Europaweiter Protesttag Menschen mit Behinderung im Nachteil

Menschen mit Behinderungen müssen nicht nur Hindernisse überwinden. Sie erfahren auch im Arbeitsleben große Nachteile. Foto: picture alliance//Arno Burgi

Am Freitag, 5. Mai, wird europaweit für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung demonstriert.

 
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Es gibt ihn seit 1992 und er ist heute noch genauso wichtig wie vor 30 Jahren. Das sagt Claudia Roberts und meint den Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, der jedes Jahr am 5. Mai begangen wird. Die 57-Jährige, die selbst einen Behinderungsgrad hat, kennt sich wie keine zweite in der Materie aus. Schließlich ist sie die Vorsitzende der Schwerbehindertenvertretung der Universität Bayreuth.

Kein Grund zur Klage

Claudia Roberts hat im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen in der Privatwirtschaft eigentlich keinen Grund zur Klage. An der Uni arbeiten derzeit etwa 105 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine Schwerbehinderung haben oder Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Damit erfüllt die Uni als Arbeitgeber nahezu die gesetzlich vorgegebene Quote von fünf Prozent. „Wir sind ganz nahe bei der Quote, bei rund 4,7 bis 4,8 Prozent“, sagt sie. Es sei aber ihr Bestreben, die Zahl der Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung noch weiter zu steigern. Ein Vorhaben, das ihr glücken könnte. Denn sie hat einen Vorteil gegenüber vielen Kollegen in Betrieben: Sie arbeitet im öffentlichen Dienst, wo man die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen weitestgehend erfüllt.

Nach oben ist noch Luft

Es hat sich, betont die ehemalige Personalrätin, die sich nun voll und ganz in der Freistellung befindend auf die Arbeit als Schwerbehindertenvertreterin konzentrieren kann, in den vergangenen Jahren viel geändert an der Uni. Als diese in de Siebzigerjahren entstand, spielte Barrierefreiheit keine Rolle. Heute gebe es kaum mehr Hindernisse in den Unigebäuden und wenn, dann werde in einer Fachgruppe darüber beraten, wie die Hindernisse abgebaut werden können. Sollte sie ihrem Arbeitgeber eine Note geben für sein Engagement für Menschen mit Behinderung und für Barrierefreiheit, würde sie eine zwei wählen. Denn, sagt Claudia Roberts, nach oben ist noch immer Luft.

Kein Selbstläufer

Die äußeren Bedingungen zu verändern, um Menschen mit körperlichen Einschränkungen den Zugang in die Uni zu erleichtern, ist die eine Seite ihrer Tätigkeit. Die andere Seite, die sie deutlich mehr fordert, ist die Einstellung von Menschen mit Handicap. Klar stelle eine Behinderung heute keinen Makel mehr dar, zumindest im öffentlichen Dienst. Aber die Abwägung der Fähigkeiten, die von Bewerbern erwartet werden für eine ausgeschriebene Stelle, sei eine schwere, in manchen Fällen sogar belastende Herausforderung. Klar gebe der Gesetzgeber vor, dass Bewerber mit einer Schwerbehinderung vorgezogen werden müssen. Das sei aber kein Selbstläufer, betont Claudia Roberts. Man müsse die fachliche Eignung aller Bewerber bewerten. Erst dann könne man entscheiden, wer den Zuschlag erhält. Und das könne auch der Bewerber ohne Schwerbehinderung sein.

Viele Vorbehalte

Während die Tendenz an der Uni weiter steigt, die Zahl der Beschäftigten mit einem Schwerbehindertengrad steigt, sehe es in der Privatwirtschaft anders aus. Zum einen gebe es in vielen Betrieben keine Schwerbehindertenvertretung. Und wenn, werde ihre Arbeit oft von Arbeitgeberseite erschwert. Zum anderen gebe es noch immer viele Arbeitgeber, sagt Claudia Roberts, die in erster Linie Hindernisse in betrieblichen Abläufen befürchten und hohe finanzielle Belastungen, wenn sie Menschen mit einer Schwerbehinderung einstellen. „Viele zahlen lieber die Ausgleichsabgabe, als sich mit der Frage, wie und wo bekomme ich Unterstützung, zu beschäftigen“, sagt sie.

Der Europäische Protesttag sei deshalb wichtig, um die Vorbehalte vieler Unternehmer und Arbeitgeber zu beseitigen, sagt Claudia Roberts, und die für eine Gleichstellung behinderter Menschen erforderliche rechtliche Grundlage zu schaffen.

Inklusion
In der Stadtbibliothek findet am Freitag von 11 bis 13 Uhr anlässlich des Protesttages eine Veranstaltung zum Thema „Inklusion auf dem Arbeitsmarkt“ statt. Die Veranstaltung mit Podiumsdiskussion ist öffentlich.

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