ein syrischer Flüchtling wird als Terrorist verleumdet. Facebook sperrt die Beiträge - doch zahlreiche Nutzer haben sie schon geteilt. Vor Gericht in Würzburg will er nun erreichen, dass auch diese verschwinden. Auf ein Urteil muss er noch warten.

 
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Die Verhandlung fand am Montag unter großem Medieninteresse statt. Flüchtling Anas Modamani hat im September 2015 ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemacht. Seitdem benutzen politisch rechte Kreise dieses Bild immer wieder, um den jungen Syrer als Terroristen zu verleumden und ihn verschiedener Verbrechen wie den Brandanschlag auf einen Berliner Obdachlosen zu bezichtigen. Üble Fotomontagen geistern seit Monaten in mehreren hundert Kopien durch das soziale Netzwerk. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Facebook die meisten Ausgangsbeiträge für deutsche Nutzer blockiert hat.

Keine Nettigkeiten

Nun hat Modamani beim Landgericht Würzburg eine Einstweilige Verfügung gegen Facebook beantragt. Mit Hilfe seines Würzburger Anwalts Chan-jo Jun will er erreichen, dass das soziale Netzwerk von sich aus alle Posts, in denen die Lügen geteilt werden, löschen muss. Facebook wird von dem Hamburger Anwalt Martin Munz und dessen Berliner Kollegen Christian Wirth vertreten. Die beiden übergeben Anwalt Jun kurz vor Verhandlungsbeginn ein etwa zwei Zentimeter dickes Schriftstück. „Es wäre nett gewesen, wenn Sie uns das vorher per E-Mail hätten zukommen lassen“, sagt Jun. Munz lächelt. Jun auch. „Aber Sie wollten nicht nett sein“, ergänzt er.

Die Zivilkammer versucht, wie es vorgeschrieben ist, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erreichen. Der Vorsitzende Richter Volkmar Seipel schlägt vor, dass Facebook dem jungen Syrer ein Schmerzensgeld zahlt. Das aber kommt für die Anwälte des sozialen Netzwerks nicht in Frage. Begründung: „Facebook hat die Inhalte ja nicht gepostet.“ Man sei lediglich der neutrale Verbreiter der Beiträge, sagte Munz.

Über Löschung könne man nachdenken

Der nächste Vorschlag des Gerichts: Die Bilder, um die es geht, werden von Facebook europaweit gelöscht, ohne dass das soziale Netzwerk sich damit verpflichtet, künftig ähnliche Beiträge durch ein Bild-Erkennungsprogramm zu verhindern. Darüber, so die Facebook-Anwälte, könne man „eventuell reden“. Ohne Rücksprache mit dem Unternehmen, wollen sie sich aber nicht festlegen.

Anwalt Jun erklärt die Sorge seines Mandanten: Anas Modamani rechne damit, dass sein Bild auch in Zukunft in Zusammenhang mit Straftaten auftauche. „Es ist Facebook zuzumuten, das Foto zu löschen“, sagt Jun. Für das Unternehmen sei es „kein Problem“, das Bild im Netz aufzuspüren. Sein Mandant habe diese Möglichkeit nicht.

Entscheidung in einem Monat

Nachdem viele Argumente ausgetauscht sind, weist der Vorsitzende darauf hin, dass seine Kammer eine einstweilige Verfügung nur dann erlasse, „wenn uns alles plausibel erscheint“. Das Gericht werde seine Entscheidung am Dienstag, 7. März, um 13.30 Uhr verkünden.

Derweil gibt sich Anas Modamani kämpferisch. Er habe weiter Hoffnung, dass die Richter Facebook verpflichten, keine Lügen mehr über ihn zu verbreiten. Leider sei es so, dass viele Menschen glaubten, was sie in dem Netzwerk lesen. Er aber sei kein Terrorist. „Ich will in Deutschland in Frieden leben.“ Er habe vieles geschafft, so Modamani weiter, habe die Sprache gelernt und verdiene seinen Unterhalt selbst. Diese Erfolge wolle er sich nicht zerstören lassen. Manchmal fürchte er sich mittlerweile auf die Straße zu gehen, deshalb trage er Schals zur Tarnung.

Angst hätten seine Eltern in Syrien, die die Diskussion ebenfalls verfolgten. Während Chan-jo Jun betonte, er werde weiter für Modamanis Rechte streiten, wollten sich die Facebook-Anwälte nicht weiter zu einem „laufenden Verfahren“ äußern.

Modamani wird in den strittigen Facebook-Beiträgen unter ander eine Beteiligung am Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt unterstellt. Immer wieder wird dabei ein Foto verwendet, das ihn mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt. Mit dieser hatte er nach seiner Ankunft in Deutschland ein Selfie gemacht. Im vergangenen Sommer wurde dem Syrer auch eine Beteiligung an den Brüssel-Attentaten unterstellt.

Verklagt wurde von Juns Kanzlei auch ein Funktionär der AfD, der die Äußerungen weiter verbreitet hatte. Auch er musste sich am Montag vor Gericht verantworten.

Mit Material von epd.

epd/dpa

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