Ermittlungen gegen Böhmermann eingestellt

Die Bildkombo zeigt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann. Fotos: dpa Foto: red

Ein halbes Jahr lang prüfte die Staatsanwaltschaft Mainz, nun ist sie sich sicher: Jan Böhmermann muss wegen seines Gedichts über Erdogan nicht vor Gericht. Doch ganz bereinigt ist die Sache noch nicht.

 
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Die Ermittlungen gegen ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen dessen «Schmähgedichts» über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind eingestellt worden. Wie die Staatsanwaltschaft Mainz am Dienstag mitteilte, seien «strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen». TV-Satiriker und Grimme-Preisträger Böhmermann hatte sein Gedicht «Schmähkritik» Ende März in seiner Sendung «Neo Magazin Royale» vorgetragen.

Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch

Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ermittelt. Dabei ging es zum einen um den Strafantrag Erdogans wegen Beleidigung nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuches. Zum anderen hatte die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten nach Paragraf 103 erteilt. Parallel dazu kommt eine Privatklage Erdogans gegen Böhmermann am 2. November in Hamburg vor Gericht.

Insbesondere ist sich die Staatsanwaltschaft nicht sicher, ob Böhmermann Erdogan vorsätzlich beleidigt hat. Auch sei fraglich, ob es überhaupt eine Beleidigung war - dazu sei «die Äußerung eines herabwürdigenden persönlichen Werturteils über einen Dritten» nötig. Dagegen könnte nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft sprechen, dass der Beitrag als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte.

Schmähgedicht sollte Unterschied zwischen Satire und Schmähung klären

Mit seinem Gedicht über Erdogan wollte Böhmermann nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik aufzeigen. Der Text handelt unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie und transportiert außerdem Klischees über Türken. 

Vor der Zivilkammer des Landgerichts Hamburg geht es im November in mündlicher Verhandlung noch einmal um Böhmermanns Gedicht. Der türkische Präsident will erreichen, dass der gesamte Text verboten wird. Auf seinen Antrag hatte das Hamburger Landgericht bereits im Mai eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erlassen. Der ZDF-Moderator darf demnach den größeren Teil seines Gedichts nicht wiederholen. Bei dem Beschluss ging es um Passagen, die Erdogan dem Gericht zufolge angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen müsse.

Anwalt kritisiert die Kanzlerin

Böhmermanns Rechtsanwalt Christian Schertz kündigte zugleich eine "persönliche Stellungnahme" seines Mandanten am Mittwoch um 16.30 Uhr in Köln an und kritisierte die Kanzlerin. "Die Staatsanwaltschaft hat unserer von Anfang an geäußerten Einschätzung der Rechtslage entsprochen", teilte Schertz am Dienstag mit. «Anders als etwa die Bundeskanzlerin, die offenbar in Unkenntnis des genauen Sachverhalts ihren Regierungssprecher die satirische Nummer von Herrn Böhmermann sogleich pauschal als "bewusst verletzend" bewerten ließ, noch dazu gegenüber einer ausländischen Regierung, hat die Staatsanwaltschaft erkannt, dass man das Gedicht nicht solitär betrachten kann.»

Die öffentliche juristische Bewertung der künstlerischen Arbeit von Jan Böhmermann durch die Bundeskanzlerin sei vor dem Hintergrund der Einstellung der Ermittlungen umso mehr nicht nur eine Kompetenzüberschreitung und eine nicht hinzunehmende Verletzung der verfassungsgemäßem Gewaltenteilung, sondern sei einer öffentlichen Vorverurteilung gleichgekommen. Sie wiege umso schwerer, als dass sie von der türkischen Regierung als Ermutigung habe aufgefasst werden können, straf- und zivilrechtlich gegen Böhmermann vorzugehen.

dpa

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