Natürlich kennen er und Sohn Paul auch die Küchentricks für den sensiblen Gaumen: Zitrone und Salz zum Würzen –nichts anderes, das den Geschmack des zarten Fleisches womöglich verfälschen könnte. Ein bisschen Mehl für die Kruste und heißes Butterschmalz zum Braten. „Kein Öl und kein anderes Fett, das wird sonst nix“, sagt Thomas Lutz. Dazu gibt’s Sahne-Mehrrettich, Kartoffeln und ein wenig Salat. Auch hierbei hält der gelernte Koch nicht viel von allzu vielen Raffinessen: Im „Rennsteig“ wird seit jeher traditionell gekocht. Und wer eine Forelle bestellt, möchte doch vor allem den zarten Fisch genießen.
In der Hochsaison, an den Wochenenden, wenn die Wanderer auf dem Rennsteig zur Rast von der Runst die rund 100 Meter zum Gasthaus am Wegesrand abbiegen, wird schon die ein oder andere Forelle aufgetragen – in der rustikal eingerichteten Gaststube mit den uralten geölten Dielen oder auf der Wiese vor dem Haus. Eine jede einzelne wird erst nach der Bestellung frisch gebraten. „Warmhalten geht bei Fisch nicht“, sagt Thomas Lutz.
Seit sein 30 Jahre alter Sohn Paul, der wie er in Erfurt den Beruf des Kochs gelernt hat und damit der Familientradition aus Berufung folgt, in der Küche steht, fühlt er sich mehr für die Vor- und Begleitarbeiten in der Küche zuständig und überlässt ihm das eigentliche Kochen. „Er ist viel ruhiger als ich und vielleicht auch kreativer“, sagt er. Das ist wichtig, wenn sich die Gäste an den Tischen drängen und in der Küche alles wie am Schnürchen klappen muss. Denn frisch zubereitet werden nicht nur Forellen, sondern mehrere Gerichte gleichzeitig. In einem so kleinen Familienbetrieb, in dem zwei Generationen und drei Familien zusammenleben und -arbeiten, hat jeder seine Aufgabe.
Nach Friedrichshöhe kamen schon immer Ausflügler aus der Umgebung und Urlauber aus der Stadt. „Luftschnapper“ hat man sie früher gerne genannt. Das herzogliche Amtsgericht in Eisfeld erteilte Gotthold Leipold am 27. November 1900 die Genehmigung zum Kauf eines Gasthauses am Rennsteig. Er war die erste Generation der Wirtsleute in Friedrichshöhe. Eigentlich hätten sie das 120-Jährige gerne gefeiert im vergangenen Jahr. Doch das Gasthaus ist, wie die Gastronomie überall, geschlossen. „Wir werden später feiern“, sagt Thomas Lutz. „Vielleicht im Sommer.“ Paul vertreibt sich die Zeit derweil mit seiner großen Leidenschaft: Holz. Er sägt, schleift – und gestaltet. Wuchtige, urige Sitzgarnituren für draußen. Herzen, Blumen und Fenster-Dekorationen für drinnen. Sein Lieblingsmaterial: Zirpenholz. Längst hat er sämtliche Gerätschaften – von der Motorsäge bis zur Schleifmaschine.
Thomas ist da ungeduldiger, rastloser: In den letzten Wochen hat er ab und an Bratwürste gebraten für vorbeikommende Winterwanderer. Draußen, freilich. Aber mittlerweile, sagt er, fehlt ihm sogar das Kartoffelschälen. Deshalb zieht er für den Hausgebrauch Krapfen „übers Knie“, nach einer Art, wie sie in den umliegenden Dörfern gerne gemacht und gegessen werden. Und wäre jetzt Sommer oder Herbst, würde er Stockschwämmchen und Heidelbeeren suchen. Für Vorsuppen das eine, für Eisbecher das andere. Oder er würde nach Oberweißbach zu Naturfleisch fahren, wo er Fleisch für Rouladen oder Bratwürste einkauft.
Nur auf den Rennsteig wandern, das tut er nicht. Er kennt ihn ja, jeden Meter hier oben. Und was sich da tut, das erzählen ihm die Wanderer oder Fahrradfahrer. Für die Familie ist der Gasthof am Ende der Welt, der seit vielen Jahren auch eine Pension hat, kein einfaches Erbe. Die Idylle der Natur, der Wald und die Wiesen, das ist ihr Kapital oben am Rennsteig. Aber die Gäste müssen erst einmal dorthin kommen wollen – auch, wenn die Sonne nicht gerade scheint. Und: Eine Tradition lebt nur, wenn sich die Wirtsleute ihren Gästen öffnen. Wenn sie erzählen und zuhören können. Wenn sie sich mal mit an den Tisch setzen, wenn sie Teil haben und nehmen an den Geschichten, die mit den Menschen ans Ende der Welt kommen.
Wer fünf Generationen auf den Buckel hat, den wirft so schnell nichts aus der Bahn. Auch keine Pandemie. Die Familie hat mehr als ein Jahrhundert lang gelernt, zusammenzustehen. Am Ende aber kommen die Gäste doch, weil es ihnen schmeckt. Und weil in der Gaststube noch alte Bilder an den Wänden hängen und sie durch die Fenster auf die Wiesen ins Tal hinunterschauen können. Weil hier Heimat ist.
Und weil die Forellen aus dem Schwarzatal da unten, immer und immer wieder ihren Weg nach ganz oben finden. Dorthin, wo es keine Flüsse gibt, aber hungrige Gäste.