Ernte früher: Ein Knochenjob und sehr viel Handarbeit Bauern bewirtschaften heute mehr Fläche mit weniger Arbeitskräften

Von Ulrike Sommerer
Große Maschinen machen die Ernte heute komfortabel. Allerdings haben die Bauern heute wesentlich mehr Fläche zu bearbeiten, als dies noch vor 50 Jahren der Fall war. Foto: dpa Foto: red

Nicht ganz zehn Hektar bearbeitete ein Landwirt in den 1950er Jahren. Heute sind es im Vollerwerb im Landkreis Bayreuth rund 60 Hektar, die ein Bauer beackert, sagt Ernst Heidrich, Leiter des Amts für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten. Mit der Größe der Fläche hat sich auch die Arbeitsweise geändert. Auf dem Hof der Familie Dorsch in Speichersdorf wurde 1960 alles besser. 

 
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Denn in diesem Jahr begann auf ihrem Hof ein neues Zeitalter. Es wurde ein Mähdrescher gekauft.
Und vorher? „Man hat sich schon wirklich plagen müssen.“ Marianne Dorsch seufzt, dann lacht sie. Schwer war es früher schon, schön aber auch. Ihr sind besondere Momente in Erinnerung, denkt sie an die Erntezeiten früher. An das erfrischende Bad im Bach zum Beispiel, nach der schweißtreibenden Arbeit auf dem Feld. Splitternackt sei sie ins Wasser getaucht, herrlich war das. „Der Nachbar wird mich schon nicht gesehen haben.“ Doch es war vor allem ein Knochenjob, den die Landwirte während der Erntezeit verrichteten. Denn Maschinen, die die Arbeit erleichtern, sind eine recht junge Erfindung.
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Getreide meist mit der Sense gemäht, mit Bändern aus Stroh zu Garben gebunden und mit Zugtieren auf Leiterwagen nach Hause gebracht. Marianne Dorsch, Jahrgang 1933, kam als Flüchtling in die Region, verdingte sich als Arbeitskraft auf einem Hof in Lessau. Die Ernte, für die sie, ein Knecht, der Bauer und dessen Sohn zuständig waren, begann im Juli. Korn wurde gemäht und eingefahren, es folgten Gerste und Weizen und dann, später, Kartoffeln und Rüben. Bis in den November hinein ging es so zu. 4.30 Uhr aufstehen. Kühe melken, füttern. Raus aufs Feld, Futter holen, ernten. Recht viel anders wurde es auch nicht, als Marianne Dorsch dann 1955 ihren Friedrich heiratete, einen Speichersdorfer Bauernsohn. Der Hof war noch nicht übergeben, Marianne und Friedrich arbeiteten für fünf Mark pro Woche auf dem Hof mit. Tag für Tag, von früh bis spät. Die Getreideernte erleichterte inzwischen ein Bindemäher. Jetzt fiel das mühselige Aufsammeln der Ähren und Garben weg. An Ausruhen während der Ernte war dennoch nicht zu denken. Nach dem Dreschen wurden noch einmal weiße Rüben gesät. Im November konnten sie geerntet werden. Auch das – eine Plagerei. Sie mussten aus der Erde geholt werden, wurden auf einen Haufen geworfen, im Bach gewaschen, nach Hause gebracht.
War die Arbeit auf dem Feld erledigt, ging es auf dem Hof weiter. Die Getreide-Garben wurden aus den Scheunen geholt. Jetzt wurde gedroschen. Dass dies mit Dreschflegeln erledigt wurde, hat Marianne Dorsch nicht mehr erlebt. Auf ihrem Hof erledigte dies schon eine Dreschmaschine, die von Hof zu Hof gefahren wurde, alle haben beim Dreschen zusammen geholfen. Das Getreide lief durch die Maschine, die Körner fielen in Säcke, die von den Männern weggetragen werden mussten. Das Stroh wurde Einstreu für die Tiere.
Und dann kam der Mähdrescher. 1960 kaufte sich Friedrich Dorsch, zusammen mit drei anderen Bauern, diesen Mähdrescher, der die Arbeit sehr erleichterte. Doch kein Vergleich zu heutigen Mähdreschern. Man saß den ganzen Tag in der prallen Sonne, bis zum Abend war man dick mit Staub bedeckt, „und er war dauernd kaputt. So ein Mähdrescher kann sich das ganze Jahr ausruhen, und wenn man ihn braucht, ist er kaputt“, feixt Rudolf Dorsch heute, wenn er sich an die Maschinen von damals erinnert.
Rudolf Dorsch wurde 1957 geboren. Es war keine Frage, dass er als kleiner Junge mit ran musste, wenn Erntezeit war. Kartoffeln hacken, Stroh in der Scheune festtreten, damit möglichst viel hineinpasste, Heu auf den Wiesen zusammenrechen, das der Schwader liegen ließ. „Das Geld war nicht so üppig, und wir wollten trotzdem etwas schaffen. Also war unsere Handarbeit gefragt, die hat nichts gekostet“, erinnert sich Dorsch.
Seit etwa 14 Jahren gibt es auf dem Hof von Rudolf Dorsch erneut keinen Mähdrescher. Dorsch hat einen Lohnunternehmer beauftragt.

Rudolf und Anita Dorsch bewirtschaften in Speichersdorf einen Hof mit 45 Hektar Fläche, sie haben 32 Milchkühe, außerdem Enten, Tauben, Fische und eine Katze.