Engagierte Gruppe Senioren bringen Stadt voran

Demenz ist ein riesiger Einschnitt im Leben der Betroffenen und Angehörigen. Es gibt jedoch zahlreiche Hilfen. Foto: /Christoph Soeder/dpa

Das Team der Aktuellen Stunde ist in keinem Verein oder Verband organisiert. Seit sieben Jahren arbeiten sie ehrenamtlich, um das alltägliche Leben in Marktredwitz zu verbessern – nun nehmen sie sich des Mega-Themas Demenz an.

 
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Mit dem Konjunktiv kann die Gruppe nichts anfangen. Sätze wie „Man müsste da mal was machen“ oder „Hier sollte man mal darauf hinweisen“ sind so gar nicht ihr Ding. Die 18 bis 20 Frauen und Männer der „Aktuellen Stunde“ in Marktredwitz sprechen die Dinge an, wie sie sind. Und damit haben sie in den vergangenen Jahren in der Stadt viel erreicht. „Wir hielten zum Beispiel die Besuchszeiten des Klinikums Fichtelgebirge für unzureichend oder sahen, dass es zu wenige öffentliche Toiletten in der Stadt gibt“, sagt Ursula Winter, die inoffizielle Sprecherin des Kreises überwiegend etwas älterer Bürger. Ihre Forderungen diskutieren die Aktiven nicht am Stammtisch, sondern bei der „Aktuellen Stunde“. Oft genug wenden sie sich anschließend an das Ordnungsamt oder gleich an Oberbürgermeister Oliver Weigel. „In vielen Fällen haben wir etwas bewirkt, meist konnten unsere Anliegen problemlos behoben werden.“ Die engagierten Frauen und Männer haben sich unter anderem auch dafür eingesetzt, dass Walied Youssef als Integrationsbeauftragter der Stadt Marktredwitz fest angestellt wird.

Themen, die auf der Straße liegen

Die „Aktuelle Stunde“ ist unter anderem aus dem Kreis der KAB-Senioren entstanden. „Wir sahen, dass es viele Themen gibt, die übergreifend angepackt werden müssen, die nicht auf eine Institution oder einen Verein beschränkt sind. So sind wir vor sieben Jahren auf die Idee der Aktuellen Stunde gekommen“, berichtet Ursula Winter im Gespräch mit unserer Zeitung. Längst haben sich auch engagierte Frauen und Männer etwa aus der Awo angeschlossen. Jeden dritten Donnerstag im Monat laden sie um 15 Uhr zu einem Thema in den Saal des Egerland-Kulturhauses ein. Im Juli etwa referierte Oberbürgermeister Oliver Weigel über die Entwicklungen in der Stadt. Auch derartige Nachmittage gibt es. Häufig sehen die Mitstreiter aber Themen, die sie bei ihren Treffen anpacken, buchstäblich auf der Straße liegen,

Mega-Thema Demenz

Am Donnerstag, 22. September, um 15 Uhr ist eine Referentin zu Gast, die über das Thema Demenz spricht. „Wir laden alle Interessierten ein, dazuzukommen und den Vortrag anzuhören. Danach gibt es ausreichend Gelegenheit, Fragen zu stellen“, sagt Ursula Winter. Sie selbst wisse, welch großer Einschnitt die Demenzerkrankung eines Familienmitglieds im Leben ist. Auf einmal ändere sich alles, der Alltag sei nie wieder so wie vorher. „Gerade weil die Krankheit so viele Menschen betrifft und weil sie nach wie vor häufig tabuisiert wird, wollen wir an dem Nachmittag zeigen, welche Hilfen es gibt.“ Michaela Haberkorn, Demenzbeauftragte des Landkreises Wunsiedel und zertifizierte Wohnraumberaterin, spricht an dem Nachmittag zu den Besuchern.

Demenz ist ein gesellschaftliches Megathema. In Zukunft wird jeder vierte Bürger in seinem Umfeld jemanden kennen, der betroffen ist. Oder aber selbst erkranken. Damit Partner oder Familien auch mal einen Nachmittag für sich haben, in dem sie den Erkrankten nicht betreuen müssen, gibt es zum Beispiel das Angebot „Ede“ – Entlastung durch engagierte Helfer. Die Helfer kommen in die Familien und betreuen stundenweise den Erkrankten. In dieser Zeit können Angehörige mal zum Arzt, zum Friseur oder einkaufen. Über mehrere weitere Hilfen und Angebote klärt Fachfrau Michaela Haberkorn an dem Nachmittag auf.

Auch Film und Theater

Schon mehrere Male hat die „Aktuelle Stunde“ Demenz behandelt. „Wir haben über die Bürgerinformationsstelle MAKmit zum Beispiel das Theaterstück „Du bist meine Mutter“ oder den Film „Still Alice“ über eine Linguistik-Professorin, die mit 50 Jahren an einer schnell fortschreitenden Form von Alzheimer erkrankt, gesehen. „Demenz wird die Gesellschaft immer begleiten, darum ist es wichtig, sich dem Thema immer wieder zu stellen. Dies ist uns ein Herzensanliegen“, so Ursula Winter. Durch ihre eigene Erfahrung in der Familie habe sie viel Wissen gesammelt. Sie werde daher am 22. September aus eigener Anschauung berichten und hoffe, so das Eis zu brechen und andere zum Fragen zu animieren.

Gut vernetzt

Das Team der „Aktuellen Stunde“ ist im besten Sinne vernetzt. „Ja, wir arbeiten mit vielen Institutionen zusammen, so etwa mit der Arbeiterwohlfahrt, dem Integrationsbüro, den Soroptimisten oder dem Jugendzen-trum.“ Wie Ursula Winter sagt, seien ihr und ihren Mitstreitern alle gesellschaftlichen Gruppen wichtig. „Natürlich auch die Jugend. Daher haben wir zusammen mit dem Jugendzentrum ebenfalls Angebote entwickelt.“

Doch dann kommt 2020 Corona und mit der Pandemie erlischt das öffentliche Leben fast vollends. „Wir von der Aktuellen Stunde konnten natürlich keine Veranstaltungen planen, haben aber stets telefonisch Kontakt gehalten. Wenn sich ein größeres Anliegen herauskristallisiert hat, sind wir damit an die Stadt herangetreten.“ Viele Gruppen und Vereine haben die vergangenen beiden Jahre nicht überstanden. Unter anderem haben sich auch die KAB-Senioren aufgelöst, denen Ursula Winter angehört hat. „Das war für uns ein Grund mehr, die Aktuelle Stunde fortzuführen.“ Nach wie vor ist die Powerfrau zudem Vorsitzende des KAB-Hauptvereins in Marktredwitz.

Einen großen Unterstützer hat das Team der „Aktuellen Stunde“ in der Stadt Marktredwitz. Die politischen Vertreter sind ebenso wie die Mitarbeiter der Verwaltung dankbar für die Anregungen für Verbesserungen aus der Runde. „Dank der Stadt haben wir viele Dinge im Kleinen verbessert.“

Mittlerweile gibt es die „Aktuelle Stunde“ seit mehr als 2500 Tagen, und wie es aussieht, wird es sie auch nach 5000 Tagen noch geben.

Die Aktuelle Stunde ist heute eine Einrichtung der Stadt Marktredwitz unter dem Dach der Bürgerinformationsstelle. Die nächste „Aktuelle Stunde“ für alle interessierten Bürger ist am Donnerstag, 22. September, um 15 Uhr im Egerland-Kulturhaus. Die Demenzbeauftragte des Landkreises Wunsiedel, Michaela Haberkorn, wird zum Thema Demenz sprechen und über die zahlreichen Hilfsangebote im Landkreis referieren. Auch eine ausführliche Fragerunde ist möglich. Der Eintritt ist frei.

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