Einige Kommunen bauen Außenaufzüge ein - Rollstuhlfahrerin will sich nicht in Sitzungssaal tragen lassen Mit dem Rollstuhl ins Rathaus

Vorbildlich: Das Rathaus Bischofsgrün. Renate Dethert aus dem Pflegezentrum Bischofsgrün fährt mit dem Aufzug. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Vorgaben sind anspruchsvoll: Ministerpräsident Horst Seehofer hatte in seiner Regierungserklärung 2013 das Ziel vorgegeben, Bayern bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum und im gesamten Öffentlichen Personennahverkehr barrierefrei zu gestalten. Ob die Vorgabe erreicht werden kann, ist derzeit unklar.

 
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2015/16 stellt der Freistaat Bayern nach eigenen Angaben annähernd 205 Millionen Euro zur Verfügung. Kommunen, Verbände, Unternehmen, private Initiativen und viele weitere Akteure sollen Barrierefreiheit umsetzen. Eine stichprobenartige Umfrage unserer Zeitung bei Bürgermeistern ergab folgendes Bild:

"Der Bedarf war da"

Bischofsgrün: Das Rathaus befindet sich seit dem Umzug im Mai 2014 im Kurhaus. Der Aufzug war bereits vorhanden, war auf Initiative der Gemeinde 2003 im Zuge der Sanierung des Kurhauses eingebaut worden, berichtete Bürgermeister Stephan Unglaub. Der Aufzug führt in alle Etagen des Gebäudes. "Der Bedarf war da, die Treppen waren zu eng", berichtete Unglaub.

Bindlach: Die Gemeinde will im Rathaus einen Außenaufzug für rund 350 000 Euro einbauen, berichtete Bürgermeiser Gerald Kolb. Die Mittel stammen aus dem Kommunalinvestitionsprogramm des Bundes.  Im Freistaat soll das Geld für Maßnahmen der energetischen Sanierung kommunaler Gebäude sowie Maßnahmen des Barriereabbaus und des Städtebaus verwendet werden, hatte der Ministerrat beschlossen. Der Aufzug, dessen Planung fertig ist, soll zwei Stockwerke und damit auch den Sitzungssaal des Rathauses erreichen. "Wir wollen das Vorhaben noch in diesem Jahr anpacken", sagte Kolb. Bislang müssen Rollstuhlfahrer über eine Rampe in ein ebenerdiges Besprechungszimmer rollen, der zuständige Rathausmitarbeiter kommt mit den Unterlagen runter. "Einmal haben wir einen Rollstuhlfahrer ins Trauzimmer im zweiten Stock hochgetragen", berichtete Kolb.

Aufzug bis 2020 fertig

Weidenberg: Das Rathaus aus dem Jahr 1909 ist nicht barrierefrei. Mit den Mitteln des Kommunalinvestitionsprogramms von 400 000 Euro soll ein Außenaufzug angebaut werden, sagte Bürgermeister Hans Wittauer. Damit ist jedes Stockwerk begehbar. Die Planungen laufen derzeit, "wir gehen das offensiv an". Bis zum Jahr 2020 soll die Barrierefreiheit gegeben sein, schätzt Wittauer. Und bisher? Neben dem Rathaus gibt es ein Bürgerbüro mit einem barrierefreien Zimmer. Wenn ein Rollstuhl- oder Rollatorfahrer einen Rathausmitarbeiter oder den Bürgermeister persönlich sprechen will, dann kommen diese ins Bürgerbüro.

Massive Kritik an der fehlenden Barrierefreiheit des Rathauses gibt es in Untersteinach (Landkreis Kulmbach). Dort hatten Einwohner 53 Unterschriften gesammelt und einen Bürgerantrag gestartet, die Sitzungen des Gemeinderates vom zweiten Stock des Rathauses in den barrierenfreien Gemeindesaal zu verlegen. Der Bürgerantrag ist Tagesordnungspunkt auf der nächsten Gemeinderatssitzung am Montag, 13. Juni, um 19.30 Uhr.

Der Untersteinacher Tobias Eichner hatte darum gebeten, "betroffene Personen" an der Sitzung teilnehmen zu lassen und diese deshalb in den Gemeindesaal zu verlegen. Zu diesem Personenkreis zählt auch seine Mutter, Gerda Eichner, die im Rollstuhl sitzt und den Bürgerantrag mit initiiert hatte. Verwaltungsleiter Martin Betz hatte daraufhin Tobias Eichner mitgeteilt, die Gemeinde Untersteinach biete mit Unterstützung des Malteser Hilfsdienstes mobilitätseingeschränkten Personen an, an der Gemeinderatssitzung im Dachgeschoss des Rathauses teilzunehmen.

Mutter weigert sich

Doch Tobias Eichner teilte dem Verwaltungsleiter schriftlich mit, seine Mutter werde an der Sitzung nicht teilnehmen. Sie werde sich einer "menschenunwürdigen Zurschaustellung nicht stellen", formulierte Eichner. Er meinte damit das Hinauftragen der Rollstuhlfahrerin vor Dutzenden Zuschauern in das Dachgeschoss des Rathauses. Das Angebot der Gemeinde bezeichnete Tobias Eichner als "sogenanntes Verhinderungsangebot". Die Gemeinde habe das Angebot im Wissen gemacht, dass es seine Mutter nicht annehmen werde. Verwaltungsleiter Betz bekräftigte, das Angebot stehe. Ein  Hilfsdienst stehe vor und nach der Sitzung für mobilitätseingeschränkte Personen bereit. 

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