Im Beobachtungszeitraum gab es neben vielen kaum spürbaren Beben auch zwölf Beben mit einer Stärke von vier oder mehr. Und was machten die Tiere? Die Forscher konnten tatsächlich auffällige Verhaltensmuster feststellen, die bis zu 20 Stunden vor einem Beben auftraten. Allerdings genügte es dafür nicht, einzelne Tiere zu beobachten, sondern alle gemeinsam. „Im Kollektiv scheinen die Tiere Fähigkeiten zu zeigen, die auf individueller Ebene nicht so leicht zu erkennen sind“, sagte Studienleiter Martin Wikelski zu den ersten Ergebnissen der Untersuchungen. In einem Fall sei tatsächlich drei Stunden nach einer deutlich erhöhten Aktivität der Tiere ein kleines Erdbeben aufgetreten, „dessen Epizentrum direkt unter dem Stall der Tiere lag“.
Trotz solcher ermutigender Ergebnisse seien weitere Untersuchungen nötig, bevor das Verhalten von Tieren zur Erdbebenvorhersage genutzt werden könne, betonen die Forscher. Dazu müsse eine größere Anzahl von Tieren über längere Zeiträume in verschiedenen Erdbebenzonen der Welt beobachtet werden. Im Rahmen des deutsch-russischen Icarus-Projekts dienten dazu Daten der Internationalen Raumstation (ISS). Dort wurden die Signale der an den Tieren befestigten Sender vom Weltraum aus erfasst.
Wegen des Kriegs in der Ukraine ist der Datenstrom von der ISS im vergangenen März versiegt. „Bis in eineinhalb Jahren werden wir neue Datenquellen haben“, sagt Wikelski. Dazu sollen Empfänger für die Bewegungsdaten der Tiere in Satelliten eingebaut werden, die in nächster Zeit in den Orbit geschossen werden. Teilweise ließen sich die Daten auch vom Erdboden aus erfassen, so der Forscher. Diesen Weg nutzt Wikelskis Team etwa in einem Projekt in der Nähe des Vulkans Ätna. Dort wird untersucht, inwieweit sich mit Sendern bestückte Hunde, Esel oder Ziegen zur Vorhersage von Vulkanausbrüchen eignen.