Erstaufnahmeeinrichtung ist der Hauptgrund Flüchtlinge: Weshalb das große Chaos in Bayreuth bislang ausbleibt

Von Katharina Wojczenko
Kisten und Säcke bis zur Decke: Anna Westermann, Vorsitzende des Vereins Bunt statt Braun, im Lager für die Kleiderkammer. Der Verein hat einen Spendenstopp verhängt. Die Helfer kommen mit dem Sortieren nicht mehr nach. Westermann wünscht sich einen größeren Raum, damit die Kleidung richtig aufgehängt und Schuhe der Größe nach geordnet werden können. Einen Vorschlag hat sie Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und der Regierung unterbreitet. Foto: Katharina Wojczenko Foto: red

In der Stadt München kommen täglich Tausende Flüchtlinge an. Auf dem Gelände des Fliegerhorsts Erding soll jetzt wie in Feldkirchen bei Straubing eine Zeltstadt für 5000 Menschen entstehen. Und in der Stadt Bayreuth? Dort kommen wöchentlich etwa 17 Busse an. Zumindest bei der Verteilung blieb das große Chaos bisher aus. Das sind die Gründe.

 
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Bayreuth hat eine Erstaufnahmeeinrichtung. Das heißt: Es kommen zwar etwa 1000 Flüchtlinge pro Woche nach Bayreuth. Allein im August hat die Regierung 3400 Personen durch die Bayreuther Erstaufnahme mit ihren 580 Plätzen geschleust. Aber sie bleiben nicht dort. Nach der Erfassung werden sie in ein anderes Bundesland gebracht oder irgendwo in Oberfranken untergebracht, sagt Oliver Hempfling, Pressesprecher der Regierung von Oberfranken. Nur eben nicht in der Stadt Bayreuth.

Das liegt an einer Vereinbarung, die die Stadt mit dem Freistaat geschlossen hat, sagt Hempfling: Weil sie Standort für die Erstaufnahmeeinrichtung ist, muss sie keine weiteren Unterkünfte für Flüchtlinge bereit halten. Diese Vereinbarung hatte auch die Stadt Bamberg mit dem Freistaat aufgrund des  Abschiebelagers für 1500 Balkanflüchtlinge.

Ob es bei dieser Vereinbarung in Bayreuth bleibt? "Ich werde zu diesem Thema keine Prognosen mehr abgeben, das wäre unseriös", sagt Hempfling. Dass die Stadt zeitweise die Stadtbadturnhallen als Notquartier zur Verfügung stellte, sei "ein Entgegenkommen der Stadt" gewesen. "Wir haben auch ganz wenige dezentrale Unterbringungen in Bayreuth." Von rund 330 Flüchtlingen, die während ihres Asylverfahrens in der Stadt untergebracht sind, wohnen 200 in der Gemeinschaftsunterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße.

Selbst wenn die Bayreuther Erstaufnahmeeinrichtung an ihre Grenzen stößt, gilt die Vereinbarung weiter: weil sie "faktisch momentan ergänzt wird durch Notunterkünfte der Kreisverwaltungsbehörden", sagt Hempfling. Alle neun Landkreise und vier kreisfreien Städte in Oberfranken mussten der Regierung Notunterkünfte mit 200 bis 300 Plätzen nennen. Alle sind bereits belegt, aber nicht voll, sagt Hempfling. Da ist also noch Spielraum.

Bayreuth hat Anna Westermann. Und ihre vielen Helfer vom Verein Bunt statt Braun. Die Ehrenamtliche stemmt derzeit das, wofür andere Städte einen Asylkoordinator haben. Weil ganz viele Bayreuther helfen wollen, aber nicht wissen wie. Streng genommen ist die Vorsitzende des Vereins Hausfrau. Faktisch verbringt bis zu 16 Stunden am Tag mit Koordinieren. Der Verein versorgt Flüchtlinge mit Kleidung, eigentlich eine Regierungsaufgabe, sagt Westermann.

Und die Ehrenamtlichen reden mit den Flüchtlingen. Denn in der Erstaufnahme werden entscheidende Weichen gestellt. Werden Namen falsch geschrieben - was bei der Übertragung aus der arabischen Schrift passieren kann - erkennt das System nicht, dass Personen zur selben Familie gehören. Oder Minderjährige werden als Erwachsene eingestuft und falsch betreut. So etwas falle den Helfern von Bunt statt Braun im Gespräch auf - und sie weisen die Regierung dann darauf hin. "Weil Offzielle und Ehrenamtliche am Limit arbeiten, ist es wichtig, dass wir miteinander reden."

Bayreuth ist nicht Bamberg. Im Vergleich zu Bamberg sind die Bayreuther Zahlen putzig. Bamberg hat das neue Abschiebelager für Balkanflüchtlinge mit 1500 Plätzen. Am Freitag, drei Tage nach der Eröffnung, waren 150 belegt, sagt Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar. Unabhängig davon wohnten 634 Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften und dezentral in der Stadt. Knapp doppelt so viele wie in Bayreuth. "Es gibt die Vereinbarung mit dem Freistaat, dass Bamberg wegen der 1500 Personen vorerst aus der offiziellen Zuweisung und dem Notfallplan draußen bleibt." Trotzdem kam die Stadt für einen sogenannten Wartebereich für 5000 Flüchtlinge ins Gespräch - wogegen sich nicht nur Oberbürgermeister Andreas Starke aussprach. Ob dieses Lager trotzdem kommt, ist unklar. "Wir wissen offiziell nichts", sagt Siebenhaar.

Trotzdem gibt es viel zu verbessern. "Wir sind weit entfernt von einer Situation, in der man nach Schema F arbeiten kann", sagt Hempfling. "Unsere Leute tun, was sie können, manchmal auch mehr." Es fehlt Personal. Seit Ende August sind bei der Regierung 1200 Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Stellen eingetroffen. Täglich finden Bewerbungsgespräche statt. "Aber das wird noch ein paar Wochen dauern."

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